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Riffe im Fehmarnbelt |
Wegen der Missachtung
streng geschützter Ostsee-Riffe hält
das Land Schleswig-Holstein
Nachbesserungen am Bauantrag für
notwendig - Projekt droht sich
deutlich zu verzögern.
Noch bevor der mit
Spannung erwartete Gerichtsprozess
um den deutsch-dänischen
Fehmarnbelt-Tunnel überhaupt
stattgefunden hat, steht bereits
fest, dass die staatliche dänische
Projektfirma Femern AS den Tunnel in
Deutschland neu planen muss. Grund
dafür sind laut einem Bericht der
"Neuen Osnabrücker Zeitung" streng
geschützte Riffe an der Trasse des
Ostseetunnels, die im Bauantrag der
staatlichen dänischen Projektfirma
Femern AS fehlen und deren Schutz
daher nicht in der Baugenehmigung
des Landes Schleswig-Holstein für
den deutschen Tunnelabschnitt
berücksichtigt wurde. Der
schleswig-holsteinische
Verkehrsstaatssekretär Thilo Rohlfs
sprach gegenüber der NOZ von einem
"Fehler", den man aber "im Rahmen
eines ergänzenden Verfahrens heilen
kann". Das Ministerium des FDP-Manns
ist für die Baugenehmigung
zuständig.
Riffe an der Tunneltrasse hatte
bereits im vergangenen September der
Naturschutzbund Nabu bei einem
Tauchgang vor Puttgarden entdeckt.
Inzwischen haben Untersuchungen des
Kieler Umweltministeriums laut "NOZ"
die Funde des Nabu bestätigt und
sogar klare Hinweise auf noch
weitere, bisher unbekannte
Riffflächen an der Trasse gegeben.
Daher zieht das Land
Schleswig-Holstein nun die Notbremse
und will von den Dänen
Nachbesserungen am Bauantrag. "Der
Fehmarnbelt-Tunnel muss wie alle
Bauvorhaben den Belangen des Natur-
und Umweltschutzes gerecht werden",
sagte die schleswig-holsteinische
Umweltstaatssekretärin Dorit Kuhnt
der NOZ. Riffe stehen unter strengem
Schutz, weil sie besonders
artenreich sind.
Für den Fortgang des allein von
Dänemark zu bezahlenden
Sieben-Milliarden-Euro-Projekts ist
die neue Lage ein harter Schlag,
denn Femern AS will mit dem
Tunnelbau schon im Januar auf der
dänischen Insel Lolland starten und
bis 2029 fertig werden. Doch ohne
rechtskräftige Baugenehmigung in
Deutschland wäre das riskant. Zwar
hält die Projektfirma laut ihrer
Sprecherin auch jetzt noch an dem
Zeitplan fest, will aber die neuen
Ergebnisse aus Kiel
"selbstverständlich prüfen", wie sie
der "NOZ" sagte. Erfahrungen mit
Planänderungen bei anderen
Großprojekten in Deutschland lehren,
dass Nachbesserungen samt
Öffentlichkeitsbeteiligung meist
mindestens ein Jahr dauern, oft
sogar mehrere. Die Eröffnung des
Tunnels würde sich auf nach 2030
verschieben.
Unklar ist angesichts des sich
abzeichnenden
Planergänzungsverfahrens auch, ob
das Bundesverwaltungsgericht in
Leipzig wie vorgesehen schon ab 22.
September über die Klagen des Nabu
und sechs weiterer Parteien gegen
den Tunnelbau verhandeln wird. Eine
Gerichtssprecherin sagte, bisher
wisse man nichts von einem
Planergänzungsverfahren. Wie aber
das Gericht darauf reagieren würde,
hänge "von den Umständen des
Einzelfalls ab". Der Kieler
Staatssekretär Rohlfs erklärte, er
hoffe, "dass die Verhandlung im
Herbst stattfindet" - damit dann
zumindest Klarheit in allen
strittigen Punkten herrsche.
Foto (c) Christian
Howe/ NABU/Submaris, Meldung: Neue
Osnabrücker Zeitung
Riffe statt
Sandboden:
Der NABU hatte im
September 2019 eigene
Biotopkartierungen entlang der
Trasse des geplanten
Fehmarnbelttunnels in den
schleswig-holsteinischen
Küstengewässern vorgestellt. Diese
waren zwingend nötig, weil sich in
den Unterlagen und Gutachten des
dänischen Vorhabenträgers Femern A/S
Ungereimtheiten fanden, die der NABU
überprüfen lassen wollte.
