bis 19. Oktober 2014

Postmoderne Architektur - Katalog der Frankfurter Bauten

   Foto: © Kulturexpress

 

 

Die postmoderne Architektur hat Frankfurt so stark geprägt, wie kaum einen anderen Ort in Deutschland: Schirn-Kunsthalle, Messeturm, die Bebauung der Saalgasse und das Museum für Moderne Kunst sind nur einige Beispiele aus dieser Übersicht. Zwei Ausstellungen in der Zeit von Heinrich Klotz halfen mit, das Leitbild Postmoderne zu manifestieren.

 

Revision der Moderne – Postmoderne Architektur 1960–1980
Die Eröffnungsausstellung des DAM sorgte für Wirbel. Kritiker unterstellen Klotz, dass er sich einseitig für die Architekten der Postmoderne einsetzt: Charles Moore, Aldo Rossi, Oswald Mathias Ungers, Robert Venturi und Denise Scott Brown und andere. Doch Klotz beginnt den Aufbau der DAM-Sammlung mit Frei Otto, dem Pionier leichter Tragkonstruktionen. Ihm und anderen technologischen Visionären widmet er 1986 die große Ausstellung „Vision der Moderne“.

Vision der Moderne, 1986: Das Gegenstück zur Revision der Moderne
Von den russischen Konstruktivisten der revolutionären 1920er Jahre über die technologischen Utopien der 1960er bis zum ökologischen Bauen der 1980er Jahre reicht das Spektrum dieser Ausstellung. Für Heinrich Klotz war diese Architektur nicht das Gegenmodell zur Postmoderne, die er zwei Jahre zuvor gezeigt hatte. Auch Bauwerke, die von ihrer Konstruktion bestimmt sind, können „ausdrucksvoll“ sein. Um diesen „Ausdruck“ geht es ihm: Architektur solle nicht stumm sein, sondern Geschichten erzählen.
 

Heinrich Klotz richtete zu Lebzeiten seinen Blick stets auf die Architektur, wobei er die Auffassung vertrat, dass Bauwerke nicht isoliert dargestellt werden dürfen. Im Unterschied zu vielen Architekturfotografen, Kunsthistorikern und Architekten fotografierte er auch die Menschen und die Umgebung eines Gebäudes. Dadurch entstand eine laienhafte Note, die den unterschiedlichen Bauten etwas lebendiges abgewinnt. Seine Diapositive verwendete er dann für Vorträge, Bücher und Ausstellungen. Sie werden an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe aufbewahrt und sind online zugänglich:
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Nicht nur einzelne Objekte, sondern auch ihre Inszenierung im Wandel der Zeit ist Gegenstand der Ausstellung. So gibt es eine charakteristische „Koje“ der Eröffnungs-Ausstellung "Die Revision der Moderne – Postmoderne Architektur 1960–1980". Diese Inszenierung war so umstritten wie die Architektur der Postmoderne selbst. Dass hiermit nicht nur ein anderer Baustil gemeint war, sondern eine veränderte Haltung vieler Architekten, brachte Klotz auf die Formel: "Die nackten Kästen der modernen Zweckarchitektur fordern als Antwort Formphantasie und Formklischee heraus".

Heinrich Klotz ist an zahlreichen Wettbewerben als Preisrichter beteiligt gewesen. Die Architektur Frankfurts wird immer mehr internationalisiert. Amerikaner, Österreicher, Schweizer und Italiener bauen mit am neuen „Neuen Frankfurt“, wie das Bauprogramm in Anspielung auf das Neue Frankfurt der 1920er Jahre genannt wird.

 

Postmoderne Architektur wurde auch angefeindet und verpönt wegen ihrer Verspieltheit. Wer soll das bezahlen?  Aus heutiger Sicht hat sich die von Heinrich Klotz geforderte pluralistische Grundhaltung dagegen durchgesetzt: Ironie, Pop-Motive und historische Zitate sind in der zeitgemäßen Bauweise längst akzeptiert. Architekten haben durch die Postmoderne gelernt und die Möglichkeit erhalten von ihrem strengen Limit abzuweichen und freizügiger zu gestalten, wenn dies verlangt ist.


Messe-Torhaus/Galleria, Messehalle 9 – Oswald Mathias Ungers, 1984/ Messeturm – Helmut Jahn, 1990

Die Bauten von O.M. Ungers für die Messe setzen unverwechselbare Zeichen: Bei der Galleria greift er den Bautyp der glasgedeckten Passage auf und schafft einen prägnanten Aufenthaltsort zwischen den rein funktionalen Ausstellungshallen. Das Torhaus ist gleichzeitig Tor und Turm, fragil und massiv – und ist auf diese, sehr postmoderne Weise, „erzählerisch“. Beim Messeturm kann Heinrich Klotz seinen Favoriten Helmut Jahn durchsetzen – obwohl Ungers in der Jurysitzung strikt dagegen ist.

