Mit Libeskind-Bau gelangt Weltarchitektur nach
Lüneburg |
Foto (c) Kulturexpress |
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Von außen erinnert die
asymmetrische Architektur an das Gemälde "Das Eismeer"
von Caspar David Friedrich.
Die Winterzeit verstärkt die Intention.
Das Foto ist vom 12.
Dezember. |
An der Leuphana-Universität Lüneburg hat ein
neues Zentralgebäude nach Entwürfen des Leuphana-Professors, Daniel Libeskind seinen Betrieb
aufgenommen. Er lehrte bis 2016 in Lüneburg, war dort
interdisziplinär tätig. Da die Architektur in Lüneburg nicht mit
eigenem Fachbereich vertreten ist, sammelte Libeskind Eindrücke
aus unterschiedlichen Disziplinen, die sich mit dem Thema
umweltbewusst, nachhaltig und energieeffizient Bauen befassten.
Die
Universität befindet sich auf dem Gelände einer ehemaligen
Wehrmachtskaserne. Der Entwurf von Daniel Libeskind setzt einen
Kontrapunkt zu deren Struktur. Für seine Arbeit suchte der
Architekt den intensiven Austausch mit Studierenden, ließ
Wünsche und Vorstellungen der wichtigsten Nutzergruppe in die
Entwicklung einfließen. Bei der Eröffnung sagte Libeskind: „Für
das neue Zentralgebäude der Leuphana habe ich mich vom Geist
dieser Universität inspirieren lassen. Die Leuphana erlebe ich
als einen Brutkasten für neue Ideen, Innovation, Forschung und
Entdeckung. Von diesen Elementen ist auch das neue Haus
durchdrungen.“
Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil eröffnete das neue Zentralgebäude der Universität am 11. März
diesen Jahres feierlich im Beisein zahlreicher Gäste.
An der Zeremonie nahmen rund 900 Vertreter aus Politik, Kirche,
Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft teil, unter ihnen
Mitglieder der Landesregierung und Repräsentanten des
Bundestages.
Der Libeskind-Neubau ermöglicht der Universität, künftig alle –
bisher auf drei Standorte verteilten – Fächer und
Lehrveranstaltungen auf dem zentralen Campus an der
Scharnhorststraße in Lüneburg zusammenzuführen. Die bisherige
Struktur der Bebauung ist geprägt von einem orthogonalen Raster.
Dazu setzt der Libeskind-Entwurf seinen Kontrapunkt und bricht
dieses Raster auf. Getragen wird das Projekt von der Leitidee
eines idealen Orts, an dem sich Studieren, Forschen und Leben
miteinander vereinbaren lassen. Das Gebäude repräsentiere die
offene demokratische Gesellschaft. Seine wichtigste Funktion sei
es, Menschen zusammenzubringen, beschrieb Daniel Libeskind
einmal seinen Ansatz.
Die
Kosten des fast 37 m hohen Bauwerks liegen bei rund 100 Mio
Euro. Das Gebäude gliedert sich in vier gestalterisch
differenziert ausgebildete Teile: ein Seminarzentrum, ein
Studierendenzentrum, ein Forschungszentrum und ein Auditorium
Maximum. Das Gebäude verfügt über eine Gesamtnutzfläche von
13.000 m². Die Forschung nimmt gut die Hälfte des zur Verfügung
stehenden Platzes ein. 2.800 m² Fläche sind für ein
Studierendenzentrum vorgesehen, 2.600 m² für ein Seminarzentrum.
Das Auditorium Maximum wird Platz für 1.200 Besucher bieten.
Grundriss EG (Ausschnitt Rettungsplan)
Der
Baukörper des Seminarzentrums hebt sich in östlicher Richtung
nach oben an und markiert zur Straße hin einen Haupteingang. Wer
das Hauptfoyer betritt, gelangt zunächst in eine große Halle,
die mit schrägen Wänden zum Teil aus Sichtbeton über mehrere
Stockwerke hinweg Ankommenden und Studierenden einen
großräumigen Empfang bereitet. In der Mitte, im Kernbereich des
Gebäudes befinden sich Aufzüge und Durchgangsräume. Eine Treppe
führt nach oben. Bemerkenswert ist auch die Akustik, die
Eingangshalle, Caféteria und Auditorium jeder Raum für sich
ermöglichen. An der Decke befinden sich Lichtöffnungen, die
durch die asymmetrische Bauweise im Baukörper wie verschobene
Fenster erscheinen. Ein zweiter Eingang befindet sich gegenüber,
der sich dem Campus zuwendet.
Perspektivisch ist der Bauköper auch aus größerer Entfernung
erlebbar. Einerseits kristalline, andererseits asymmetrische
Proportionen bestimmen das Bild beim darauf zugehen, wobei auch
hier die Perspektive veränderlich ist. Um so mehr sich der
Passant dem Baukörper annähert, wird der Bau natürlicherweise um
so größer. Es ist ein Blickwinkel mit Auswirkungen. Die
Architektur folgt damit der Zeitströmung des Dekonstruktivismus,
indem Struktur und Form einer Destruktion und einer erneuten
Konstruktion zu gleichen Teilen folgen.
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Hier ist die Caféteria
im EG. Der Raum soll auch für anderweitige
Veranstaltungen genutzt werden. Die Kabel am Boden waren
schon gelegt, die Installationen fehlten noch. Die
tomatenrote Wandfarbe war eine Vorgabe des Architekten
Daniel Libeskind.
