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Größer Denken – Perspektiven für den Kulturcampus

Foto (c) Kulturexpress

 

 

Auf dem Foto v.l.n.r.:Christopher Brandt; Ina Hartwig, Tim Schuster, Sebastian Popp und Thomas Dürbeck

Ist der Kulturcampus eine Schnapsidee? Auf dem Areal zwischen Robert-Mayer-Straße und Bockenheimer Depot sollen vor allem Wohnraum und Büros entstehen. Wohnraum statt Kulturcampus, das zeugt von Pragmatismus. Doch was die Stadt braucht, sind Freiräume. Insofern ist der Kulturcampus als städtisches Kraftzentrum zu verstehen, um die Stärkung vorhandener Strukturen voranzutreiben. Studienleiter Christian Kaufmann sagt, es ist ein Fehler den Campus Bockenheim als Universitätsplatz aufzugeben. Auf dem Kulturcampus soll sich das Ensemble Modern niederlassen. Die Musikhochschule Frankfurt bekommt mit dem Neubau einen neuen Standort. Fünf Jahre sind nicht mehr viel: Wird es einen Kulturcampus geben oder wird es doch nur eine Version von Kulturcampus light? Diese Fragen stellte Rainer Schulze von der F.A.Z. am 10. April einer Reihe an Diskussionsteilnehmern. Gastgeber war die Evangelische Akademie Frankfurt auf dem Römerberg.

 

Jüdische Akademie, Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, mögliche Verlagerung von Schauspiel und Oper, Verlagerung der Universitätsbibliothek, Wohnen und Machbarkeitsstudie lauteten die Schlagzeilen in Bezug auf das Kulturcampus-Areal in den letzten Wochen. Welche Visionen existieren für den Campus?

 

Rainer Schulze setzt an: Was ist Ihre Vision vom Kulturcampus? Ist diese noch aktuell? Dr. Ina Hartwig, Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt antwortet: Generell gesagt, sei dies für sie ein Ort der Wissenschaft. Ein Ort an dem Forschung stattfindet. Auf dem Areal ist ja einiges vorhanden. Hartwig nannte das Haus der Kulturen und das Bockenheimer Depot als experimentelle Spielstätte. Rainer Schulze fragt weiter: Warum sie die Musikhochschule nicht erwähnt? Diese sei doch wesentlicher Bestandteil der kulturellen Ausrichtung auf dem Areal? Prof. Christopher Brandt, Präsident der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, mischt sich ein: 400 Veranstaltungen im Jahr gehen von der Musikhochschule aus. Die Vernetzung verschiedenster Institutionen findet statt. Ziel sei die Kooperationen an einem Ort zu bündeln. Gute Zusammenarbeit findet immer auf operativer Ebene statt. Aufgrund der Planungen wurden 900 Mio. Euro für den Neubau zugesagt. Dr. Tim Schuster, Verein Offenes Haus der Kulturen, betonte: Der Kulturcampus soll ein Raum sein, in dem wir zusammen leben wollen. Der Vorteil ist, das Areal befindet sich im Besitz der Stadt. Gefordert sind Visionen von einer anderen Stadt. Es handelt sich aber auch um historisches Gelände seit Gründung der Universität. Davon zeugt das Eingangsgebäude mit Sandsteinportal aus dem Gründungsjahr 1914. Dazu gehört auch das Institut für Sozialforschung. Zudem läuft gerade eine Ausstellung: "Revolte + Experiment - Kulturcampus im Aufbruch" im Haus der Kulturen auf dem Campus. Tim Schuster will die Avantgarde,  arbitrere Formen des gemeinschaftlichen Wohnens haben. Eine Vielzahl an Akteuren werden auf dem Kulturcampus notwendig sein, ergänzt Schulze.

 

Sebastian Popp, kulturpolitischer Sprecher der Grünen im Römer, beanspruchte den Realitätsanspruch für sich und befürwortete Vorschläge, die seinerzeit Petra Roth und Karlheinz Weimar mit dem Entwurf des Kulturcampus vorgegeben hatten. Was allerdings nicht mitdiskutiert wurde, waren finanzielle Fragen. Doch Frankfurt brauche mit dem Kulturcampus ein Experimentierfeld, das stehe fest. Einrichtungen wie das TAT wurden schon vor Jahren geschlossen und kein Ersatz geschaffen, obwohl der Bedarf da sei. Es gibt keine einzige Kunstmesse mehr in Frankfurt, das deute auf einen permanenten Vertust hin. William Forsythes Aktivitäten in der Stadt sind Vergangenheit. Frankfurt am Main ist aufgefordert, sich verstärkt auf kultureller Ebene einzubringen!