 

Dom-Römer-Bereich/Schirn Kunsthalle – Bangert Jansen Scholz Schultes, 1986
Saalgasse – diverse Architekten, 1989


1979 findet der Wettbewerb zur Schirn-Kunsthalle statt, bei dem der bereits beschlossene Wiederaufbau der Fachwerkhäuser am Römer nochmals zur Diskussion gestellt wird. In der Jury gibt es ein „Gerangel“, schreibt Heinrich Klotz, der als Sachverständiger daran teilnimmt. Statt aber die Fachwerkhäuser der Römerberg-Ostzeile mit einem „Modernen Entwurf“ zu interpretieren, fällt die Entscheidung, die Saalgasse zu bauen – ein Probelauf für die „Neue Altstadt“, die seit 2014 entsteht?

 

Deutsche Bundesbank, Hauptverwaltung in Hessen – Jourdan & Müller mit Berghof Landes Rang, 1988

1987 wird dem Reichsbankgebäude an der Taunusanlage ein postmoderner Bürokomplex zur Seite gestellt. Das Gebäude hat einen kammförmigen Grundriss. Die Bürotrakte werden durch kleine Höfchen gegliedert. Die zentrale, glasgedeckte Halle erinnert an die Galleria, die O.M. Ungers auf dem Messegelände errichtet hat. Die Fassade ist mit zeittypischen Zierelementen gegliedert. Bis heute ist die postmoderne Inneneinrichtung erhalten geblieben – und kann im Rahmen der DAM-Touren besichtigt werden.

Stadtplanungsamt Museum Judengasse – Ernst Gisel, 1990

Das Stadtwerke-Gebäude entsteht auf dem Gelände der ehemaligen Stadtmauer und des jüdischen Ghettos. Die geschlossene Fassade aus unverputzten Ziegelsteinen soll die Stadtmauer neu interpretieren. Der Schwung des Dachabschlusses setzt ein auffälliges Zeichen an der Verkehrsschneise der Kurt-Schumacher-Straße. Beim Bau werden Überreste des jüdischen Ghettos freigelegt. Der darauf folgende „Börneplatz-Konflikt“ führt zur Integration des Museums Judengasse und zum Bau der Gedenkstätte Neuer Börneplatz.

Saalbau Gutleut – Berghof Landes Rang, 1990

Die Fassaden der Wohnbebauung am Westhafen sind unterteilt durch halbrunde Glaserker, knallbunte Fensterfelder und rote Stützen. Rundfenster markieren die Treppenhäuser über den unterschiedlich gestalteten Eingängen. Der Pavillon des Saalbau Gutleut ist über einen Durchgang mit den Wohnhäusern verbunden. Hinter der gewellten Mauer und dem Fensterkranz liegt der Festsaal. Bekrönt von einem goldenen Hut und über eine runde Eingangsöffnung erschlossen vereinen sich hier gleich mehrere Schmuckformen der Postmoderne.

Deutsches Architekturmuseum – Oswald Mathias Ungers, 1984

Zur Eröffnung des DAM äußert sich sein Architekt O.M. Ungers kritisch zur „Postmoderne“: Damit habe er nichts zu tun. Doch Ungers hat unbestreitbar ein Gebäude entworfen, das wie eine Geschichte gelesen werden kann – ein typisches Merkmal der Postmoderne: Das „Haus im Haus“ als Urtypus der Architektur, die Verschachtelung hinter der Mauer als „Stadt im Kleinen“. Heinrich Klotz wünscht sich zusätzlich ein starkes Zeichen. Doch die Aufstellung der Nike konnte bis heute nicht durchgesetzt werden.

Deutsches Filmmuseum – Helge Bofinger, 1984-2009

Film- und Architekturmuseum entstehen als siamesische Zwillinge: Sie werden zeitgleich geplant, sind mit einem Durchgang verbunden und teilen sich die Heizungsanlage. Die Sandsteinarkade des DAM wird von Helge Bofinger, dem Architekten des Filmmuseums, als verbindendes Element aufgenommen. Bei beiden Museen wird das Innere der Villenarchitektur aus den Jahren 1910/1912 komplett entfernt und ein „Haus im Haus“ eingefügt. Bofingers Werk wurde bei einem erneuten Umbau ab 2009 vollständig abgerissen.

Museum für Kommunikation – Günter Behnisch, 1990

Sehr technisch mutet der Glas- und Betonkubus mit seiner Antenne auf dem Dach an – ein Fremdkörper, der zwischen den Altbauvillen gelandet ist. Ein verglaster schräger Zylinder nimmt die offene Treppenanlage auf und leitet zu den Ausstellungsräumen über, die aus Platzgründen unter die Erde verlegt sind. Postmoderne Elemente sind erst auf den zweiten Blick zu finden: Beispielsweise wird der klassische Travertin-Eingangssockel durch eine schräg angesetzte Stahltreppe ironisch kommentiert.

Erweiterungsbau des Städelmuseums – Gustav Peichl, 1991

Der Erweiterungsbau steht im Spagat: Auf der einen Seite die Anforderungen einer großen, geschlossenen Box, die Ausstellungsräume enthält – und demgegenüber der Wunsch, ein Foyer und einen markanten Eingang zu schaffen. Dieser wird daher mit einem Schlitz vom Rest der Fassade abgesetzt, die aus einer geschlossenen Marmorfläche besteht. Der Eingang könnte auch ein Werk der Wiener Reformarchitektur um 1910 sein. Das übrige Gebäude hingegen zelebriert seine Funktion als Safe für die Kunst.

