Auf Initiative der neun Mitgliedsinstitutionen
wurde im Februar 2011 das Forum Kulturcampus
Bockenheim e.V. gegründet. Anwesend waren Stefan
Mumme, Vorsitzender des Vereins, Volker
Mosbrugger, Generaldirektor der Senckenberg
Gesellschaft für Naturforschung und Thomas Rietschel, Präsident der Hochschule für Musik
und Darstellende Kunst Frankfurt am Main um
erste Projektvorhaben vorzustellen.
Nach dem
Vorbild auf dem Potsdamer Platz in Berlin soll
in diesem Jahr noch auf dem Campus Bockenheim in
Frankfurt am Main, eine Kulturbox errichtet
werden. Die bauliche Gestaltung ist ein Projekt
der Städelschule in der Regie von Nikolaus
Hirsch und Tobias Rehberger.
Über den genauen Standort müssen noch
Gespräche mit der Goethe-Uni geführt werden. In
der Box sollen sowohl bauliche Vorhaben
präsentiert als auch Entwicklungen auf dem
Kulturcampus Bockenheim dokumentiert und der
Öffentlichkeit vorgestellt werden.
Darüber hinaus, so heißt es, werden neun
Mitglieder des Forums in dieser Kulturbox
regelmäßig Aufführungen, Vortragsreihen,
Konzerte und Ausstellungen veranstalten und den
Besuchern damit einen ersten Vorgeschmack auf
die Aktivitäten des geplanten Kulturcampus
bieten. Zu den Mitgliedern zählen: Ensemble
Modern, Frankfurt LAB, die Hessische
Theaterakademie, das Hindemith Institut, die
Hochschule für Musik und Darstellende Kunst
Frankfurt am Main, das Institut für
Sozialforschung, die Junge Deutsche
Philharmonie, die Senckenberg Gesellschaft für
Naturforschung und The Forsythe Company.
Das Programm des Forums soll im Herbst mit einem Symposium beginnen, auf welchem
Mitglieder mit eingeladenen Experten
zum Thema „Dialog der Wissenschaft und Kunst"
diskutieren.
Auf dem Gelände soll also mitten in Frankfurt
ein neues Viertel mit Kunst, Kultur,
Wissenschaft, Wohnen und Arbeiten entstehen,
was, wenn tatsächlich umgesetzt, beispiellos in
Frankfurt wäre und Grenzen des bisherigen
übersteigen würde.
Doch bis es soweit ist, sind noch viele
Hürden zu nehmen. Organisatorische Fragen sind
längst nicht geklärt. Die Architektur um die es
gehen soll, steht auch noch nicht fest.
Computer Renderings, die nicht besonders gelungen sind, stellen nicht mehr
als eine Box vor.
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Foto: Maass
Pressegespräch am 11. April 2011, Ort:
Hochschule für Musik und Darstellende
Kunst, HfMDK in Frankfurt von links nach
rechts: Nikolaus Hirsch, Stefan Mumme,
Thomas Rietschel und Volker Mosbrugger |
Viel gravierender ist jedoch, daß sich das
Gelände in unmittelbarer Nähe zu einem groß
angelegten Sanierungsgebiet im Stadtteil
Bockenheim befindet. Goethe-Uni und Stadt
Frankfurt haben großzügig ein Planungsgebiet
eingeebnet und zur Neubebauung freigegeben.
Spekulanten sind aufgerufen sich einzumischen.
Auf den frappanten Widerspruch zwischen
Kulturcampus und Neubebauung wurde am 11. April
erst auf Anfrage geantwortet, was die
Ahnungslosigkeit erkennen läßt, die im Spiel
ist. Was dann eher noch wie ein Trostpflaster
wirkt in Bezug auf bevorstehende Investitionen.
Vielleicht um Anwohner zu beruhigen, vielleicht
aber auch um eine Marketingstrategie für
zukünftige Investoren zu entwickeln. Denn woher
soll soviel Geld auf einmal kommen?
Robert-Mayer Straße bis Sophienstraße in
einer Richtung und Gräfstraße bis
Senckenbergallee in anderer Richtung stehen
zum Verkauf oder sind es schon. Gesucht werden
finanzkräftige Investoren, die mit viel Geld
Grundstücke erwerben und nach Bebauungsplan
umsetzen. Dazu gehören Grünstreifen parallel zur
Zeppelinallee, zwei Wohnhochhäuser in der
Robert-Mayer Straße und vieles mehr. Der
Uni-Turm soll abgerissen werden. Diese Pläne wurden schon vor
Jahren auf einer Ortbeiratsitzung in Bockenheim
dem Publikum vorgestellt. Dieses war nicht sehr
begeistert, weil im Grunde niemand weiß, was Anwohner erwartet außer Lärm - im
Unterschied zur Musik kann Lärm und Krach
nämlich unerträglich
werden - vom Verkauf der Grundstücke sollte der
Umzug der Universität auf den Campus Westend und
nach Riedberg finanziert werden, ein
Milliardenprojekt. Insgeheim hat sich die
Vorstellung von einem Ring der Universitäten im
Umkreis der Stadt Frankfurt aufgetan -
eine schöne Vorstellung!
