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Auf dem Foto Claudia Buch
Vizepräsidentin der
Deutschen Bundesbank
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Ein funktionierender
Finanzmarkt ermöglicht
wirtschaftliche Aktivitäten: Die
Finanzierung des Erwerbs von
Wohnimmobilien, die sichere Vergabe
von Krediten sowie die Schaffung und den
Erhalt von Arbeitsplätzen im
Bausektor. Aus der Vergangenheit ist
bekannt, dass es nicht immer so gut
läuft. Man muss nicht erst nach
Norwegen in den 1890er Jahren oder
in die USA im Jahr 2007 blicken, um
zu sehen wie schwer und teuer
Immobilienkrisen sein können. Auch
in Deutschland hatten der
Gründerzeitboom der Jahrhundertwende
oder die Immobilienkrise in
Ostdeutschland in den 1990er Jahren
schwerwiegende wirtschaftliche
Folgen:
Wie entstehen Finanzkrisen und mit
welchen Indikatoren?
Wie können
Dynamiken an den Finanzmärkten
entstehen, die letztlich die
Realwirtschaft in Mitleidenschaft
ziehen? Letztlich geht es um ein
Wechselspiel zwischen steigenden
Preisen, steigenden Krediten für
Wohnimmobilien und einer Lockerung
der Kreditvergabestandards. Solange
die Erwartungen optimistisch sind,
zeigen alle Indikatoren nach oben:
höhere Bewertungen für Immobilien
bedeuten höhere Werte für
Kreditsicherheiten, Investitionen in
Immobilien erscheinen lohnend, die
Kredite steigen weiter. Ein
positives Narrativ verstärkt sich
selbst.
Was aber passiert, wenn die Stimmung
kippt? Steigende Zinsen können
Anschlussfinanzierungen verteuern,
eine wirtschaftliche Krise mit
steigender Arbeitslosigkeit die
Schuldentragfähigkeit der privaten
Haushalte verringern. Es entstehen
Verluste, Banken müssen einen Teil
ihrer Kredite abschreiben, das
wiederum drückt auf das Eigenkapital
– Notverkäufe und weitere
Abschreibungsrunden können die Folge
sein. Ein hoher Anteil von
Kreditfinanzierungen kann dann wie
ein Brandbeschleuniger wirken.
Über
welche Kanäle übertragen sich
Verwerfungen auf Immobilienmärkten
auf das Finanzsystem und die
Realwirtschaft?
Ein wichtiger
Kanal läuft über die Bilanzen der
Banken: Sind viele Institute oder
einzelne große Institute
Immobilienrisiken ausgesetzt, können
systemische Krisen entstehen. Treten
Verluste aus Immobilienfinanzierung
ein, sinkt das Eigenkapital der
Banken. Um die von der Aufsicht oder
dem Markt geforderten
Eigenmittelquoten zu erfüllen,
können die Banken gezwungen sein,
weniger Kredite zu vergeben und
Vermögenswerte zu verkaufen. Dies
drückt weiter auf die Preise und
kann zu Verlusten bei anderen
Instituten führen.
Der Konsum der
privaten Haushalte ist ein weiterer
wichtiger Kanal: Steigt der Wert von
Immobilien und damit das Vermögen
der Haushalte, fühlen diese sich
reicher und konsumieren mehr. Ein
Rückgang der Preise hat den
gegenläufigen Effekt – das Vermögen
fällt, der Konsum sinkt. Da der
private Konsum knapp 50 Prozent der
gesamtwirtschaftlichen Nachfrage
ausmacht, können die
gesamtwirtschaftlichen Effekte
erheblich sein. Ein hoher Anteil von
Kreditfinanzierung kann dabei eine
starke Hebelwirkung haben. In den
USA hat genau dieser Zusammenhang
zwischen regionalen Entwicklungen
auf den Immobilienmärkten und der
Anpassung des privaten Konsums in
der Krise verschärfend gewirkt hat.
All dies zeigt: Daten werden
notwendig, um aufbauende Lücken
rechtzeitig zu erkennen und ihnen
entgegenzuwirken.
