Parteien vor der Bundestagswahl am 26. September 2021 zum Thema: Wohnen und Bauen

Teil 3: GRÜNE wollen, das Recht auf Wohnen soll ins Grundgesetz

Wohnen ist ein Menschenrecht. Aber es wird immer schwieriger, überhaupt Wohnungen zu finden. Mieten und Immobilienpreise steigen vielerorts ohne Ende. Großstädte teilen sich immer stärker in Einkommensstadtteile auf. Den Innenstädten geht das Leben verloren. Viele Städte brauchen eine Neuausrichtung hin zu einem gemeinwohlorientierten Wohnungsmarkt. Deshalb gilt es zu handeln, damit gerade auch Familien, Studierende, Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen oder Geringverdiener*innen nicht in Bedrängnis geraten, sondern gut und sicher wohnen können. Die GRÜNEN wollen das Recht auf Wohnen ins Grundgesetz aufnehmen.

 

 

 

In Deutschland sind derzeit etwa 700.000 Menschen wohnungslos, 40.000 von ihnen leben ohne Obdach auf der Straße, darunter mehr und mehr junge Menschen, Frauen und Familien. Um diesen Zustand zu beenden, wollen die GRÜNEN ein nationales Aktionsprogramm zur Vermeidung und Bewältigung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit auflegen. Dabei ist der Housing-First-Ansatz ein zentraler Baustein, bei dem Obdachlose in eine Wohnung einziehen können, ohne sich zuvor für Hilfe „qualifizieren“ zu müssen. Kein Mensch soll ohne Obdach und eine dauerhafte würdevolle Unterbringung sein. Zudem soll ein Wohn- und Mietengipfel einberufen werden, der einen echten Dialog auf Augenhöhe zwischen den Mieter*innen-Vertretungen, der Wohnungswirtschaft sowie Bund, Ländern und Kommunen schafft und gemeinsam neue, zukunftsfähige wie soziale Konzepte erarbeitet.

Klimaziele können nur mit einer konsequenten Bauwende hin zu Ressourcen schonendem und nachhaltigem Bauen erreicht werden. Bei jeder Städtebau- und Gebäudeplanung sind künftig der gesamte Stoff- und Energieverbrauch für Bau, Betrieb und späteren Rückbau umfassend zu berücksichtigen. Eine Lebenszyklusbetrachtung soll verpflichtend für alle Baumaßnahmen werden, Erhalt und Aufbau auf Bestehendem bekommt Vorrang vor Neubau. Ziel ist eine komplette stoffliche Wieder- oder Weiterverwertung.

Gesetzt wird auf Veränderung der ökonomischen Rahmenbedingungen, ein Gebäude-Ressourcen-Gesetz und verbindliche Klimaschutzstandards bei allen gesetzlichen Vorgaben, Normen und Bauordnungen sowie eine nachhaltige Holzbaustrategie, damit künftig energie- und Ressourcen schonend und giftfrei gebaut wird. Die öffentliche Hand muss bei alldem ihrer Vorbildfunktion gerecht werden. Die Forschung an und Markteinführung von nachhaltigen, klimafreundlichen Baumaterialien sollen gestärkt werden. Holz ist ein wertvoller Rohstoff, es gilt seinen gezielten und effizienten Einsatz im Blick zu behalten, damit Häuser nachhaltig, aber zugleich Wälder nicht übernutzt werden. Gefordert werden außerdem die Digitalisierung von Planen und Bauen. Um Gebäude kreislaufgerecht planen, bauen und modernisieren zu können, wird ein digitaler Gebäude-Materialpass mit allen relevanten Informationen über die verwendeten Materialien eingeführt – Gebäude und Bauschuttdeponien werden so zu Rohstoffminen.

Die Reduktion des Flächenverbrauchs bei der Siedlungsentwicklung spielt eine zentrale Rolle beim Natur- und Artenschutz. Mit entsprechenden rechtlichen Vorgaben und Anreizen soll der Vorrang der Innenentwicklung und flächensparendes Bauen realisiert werden. Nicht mehr benötigte versiegelte Flächen werden der Natur zurückgegeben. Künftig wird mehr hoch als breit gebaut, Verkehrsflächen werden reduziert. Flächen, die noch versiegelt werden, müssen ortsnah durch Entsiegelung ausgeglichen werden. Das bedeutet den Einstieg in eine Flächenkreislaufwirtschaft, die letztlich keinen Nettoverbrauch an Boden mehr benötigt. Ferner setzen sich die GRÜNEN dafür ein, dass § 13 b des Baugesetzbuches nicht über das Jahr 2022 hinaus verlängert wird.