Liebieghaus (Erweiterung) – Scheffler und Warschauer, 1990

Ende des 19. Jahrhundert lässt sich Heinrich Baron von Liebieg vom Architekten Leonhard Romeis eine Villa am Main errichten. Seit 1908 ist dort die Skulpturensammlung der Städtischen Galerie untergebracht. Die Erweiterung um einen Galerieflügel (1909) bleibt unvollendet bis zum Jahr 1990. An dem Erweiterungsbau ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen, was neu hingekommen ist. Das Weiterbauen ohne sichtbare Brüche zählt zu den noch heute aktuellen Errungenschaften der Postmoderne.

Jüdisches Museum – Ante Josip von Kostelac, 1989

Das Jüdische Museum ist von allen neuen Kulturbauten der 1980er Jahre derjenige mit den behutsamsten Eingriffen in die vorhandene Altbausubstanz. Nach anfänglichen Plänen, eine große Treppe im Inneren einzufügen, erfolgt die Restaurierung der Innenräume. Lediglich das Foyer und die darüber liegenden Flächen werden als neue Raumgitterstruktur eingefügt. Gegenwärtig wird eine Erweiterung geplant.

Archäologisches Museum – Josef Paul Kleihues, 1989
 

Die Zeichnungen, die Klotz erwirbt, zeigen den Wettbewerbsentwurf, mit dem sich Josef Paul Kleihues beim Museum für Vor- und Frühgeschichte erfolgreich gegen sechzig andere Teilnehmer durchsetzt. Das Bewerberfeld ist international, es nehmen auch Peter Cook/Christine Hawley und Adolfo Natalini daran teil. Die Steinfassade erinnert mit den sichtbar aufgeschraubten Platten daran, dass sie nicht massiv ist – sondern nur eine Verkleidung.

Museum für Moderne Kunst (MMK) – Hans Hollein, 1991

Das Museum für Moderne Kunst (MMK) soll zunächst unter einem Dach mit dem DAM untergebracht werden. Ein größerer Raumbedarf und wenig später der Kauf der Kunstsammlung Ströher machen einen Neubau nötig. In dem offenen Wettbewerb, bei dem Heinrich Klotz als Fachpreisrichter teilnimmt, werden 98 Arbeiten eingereicht. Hans Holleins Entwurf ist außen postmoderner als innen, wo dramatische Raumfolgen mehr Erlebnisse bieten als ein Spiel mit Zitaten der Architekturgeschichte.

Literaturhaus – Marie-Theres Deutsch und Klaus Dreissigacker, 1987-2003

Fragment und Zitat, zwei Merkmale postmoderner Architektur, kommen bei der Portikus-Kunsthalle aus einer anderen Richtung ins Spiel: Der Portikus, also der von Säulen und Giebel gebildete Eingang, ist der einzige Überrest der im Krieg zerstörten Stadtbibliothek. Dahinter entsteht 1987 ein Ausstellungspavillon, den der Direktor der Städelschule, Kaspar König, zur Bedingung seines Amtsantritts macht. 2003–2005 entsteht hinter dem Portikus das Literaturhaus; die Kunsthalle zieht auf die Maininsel.

Ikonenmuseum – Oswald Mathias Ungers, 1990

Im Ikonenmuseum im Deutschordenshaus klingt das gestalterische Prinzip des DAM – das „Haus im Haus“ – leise an. In dem ehemaligen Refektorium ist es eher ein in den Raum eingestelltes „Regal“, mit dem O.M. Ungers auf zwei Ebenen Ausstellungsflächen schafft. Bei der Innenausstattung sind alle Elemente auf ein Quadratraster abgestimmt.

Museum Angewandte Kunst – Richard Meier, 1985


Als größter Neubau des Museumsufers wird die Villa Metzler 1985 zum Museum für Kunsthandwerk erweitert. An dem beschränkten Wettbewerb beteiligen sich neben drei deutschen Architekten auch Richard Meier und Venturi, Rauch and Scott Brown aus den USA sowie Hans Hollein, Wien. Klotz ist Fachpreisrichter und versucht Robert Venturi durchzusetzen. Es heißt, Richard Meiers Entwurf ist postmodern auf eigene Weise: Nicht einfach zu verstehen, was an diesem Bau postmodern ist. Vielmehr steckt ein Stück amerikanische Architektur auf deutschem Boden in dem Haus. Die Villa Metzler, die neben dran als historischer Bau  steht, wird zum Modul des Entwurfs und taucht im Neubau als Zitat auf.
 

 

Siehe auch: Wunderkammer im DAM Klotz Tapes - das Making-of der Postmoderne

 

Siehe auch:    DAM Gründungsgeschichte und Bau des Museums

 

Siehe auch:    Architekturkritik im Museum, geht das? Zwei Anläufe am Normalfall

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 27. Juni 2014