Teil 10

Gesamtkunstwerk Heidekastell Iserhatsche in Bispingen

Foto (c) Kulturexpress

  Jagdvilla Iserhatsche in Bispingen im Winter

Der Ausdruck Gesamtkunstwerk ist durchaus angemessen. Tausende von Besuchern kommen jährlich an diesen Ort. Die Anlage besteht aus Jagdvilla, dem Montagnetto, dem Barockgarten sowie Landschaftspark. Vergrößert wird das Ensemble durch den Preußenpavillon daneben das Heide-Wald-Haus-Café, in dem Besucher, umgeben von großformatigen Landschaftsbildern, verweilen können. Eine Glasbläserei schließt sich an.

Iserhatsche ist genaugenommen ein Landschaftspark in der Gemeinde Bispingen und gehört zur Lüneburger Heide. Bispingen liegt einige Kilometer nördlich von Soltau. Der 23 ha große Park wurde durch den heutigen Eigentümer Uwe Schulz-Ebschbach gestaltet. Neben der eindrucksvollen Jagdvilla, erbaut in Fertigbauweise, tummeln sich weitere Sehenswürdigkeiten, die das Parkgelände am Waldrand gelegen zu einem Ort mit besonderer Bedeutung aufleben lassen. Der Erlebnispark ist kinderfreundlich, trotzdem haftet der Odem der Vergangenheit an, der den Räumlichkeiten innewohnt. Die Anlage vermittelt eine gewisse Romantik.

Der Hausherr lud mich in sein Wohnzimmer ein, das zugleich prunkvolles Kaminzimmer war, ausgestattet im Übergang vom Historismus zum Jugendstil. An den Wänden hingen Bilder mit Heidelandschaft, auf welchen violettes Erika neben Birken blühte, die eher dem Jugendstil angehörten. Im Nachbarzimmer standen Gemälde im Stile Arcimboldos auf einem Fries, ein überstehendes durchgängiges Holzprofil unterhalb der Decke. Ein merkwürdiger Sitzsarg war im Raum, eine Vorwarnung, sowie die Bar mit Getränken in einer Wandnische. Uwe Schulz-Ebschbach, der von Haus aus Berliner ist und sich als Malermeister bei der Restaurierung des Schlosses Sanssouci bei Berlin einen Namen gemacht hatte, erzählte mir die Geschichte seines Hauses aus dem Sessel seines Kaminzimmers, so wie sie hier in einfachen Worten wiedergegeben ist. Das war am 13. Dezember 2017. Er erzählte auch von seiner Frau, mit der er oben im Haus wohnt verteilt in 15 Zimmern. Das Erdgeschoss ist Museum und dem Publikum vorbehalten. Bei Bedarf kümmert sich das Personal um die Besucher, die oftmals mit Reisebussen angereist kommen.

 

Hochzeitssaal im Inneren des Schlosses Montagnetto

 

 

Wikipedia schreibt über Iserhatsche, der Berliner Stahlbau-Unternehmer Ernst Noelle kaufte ein Areal von 230.000 m² in Bispingen und taufte das Anwesen auf den Namen Iserhatsche. Das war der Kosename, den ihm seine Mutter gab, was Plattdeutsch ist und soviel bedeutet wie ‚Eisenherzchen‘.

Der interessante Part daran ist, dass Noelle die Villa 1910 auf der Weltausstellung in Brüssel entdeckte. Diese wurde von der Wolgaster Häuserbaugesellschaft komplett aus Holz gefertigt und ausgestellt. Noelle kaufte die Villa im schwedisch anmutenden Stil für seinen Jagdsitz. Somit kam das erste Fertighaus in die Lüneburger Heide. Der Aufbau als Villa in Bispingen wurde im Jahre 1913 abgeschlossen.

  rekordverdächtige Streicholz-schachtelsammlung

Seither ging das Haus durch verschiedene Hände. Der jetzige Inhaber, Uwe Schulz-Ebschbach begann 1989 den Umbau der Jagdvilla, unter anderem mit der Erschaffung eines Biedermeier-Zimmers und dem Diana-Sanssouci-Zimmer.