In Deutschland
ist die Datenlage deutlich
schlechter aufgestellt als in vielen
anderen Ländern. Der European System
Risk Board (ESRB) hat genau aus
diesem Grund Deutschland kürzlich
gemahnt, die Datenlage zu
verbessern. Die Deutsche Bundesbank
arbeitet daher intensiv daran, die
rechtlichen Grundlagen für eine
angemessene Datenerhebung zu
schaffen und Definitionen
wesentlicher Indikatoren zu
harmonisieren. Teure Sonderumfragen
bei den Instituten sind dann weniger
erforderlich.
Vor allem
drei Indikatoren sind für diese
Risikoanalyse relevant:
a. Preise für
Wohnimmobilien
b. Kredite für Wohnimmobilien
c. Standards der Kreditvergabe
Gute
einzelwirtschaftliche Daten, die
aufzeigen, wo sich Lücken genau
auftun, liegen nicht vor. Gerade bei
den Kreditvergabestandards hapert
es: Es gibt keine statistischen
Informationen darüber, wie sich die
Verschuldung und der Schuldendienst
der privaten Haushalte entwickelt.
Das aber ist zentral, um Risiken für
die Finanzstabilität einzuschätzen.
Aus den
vorhandenen gesammelten
Informationen ergibt sich folgendes
Bild:
Die Preise für
Immobilien und damit der Wert von
Kreditsicherheiten sind seit Beginn
des Jahrtausends stark gestiegen.
Die gute Konjunktur, gute
Einkommensaussichten und die äußerst
niedrigen Hypothekenzinsen waren
wichtige Treiber. Aber nach
Schätzungen dürften rund 15-30
Prozent der Preise für
Wohnimmobilien in städtischen
Gebieten nicht mehr durch
Fundamentaldaten gerechtfertigt
sein, meldet die Deutsche Bundesbank
2019.
Kredite für
Wohnimmobilien haben im vergangenen
Jahr um 5 Prozent zugenommen und
damit mehr als im langjährigen
Durchschnitt.
Die
Kreditvergabestandards sind im
Aggregat eher unauffällig: Die
Verschuldung der privaten Haushalte
in Deutschland hat sich
beispielsweise in den vergangenen
Jahren kaum erhöht.
Bedenklich stimmen müssen aber
Ergebnisse einer Umfrage, denen
zufolge die Mehrheit der Haushalte
weiter steigende Preise von
Wohnimmobilien erwarten. Bei einer
Umfrage unter Banken zeichnete sich
ein ähnliches Bild ab. In einem
Risikoszenario könnten sich die
Immobilienpreise jedoch weniger
dynamisch entwickeln als erwartet,
wenn beispielsweise die Konjunktur
unerwartet einbricht.
Solche Szenarien betrachtet die
Bundesbank regelmäßig, um zu
analysieren, wie sich Risiken auf
das Immobilienkreditportfolio der
Banken auswirken. Dabei werden
Auswirkungen auf andere Aktivitäten
der Banken zunächst ausgeblendet. In
einem typischen Szenario wird eine
tiefe Rezession mit steigender
Arbeitslosigkeit angenommen.
Kreditnehmer geraten in
wirtschaftliche Schwierigkeiten,
Kreditausfällen nehmen zu.
Überbewertungen am Immobilienmarkt
korrigieren sich, die Preise gehen
in kurzer Zeit stark zurück, die
Kreditsicherheiten verlieren massiv
an Wert: Vermeintlich gut
abgesicherte Kredite stellen sich
doch als mit Verlust behaftet
heraus.
Analysen deuten darauf hin, dass
sich die Verlustquote von einem
heute historisch niedrigen Niveau
über drei Jahre immerhin fast
verfünffachen können. Bei
Immobilienkrediten ergibt sich,
Banken sind auf so ein Szenario
vorbereitet. In der Realität wären
aber in einer Krise nicht nur
Immobilienkredite betroffen, sondern
auch andere Aktivitäten, etwa
Unternehmens- und
Konsumentenkredite.
Meldung und Foto: Deutsche
Bundesbank
Siehe auch:
Immobilienmarkt und Finanzstabilität
- Teil 1
Siehe auch:
Immobilienmarkt und Finanzstabilität
- Teil 3