 

Dr. Thomas Dürbeck, kulturpolitischer Sprecher der CDU im Römer, meint, Baurecht trennt Wohnen und Gewerbe. Auf dem Areal soll ein Mischgebiet entstehen. Kultur bedeute zugleich Wissenschaft und Kunst. Durchmischung sei gefordert. Warum das Thema Kulturcampus gerade wieder eingeschlafen sei, bleibt dagegen unverständlich? Auf welchem Grundstück die Musikhochschule genau gebaut werden soll, gerate ins Ungewisse. Ina Hartwig entgegnet auf die Einwendungen, der Avantgardebegriff dürfe nicht überfrachtet werden. Auf dem Kulturcampus soll ein "Zentrum der Künste" entstehen. Das Gelände ist größtenteils schon aufgeteilt worden. Allzu viel Fläche für Kultur ist deshalb nicht übrig geblieben, meinte Hartwig noch. Sie schlägt vor, Gebäude zu bauen, die eine Umnutzung nicht ausschließen. Wann eine Interimsspielstätte gebaut werden soll, steht jedoch in Frage. Dürbeck erwidert: den Kulturcampus mit Variablen überfrachten, sei nicht sinnvoll  Christopher Brandt betont Synergien, die hilfreich zwischen einzelnen Institutionen stattfinden. Auf die Frage wohin die Musikhochschule eigentlich ziehen sollte, wurde auch schon an eine Auslagerung nach Offenbach gedacht.

 

Der jetzige Standort an der Eschenheimer Landstraße ist komplett ausgelastet. Allein 10.000 qm Anmietungen wie in der Sophienstraße gäbe es. Pragmatismus ist an dieser Stelle gefragt! Rainer Schulze fügt ein, das Grundstück, wo das Juridicum steht mitsamt angrenzenden Bereichen, käme für den aktuellen Neubau der Musikhochschule in Frage. Sebastian Popp sagt, es gibt für den Neubau bereits architektonische Pläne, die mehrfach umgewandelt wurden, um die erhöhten Ansprüche nach Platzbedarf geltend zu machen. Wobei der Labsaal in das Bauvorhaben mit eingebunden werden kann. Thomas Dürbeck sieht den Flickenteppich noch nicht, wie er angekündigt wurde. Rainer Schulze sagt, sobald der Architekturwettbewerb läuft, ist nicht mehr viel daran zu rütteln. Was natürlich Ansichtssache ist, denn Pläne innerhalb eines Wettbewerbs lassen sich vorher und nachher jederzeit abändern. Flächennutzungsplan und Machbarkeitsstudie können motivierend sein bei der Vorbereitung zu den Bauarbeiten, fügt Dürbeck hinzu. Es geht auch um die Frage, sollen es ein oder zwei Gebäudekomplexe sein? Gebraucht werden 7.500 qm.

 

Was bisher völlig vergessen wurde, nach den neuen Bauplänen gibt es gar kein Studierendenhaus mehr auf dem Campus Westend. Auf dem Campus Bockenheim leistet dieses wertvolle Dienste. Rainer Schulze erwähnte noch, die neue Uni-Bibliothek soll aus dem Verkauf des Polizeipräsidiums finanziert werden. Christopher Brandt lässt durchblicken, die Angelegenheit steht seiner Ansicht nach bald vor einem Durchbruch.

 

Der Standort Juridicum für den Neubau der Musikhochschule sei bereits vertraglich geregelt. Jemand aus dem Publikum schlägt vor, in die Tiefe zu bauen ähnlich dem Städelerweiterungsbau. Sebastian Popp dazu: bauen in die Tiefe ist sehr kostenintensiv. Unter den Publikumsteilnehmern war auch Architekt Wolfgang Dunkelau, der mehrere architektonische Aspekte zum neuen Kulturcampus aufwarf, was zu diesem Zeitpunkt vor Wettbewerbsbeginn natürlich noch etwas verfrüht ist. Auch der Klimaschutz müsse bei den Neubauten beachtet werden. Am Schluss steht die Frage, was kann den Kulturcampus noch retten, wenn nur Stückwerk übrig bleibt? Ein klares Bekenntnis fehlt. Dem Thema neue Dringlichkeit geben.

 

Ein Bericht von Kulturexpress

 

Siehe auch: Markante Architektur für neues Hochhausquartier auf dem Kulturcampus

Siehe auch: Der Kulturcampus Bockenheim

Siehe auch: Land verkauft Campus Bockenheim an die ABG

Siehe auch: Forum Kulturcampus Bockenheim gegründet

 

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 15. April 2018