Zur gleichen Zeit baute er den Montagnetto. Dort befindet sich ein kunstvoll arrangierter Saal, offizielles Standesamt, eine Brotbackgrotte und weit über 100 Sammlungen mit vielen Guinness-Weltrekorden. 2003 wurde Iserhatsche der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Die Raumfolge beginnt mit dem Eingangsdielen-Treppenhaus, das mit seinen Jagdtrophäen und dem D-Mark-Teppich (aus Münzen von 1948 bis 2001) auf dem Gauß'schen Wegesystem basiert. Den Mittelpunkt der Jagdvilla bildet der Kamin-Trophäen-Raum, der mit Möbeln aus der Jahrhundertwende (1890–1910) und einer Sammlung von Heidebildern ausgestattet ist. Das Biedermeier-Jagdzimmer ist Bestandteil der Raumfolge. Die Handdrucktapeten mit Jagdmotiv-Darstellungen geben Einblicke in die Welt des Biedermeiers. Die ehemalige Bibliothek des Hauses, der jetzige Spiegelsaal, kann auch für Trauungen genutzt werden. Den kulturellen Rahmen dafür bilden Kunstwerke aus verschiedenen Jahrhunderten.

Slideshow:

 Iserhatsche in Bispingen

 

Des Weiteren gibt es das Diana-Sanssouci-Zimmer, das eine klassische Handwerksleistung veranschaulicht. Der Rundgang endet mit der Besichtigung des Vierjahreszeiten-Eichensaals, der mit Mobiliar aus der Gründerzeit ausgestattet ist.

Das ungewöhnlichste Bauwerk auf Iserhatsche ist der Montagnetto. Es handelt sich hierbei um die bauliche Wiedergabe eines kleinen Schlosses im italienischen Stil, eingebunden in ein terrassenförmig geordnetes Seensystem.

 

  Nachbau der Arche Noah auf dem Parkgelände

Die Besonderheit ist ein eingebauter Vulkan, den man durch eine elektronische Schaltung betätigen kann. Im Innern des Burgbergs befindet sich ein Festsaal für bis zu hundert Personen, der für Hochzeiten, Feiern oder feierliche Veranstaltungen genutzt wird.

Der rekonstruierte und rekultivierte Barockgarten, mit Werken des Berliner Bildhauers und Malers W. O. Hengstenberg, ist ein Philosophischer Barocker Eisenpark. Im Mittelpunkt steht der Ebereschen-Eisen-Glocken-Baum. Jede Glocke steht für ein Lebensjahr des Eigentümers. Dieses Kunstwerk hat eine Höhe von 8 Metern, einen Stammumfang von 2,38 Metern, 7 goldene Blätter, 7 goldene Wurzeln und 12 bespielbare Glocken. Mehr als 200 philosophische Sprüche laden zu einem geistigen und philosophischen Spaziergang ein.

 

Schloss Montagnetto und der künstliche Vulkan tief im Winterschlaf

 

 

Wobei die Frage der Instandhaltung natürlich im Vordergrund steht. Wenn Umbauarbeiten anstehen, ist jedesmal der Statiker gefordert, um durch Prüfung anstehende Umbauarbeiten zu ermöglichen oder abzulehnen. Die Räume im Inneren von Schloss Montagnetto sind gewölbeartig im Untergrund angelegt, so dass der Eindruck entsteht, man sei im Keller. Aber auch eine Dachterrasse ist in den besuchten Sommermonaten zugänglich.

Artikelserie

siehe auch: Drei Handelsstädte am Rande der winterlich gestimmten Lüneburger Heide    Prolog
  Durchreise Hundertwasser-Bahnhof Hansestadt Uelzen    Teil 1
  Uelzener Innenstadt im Winter    Teil 2
  Mit Libeskind-Bau gelangt Weltarchitektur nach Lüneburg    Teil 3
  Im Zeichen der Nachhaltigkeit - Das neue Zentralgebäude der Leuphana-Universität    Teil 4
  Stadtrundgang Lüneburg    Teil 5
  Besuch im Deutschen Salzmuseum    Teil 6
  Hotel Anno 1433 in Lüneburg erfüllt moderne Standards    Teil 7
  Filzwelt in Soltau - Industriemuseum zum Mitmachen    Teil 8
  Soltau Therme 2018 zwischen Highlight und Sanierungsbedarf    Teil 9
  Gesamtkunstwerk Heidekastell Iserhatsche in Bispingen    Teil 10
  Im Verrückten Haus steht die Welt Kopf    Teil 11

 

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

      vom 04. Mai 2019