Die Ergebnisse der Tauchgänge sind
so überraschend wie eindeutig.
Obwohl der Meeresgrund laut
Umweltverträglichkeitsstudie nur aus
Schlick und Sand bestehen soll,
zeigen die neuen Untersuchungen gut
ausgeprägte und artenreiche Riffe.
"Das sind streng geschützte
Lebensräume, die im Verfahren nicht
berücksichtigt wurden", sagt
NABU-Bundesgeschäftsführer Leif
Miller. "Was das für die
Tunnelgenehmigung bedeutet, wird im
Verfahren vor dem
Bundesverwaltungsgericht zu klären
sein. Fakt ist: Der Tunnel hat jetzt
ein weiteres großes Problem."
Neben dem fehlenden Bedarf und
überholten Verkehrsprognosen
kritisiert der NABU seit Jahren die
zu erwartenden Umweltschäden durch
den geplanten Absenktunnel. Dazu
zählen Gefahren für Deutschlands
einzigen heimischen Wal, den
Schweinswal, für den hier ein
Schutzgebiet ausgewiesen wurde, und
auch Zerstörungen am Meeresboden
durch den 60 Meter breiten, 20 Meter
tiefen und 18 Kilometer langen
Graben. "Wir haben es hier mit einem
einzigartigen Lebensraum zu tun:
Große Findlinge und ausgedehnte
Geröllfelder sind dicht mit bunten
Schwämmen, buschartig verzweigten
Moostierchen und Tang bewachsen. Es
gibt hier eine Dichte an
Plattfischen, die in der Ostsee
ihres Gleichen sucht. Der
ökologische Schaden im Fall eines
Tunnelbaus muss neu bewertet
werden", so Dr. Kim Detloff,
NABU-Leiter Meeresschutz.
Riffe sind durch das
Bundesnaturschutzgesetz und die
europäische FFH-Richtlinie streng
geschützt. Deutschland und auch das
Land Schleswig-Holstein haben bisher
zu wenig für den Erhalt dieser Oasen
der Meere getan. Auch deshalb hat
die EU-Kommission ein
Vertragsverletzungsverfahren gegen
die Bundesrepublik eröffnet. Die
neuen Biotopkartierungen, die das
renommierte Kieler
Forschungstaucher-Unternehmen
Submaris durchgeführt hat, sind
Gegenstand der Klagebegründung des
NABU gegen den
Planfeststellungsbeschluss und
liegen aktuell beim
Bundesverwaltungsgericht. Die
Leipziger Richter sind nun gefragt,
die Vollständigkeit und
Rechtmäßigkeit der Genehmigung zu
überprüfen.
Die "verschwundenen Riffe" haben
einen seltsamen Beigeschmack, da
Vorhabenträger alle maßgeblichen
Umwelt-Gutachten selbst in Auftrag
geben und entsprechend Einfluss auf
Ergebnisberichte nehmen können.
Deshalb setzt sich der NABU seit
Jahren für eine Entkopplung ein. Ein
weiteres Problem sind politisch
protegierte Vorhaben. "Um bewusste
oder unbewusste Täuschungen zu
vermeiden, muss politische
Einflussnahme auf
Genehmigungsbehörden ausgeschlossen
werden", so Malte Siegert,
Infrastrukturexperte des NABU.
Meldung: NABU,
Naturschutzbund Deutschland, Berlin
Siehe auch:
Gutachten zur Fehmarnbeltquerung
stellt Projekt in Frage
Download: Verkehrsgutachten:
Bedarfsbezogene
Verkehrsmarktuntersuchungen im
Kontext der geplanten Festen
Fehmarnbeltquerung (FFBQ)
Siehe auch: Dänemark
und EU-Kommission haben sich beim
Ostseetunnelbau total verschätzt
Download: Die
Fehmarnbeltquerung - Eine Synopse
von Europas größtem
Infrastrukturprojekt
Siehe auch: Scandlines
erhebt Klage beim Europäischen
Gerichtshof gegen die Entscheidung
der Europäischen Kommission
hinsichtlich der Finanzierung des
Fehmarnprojekts
Siehe auch: Erste
Runde zur befestigten
Fehmarnbeltquerung beendet