Den Verbrauch an Boden in Natur und Landwirtschaft soll drastisch reduziert werden – in einem ersten Schritt auf unter 30 Hektar pro Tag deutlich vor 2030. Dazu werden gemeinsam mit den Ländern und Kommunen Instrumente umgesetzt, mit denen Bauen auf jetzigem Ackerland und Naturboden wirksam begrenzt wird.

Der Wohnungsmarkt darf kein Ort für Spekulant*innen sein. Zu häufig werden Immobilien zur Geldwäsche genutzt, das gilt es zu beenden. Geplant ist, Transparenz durch ein Immobilienregister der Eigentümer*innen einzuführen, die Grundbücher auch für Journalist*innen, Nichtregierungsorganisationen und die Bewohner*innen der Immobilien kostenfrei zugänglich zu machen.

Es gilt Bargeld beim Immobilienkauf zu verbieten. Außerdem wollen die GRÜNEN den Missbrauch von sogenannten „Share Deals“ zur Steuerumgehung beenden und setzen auf eine anteilige Besteuerung des Immobilienbesitzes bei Unternehmensverkäufen. Veräußerungsgewinne aus privaten Immobiliengeschäften müssen angemessen besteuert werden. Die Spekulation mit Bauland soll unterbunden werden. Wenn in Kommunen große Wohnungsnot herrscht, ergibt sich daraus eine Pflicht für Eigentümer*innen, Grundstücke zu bebauen, statt auf höhere Preise zu spekulieren. Auch gegen Fehlnutzungen und spekulativen Leerstand von Wohnraum soll verstärkt vorgegangen werden. Zudem soll das Baugesetzbuch die Möglichkeit einer Ausgleichsabgabe zugunsten der Kommunen eröffnen.

Steigende Preise von Grund und Boden haben steigende Bau- und Wohnkosten zur Folge, was wiederum zu Verdrängung führt. Bei Fehlentwicklungen ergibt sich hieraus eine besondere Verpflichtung, staatlich einzugreifen. Es soll erreicht werden, dass die öffentliche Hand wieder eine strategische und gerechte Bodenpolitik betreibt. Der Bund soll seine eigenen Immobilien nicht länger meistbietend verkaufen, sondern gezielt die Schaffung von bezahlbarem und nachhaltigem Wohnraum, kulturellen, sozialen und gemeinwohlorientierten Einrichtungen fördern. Dafür soll die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben in einen gemeinnützigen Bodenfonds umwandeln. Der Fonds kauft neue Flächen strategisch zu und überträgt sie an gemeinwohlorientierte Träger. Die Flächen sollen bevorzugt in Erbpacht vergeben werden, um Sozialwohnungen dauerhaft sichern zu können. Werden sie veräußert, sollen Kommunen und kommunale Wohnungsgesellschaften ein Erstzugriffsrecht erhalten. Die Einnahmen des Fonds fließen nicht in den Haushalt, sondern werden für den Zukauf weiterer Flächen verwendet.

Foto (c) Kulturexpress, Angaben aus dem aktuellen Parteiprogramm der GRÜNEN

Siehe auch: Teil 1: SPD will "Bezahlbares Wohnen"
Siehe auch: Teil 2: CDU will bezahlbaren Wohnraum in Städten und neues Leben in den Dorfkernen
Siehe auch: Teil 3: GRÜNE wollen, das Recht auf Wohnen soll ins Grundgesetz
Siehe auch: Teil 4: Freie Demokraten wollen, Wohnen soll bezahlbar bleiben

Siehe auch: Teil 5: AfD will die Schaffung von Wohneigentum fördern

Siehe auch: Teil 6: DIE LINKE will bezahlbaren Wohnraum vorrangig im Bestand

 

 

 

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

 vom 14. August 2021