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Im Dezember 2017 waren noch nicht alle Räume bezugsfertig.
Die Planung sieht die Einrichtung zwar in vielen
Einzelheiten vor, die komplette Möblierung fehlte zum Teil
in den Seminarräumen in den oberen Stockwerken. Die
Caféteria im EG war ebenfalls noch nicht eingerichtet, dafür
wurde Mitte Dezember noch ein Pächter gesucht. Die
Kabelstränge ragten schon aus dem Boden, die für feste
Installationen gedacht sind. Auch Seminare fanden ohne
räumliche Abtrennung in der großen Eingangshalle statt. So
soll auch in der Caféteria die Möglichkeit für externe
Veranstaltungen gegeben sein.
Daniel Libeskind vermeidet in
seiner Bauweise rechteckige Räume, die ausschließlich dem
rechten Winkel folgen. Dieser Eindruck bestimmt die
Architektur des Gebäudes in seiner gesamten
Konzeption. Die
Geometrie des Gebäudes im Grundriss, Ansicht und Schnitt ist
deshalb sehr anspruchsvoll. Die Außen- und zum Teil Innenwände sind
unterschiedlich geneigt und weisen keine Rechtwinkligkeit im
Grundriss und Schnitt auf. Das kann unter Umständen
gewöhnungsbedürftig für Studierende oder Besucher insbesondere
Konzertbesucher des Auditorium Maximum sein, da diese Bauweise außerhalb der üblichen
Norm liegt
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Fernsicht auf das
Universitätsgebäude aufgenommen
vom Wasserturm aus
der Lüneburger Innenstadt
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Das
Bauteil Studierendenzentrum betont durch seine Positionierung
und Gestalt die Hinwendung zur Campusanlage, was die innere
Verbundenheit des neuen Gebäudes mit dem Bestand betont.
Verstärkt wird diese Absicht durch die Erschließung der
Cafeteria aus dieser Richtung.
Das
Forschungszentrum überragt die anderen Bauteile wie ein
Leuchtturm und dokumentiert damit die Bedeutung der Forschung
für die Universität. Schon durch seine Höhe schafft dieser
Baukörper neue Blickachsen, da aus den oberen Etagen sogar
Sichtkontakt zur Lüneburger Innenstadt besteht und umgekehrt.
Das
Auditorium ist südlich an die anderen Baukörper angeschlossen.
Seine 1.100 Sitzplätze werden mit Hilfe einer flexiblen
Bestuhlungsanlage bereitgestellt: Rund 800 Sitze der gesamten
Bestuhlung können bei Bedarf an der Rückwand des Auditoriums
zusammengeschoben werden, die anderen rund 300 stehen ebenerdig
in Stuhlreihen. Sobald die Bestuhlungsanlage ihre Parkposition
in einer Ecke des Saales erreicht hat, kann eine Schiebewand
geöffnet und so die Fläche des Auditoriums zum Foyer hin
erweitert werden.
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Dachbegrünung über dem
Portal am Haupteingang. Der Rasen soll dann im Sommer
mit Handsicheln in der Schräglage gemäht werden.
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Alle Gebäudeteile sind vom UG bis hinauf ins 1. OG miteinander
verknüpft: Studierendenzentrum, Forschungszentrum,
Seminarzentrum und Auditorium. Die vertikale Erschließung dieser
Ebenen erfolgt dabei nicht nur über die Aufzüge, sondern auch
über Treppenanlagen und Galerien im Forschungszentrum,
Seminarzentrum und im Auditorium. Ein Foyer ermöglicht den
Zugang zu allen vier Gebäudeteilen und macht deren Interaktion
erlebbar.
Das siebengeschossige Gebäude mit einer Gesamthöhe von rund 36 m
wird auch moderne Multifunktions- und Ausstellungsflächen
beherbergen. So dient es gleichzeitig Stadt und Landkreis
Lüneburg als neue Stadt- und Kongresshalle und dokumentiert
damit die zentrale Rolle der Hochschule im öffentlichen Leben
und den hohen Anspruch an eine nachhaltige Gebäudenutzung.
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Die Fassadenverkleidung besteht aus
Titanzinkblech
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Die
Dachkonstruktionen sind stark geneigt oder als Zylinderschalen
gekrümmt. Es entstehen komplexe Durchdringungen und Anschlüsse
der einzelnen Bau- und Gebäudeteile. In den Fassadenflächen
befinden sich großflächige, nicht rechteckige Fenster- und
Fassadenöffnungen, welche die Außenwand zum Teil über zwei
Geschosse oder über Eck zu durchbrechen und aufzulösen scheinen.
Das
Gebäude setzt Maßstäbe im Bereich öffentlicher Bauten, sowohl
bei der Gestaltung als auch mit Blick auf Nachhaltigkeit und
Energieeffizienz. Energieoptimiertes Bauen steht im Vordergrund.
Das Bauwerk besticht durch technologische Innovationen, darunter
eine elektrochrome Verglasung, die Verwendung von PCM (Phase
Change Materials) sowie verschiedene Bausteine für eine
nutzerabhängige Gebäudeleittechnik. Bereits in der
Entwurfsplanung wurde besonderer Wert darauf gelegt, ein
öffentliches Gebäude zu schaffen, das ohne die Nutzung von
Primärenergie betrieben werden kann.
Das Gebäude wird teilweise in Stahlbeton, teilweise in
Stahlbetonverbundbauweise errichtet
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