bis 3. Juni 2014 im Arkadensaal des Goethemuseum

Österreichs Antwort  -  Hugo von Hofmannsthal im Ersten Weltkrieg

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Dr. Konrad Heumann, Leiter der Handschriftenabteilung und Dr. Katja Kaluga, Hofmannsthal Ausgabe, am 07. April 2014 während der PRK zur Ausstellungseröffnung

Das sind schon seltsame Blüten, die ihr Wesen treiben. Wenn ein österreichischer Schriftsteller des "Fin de Siecle", der überaus populär gewordene Theaterstücke geschrieben hat, jetzt im Frankfurter Goethemuseum zum Inhalt einer Ausstellung geworden ist. Mit Frankfurt a/M verbindet den Wiener Schriftsteller sonst nicht viel, könnte man meinen. Auch die Verbindung zum Ersten Weltkrieg ist nicht ohne Verständnisbrücken einfach zu bewältigen. Denn Hofmannsthal war auf österreichischer Seite. Das riecht dann immer ein wenig wie ein Nachruf auf das Österreichisch-Ungarische Großreich, dessen Ausdehnung sich bis über den Balkan erstreckte, also Territorialansprüche, die längst Vergangenheit sind und dennoch immer noch einen Hauch der Langatmigkeit in sich tragen bis heute. Erfahrungen lehren jedoch das Gegenteil. Aus heutiger Sicht scheint die österreichische Monarchie und ihre Gebietsansprüche wie eine aufgeblähte Hybris, die von je her handlungsunfähig und nur aus absichtlich gewollten Machtansprüchen möglich war.

 

„Was wir erleben, gleicht einem Bergsturz, der Europa unter sich begräbt; und doch wird dieses Ereignis, aus der Ferne betrachtet, einmal auch in der Geistesgeschichte seinen Platz finden" so Hugo von Hofmannsthal in einem offenen Brief an das Svenska Dagbladet (1915)

 

Die Ausstellung selbst ist nett aufgebaut. Die österreichische Kultur hat unermessliche Qualitäten. Den Rahmen der Ausstellung bildet die Wohnung Hofmannsthals, die er in den Kriegsjahren im fünften Stock eines Wiener Mietshauses bewohnte. Die er sich eigens von einem Architekten mit Namen Oskar Strnad zur "Überwinterung" einrichten ließ. Eine Planzeichnung der Inneneinrichtung existiert heute noch in Form eines Faltblattes mit etwa 1,25 Meter Länge. Die Lichtpause aus der Sammlung des Freien Deutschen Hochstift ist Bestandteil der Ausstellung und liegt zur Aufsicht aufgefaltet in einer Vitrine. Mit Tuschelinien sind hier die Möbel, Tapeten, Wandbilder, Kerzenleuchter wie in einem 360 Grad Panoramabild durch die Wohnung als Ansicht dargestellt. Diese Zeichnung diente auch als lebensgroßes Wandmuster bei der Gestaltung der Ausstellung im Arkadenraum des Goethemuseums. Die räumliche Umsetzung der Zeichnung ermöglicht zum einen tiefer gehende Einblicke. Wie Hofmannsthal seine Zeit verlebte und wo er überwiegend als Reservist die Kriegsjahre verbrachte. Seine Aufgabenbereiche während des Krieges lagen in der unersetzlichen Sozialarbeit, wozu die Geldbeschaffung ebenso zählte, wie das Verfassen von Rundschreiben an die Front oder die Auseinandersetzung mit Gleichgesinnten der österreichischen Sache. Zum anderen vermitteln die Räumlichkeiten eine Lebenssituation der Person Hofmannsthals, um diese näher ins Gedächtnis zu rücken. Im Vordergrund stehen also nicht die literarischen Werke, sondern die Realität und die politisch-gesellschaftlichen Umgangsformen, wie sie um 1914-1918 üblich waren.