Ein Großteil der Universitätsbauten an der Bockenheimer Warte sollen
ebenfalls abgerissen werden.
Auch die Kramer-Bauten in der Gräfstraße und die
Universitätsbibliothek sind betroffen. Was Architekt und Stadtplaner
Ferdinand Kramer in den Nachkriegsjahren zum
Wiederaufbau entworfen und hochgezogen hat,
gehört unter Denkmalschutz, so die Meinung
vieler. Das forderte auch die Witwe Kramers in
einer Initiative, indem sie sich für den Erhalt
der Bauten einsetzt. Das Bockenheimer Depot in
unmittelbarer Nähe ist denkmalgeschützt. In der Sophienstraße
steht eine Alte Spinnerei aus dem Jahre 1878, wo
bisher Kunstpädagogen ihre Räume hatten. Bei
diesem Gebäude ist der Denkmalschutz nicht
endgültig geklärt.
Auf der Straßenseite wo früher das
Geographische Institut sein Platz hatte, hat die
kfw-Bank ein Stück der Straßenzeile entlang
mehrere Neubauten errichtet. Eine Ecke weiter,
ist das Institut für Sozialforschung umgezogen.
Was die Belastung durch den permanenten Baulärm angeht,
kann wohl niemand vorausahnen. Geschweige denn
die vielen Verkehrsumleitungen im Stadtteil, die
in Bezug auf Autoverkehr, Zweiradfahrer und
Fußgänger bevorstehen. Soll das Areal mit einem
Schlag in Angriff genommen werden oder werden
Einzelprojekte aufeinander folgen? Dann wären
Baumaßnahmen erträglicher, was zeitlich aber
länger dauert - ein missliebiger Dauerzustand
würde sich einpendeln.
Die Versuche der
Initiatoren und der Stadt sind bisher auf dem
Stand von Versprechungen. Es
kann jedenfalls als sicher gelten, daß Anwohner
strapaziert werden wenn der Baubetrieb losgeht. Es geht nicht
nur um eine Baustelle,
sondern um den Abriss eines ganzen Areals mit anschließender Neubebauung. Was in dieser Dimension einer städtebaulichen Neuordnung
gleichkommt. Wer die Pläne gesehen hat, der
sollte sich überlegen, wie Anwohner das jemals
verkraften sollen - also besser
gleich wegziehen bevor es zu spät ist. Oder
nicht?
Dieser Kulturcampus versteht sich angeblich als
städtebauliche Chance für die Stadt Frankfurt,
um einen neuen Anziehungspunkt mit
internationaler Ausstrahlung zu erhalten, nur
vergleichbar mit dem Museumsufer, wie die
Oberbürgermeisterin der Stadt Frankfurt am Main,
Petra Roth betonte: „Dieser Ort bleibt nicht der
repräsentativen Hochkultur vorbehalten. Deshalb
unterstütze ich Ihre Zielsetzungen, ein
kommunikatives, junges Forum entstehen zu
lassen, auf dem Sie einen experimentellen
Ausblick in die Zukunft der Darstellenden Kunst
und Musik und zugleich den Dialog zwischen den
Künsten und der Wissenschaft anstreben.
Frankfurt und die Region Rhein-Main werden mit
ihrem Forum erneut dem Ruf gerecht, auch ein Ort
der Moderne, der Avantgarde zu sein".
Insofern verstehen sich die Mitglieder des
Vereins nicht als Interessenvereinigung sondern
vielmehr als eine inhaltliche, forschende
Kooperation, die sich dafür einsetzt, daß der
Kulturcampus ein öffentliches Forum wird, auf
dem Kunst, Wissenschaft und Ausbildung in
gemeinsamer Produktion und Präsentation tätig
werden.
Die Mitgliedsinstitutionen verfolgen in ihren
Vorhaben vier Leitlinien: den Dialog von
Wissenschaft und Kunst, die Ausbildung in den
Künsten, die Zukunft der Darstellenden Kunst und
der Musik und die Vermittlung der Kunst und der
Wissenschaft in die Gesellschaft.