 

 

Inwieweit das Unterfangen daraus eine Ausstellung zu machen, negative Aspekte beinhaltet, sei an anderer Stelle klärungsbedürftig. Die Kuratorin und Hofmannsthal Kennerin, Katja Kaluga, jedenfalls argumentiert, dass dieser Zeitabschnitt in Hofmannsthals Leben bisher noch nicht ausgiebig betrachtet worden sei. Die spätere Anbindung Österreichs an Deutschland erlaube schließlich die thematische Bezugnahme auf den Ersten Weltkrieg. Doch das hat bekannterweise genauso wenig gebracht. Im Balkan, im tschechischen Prag, die Karpaten, Ungarn, die Russen und Galizien sowie die Italiener im Süden können Ansatz sein, um sich den weiten Gebieten in Osteuropa zu nähern, sozusagen als Schau auf etwas zukünftiges, weil diese Länder aus Sicht der EU und der Erweiterung des Eurowährungsgebietes ernstzunehmende Potenziale beinhalten, nicht nur was die flächenmäßige Ausdehnung nach Osten angeht. Dann müsste aber geklärt sein, dass allein konservatorische Ansichten nicht das Sagen bekommen. Wobei die österreichische Sicht eigentlich nie von Ostgebieten zu sprechen beginnt, sondern eine natürliche Linie im Übergang zu den angrenzenden Ländern und Ländereien sieht. Das ist vielleicht ein Vorteil gegenüber einer Deutung nach Himmelsrichtungen.

 

Hofmannsthals literarischer Nachlass ist in zwei Hälften geteilt. Ein Teil ging an die Harvard-Universität, Cambridge, USA. Dort werden die Manuskripte von Hofmannsthals nachgelassenen Werken, aber auch ein bedeutender Teil der Briefe verwahrt. Der andere Teil seines Nachlasses wird beim Freien Deutschen Hochstift im Goethemuseum aufgehoben. Das ist ein Grund, weshalb sich das Museum in Frankfurt so intensiv mit dem Autor befasst und ihm diese Ausstellung widmen kann.

 

Die Ausstellung versammelt Manuskripte, Briefe und Dokumente aus dem im Freien Deutschen Hochstift verwahrten Nachlass, ergänzt durch Leihgaben aus dem Deutschen Literaturarchiv Marbach, dem Theatermuseum Wien, der Wienbibliothek im Rathaus sowie aus Privatbesitz. Ein Leseheft mit erläuternden Texten sowie Transkriptionen der Originaldokumente begleitet die Besucher beim Rundgang durch die Ausstellung.

 

Das Beiheft der Ausstellung im pdf-Format zum Download

 

 Hofmannsthal als Ulane, 1897

Die Frankfurter Künstlerinnen Petra Eichler und Susanne Kessler von ›Sounds of Silence‹ haben mit ihrer Gestaltung zur Ausstellung beigetragen. Insbesondere auch auf die jüdische Familiengeschichte Hofmannsthals wird Bezug genommen. Fotografien und Briefe seiner Verwandten sind ausgestellt und leiten zum Überlegen an, erklären die Zusammenhänge zum politischen Geschehen in Österreich um 1914 und weisen den Weg einer Entwicklung, den auch Österreich mit seiner Judenfeindlichkeit gehen sollte. Welche Bücher in der Wohnung in der Stalburggasse im Regal aufbewahrt waren, zeigt eine kleine Auswahl an Beispielbänden der damals modernen Literatur und gesellschaftlich viel diskutierten nationalen Frage.

 

Zum Nachlesen die Erzählung Reitergeschichte von Hugo von Hofmannsthal. Zuerst erschienen in: Neue Freie Presse. Wien. Nr. 12695, 24. Dezember 1899 (Weihnachtsbeilage), S. 29 – 31. Diese gilt als Ausnahmeerzählung in seinem Werk und es heißt dazu, sie leite die literarische Moderne um die Jahrhundertwende mit ein.

 

 

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 11. April 2014