Im
Fokus der Jury-Diskussion stand die Frage: „Was gibt das Gebäude
zurück?“ Juryvorsitzender Kai-Uwe Bergmann von BIG – Bjarke
Ingels Group (Gewinner des IHP 2016) erklärte diesen Aspekt zum
wichtigsten Bewertungskriterium für die Projekte. Weitere
Kriterien auf dem Weg zur Entscheidung waren wie ein Hochhaus
zum Stadtgefüge und zum urbanen Leben beiträgt. Darüber hinaus
wurden unter anderem folgende Aspekte analysiert: die
übergreifende Aussage, die skulpturalen Qualitäten, das
statische Konzept, die Nutzungsmischung sowie die Balance
zwischen Wirtschaftlichkeit und Gestaltung.
Das Ergebnis ist die
Shortlist mit fünf Finalisten, die stellvertretend für die
enorme Bandbreite aller nominierten Gebäude stehen. Das
mexikanische, das nahöstliche und die drei asiatischen Projekte
finden eine je einzigartige Interpretation ihrer Typologie – sei
es ein agiler Büroturm (Torre Reforma), ein gestapelter Wohnturm
(Beirut Terraces), ein mischgenutzter Hochhausgarten (Oasia
Hotel Downtown), ein lokal verwurzeltes Ensemble (Chaoyang Park
Plaza) oder ein Hotel in Gestalt einer verpixelten Skulptur (MahaNakhon).
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Torre Reforma, 2016, Foto © Moritz
Bernoully |
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Der Torre Reforma von
L. Benjamín Romano ist ein klassisches Bürogebäude. Dabei ist
allerdings nur die Art der Nutzung konventionell. Die in
Mexiko-Stadt herrschende Erdbebenproblematik erfordert ein
kluges Tragwerkskonzept, das dem 246 Meter hohen Büroturm
letztendlich sein signifikantes Erscheinungsbild verleiht. Sean
Anderson sah im Torre Reforma „das perfekte Zeugnis dafür, wie
innovativ und beeindruckend Architektur in Mexiko heute ist.“
Und Ina Hartwig äußerte sich begeistert über Mexikos höchstes
Gebäude: „Trotz seiner enormen Höhe besitzt der Torre Reforma
eine Leichtigkeit, begründet in seiner aufgebrochenen
Betonstruktur. Seine spitz zulaufende Form und die
zurücktretenden Glasflächen imponieren ohne aufdringlich zu
sein.“
Inmitten des Erdbeben-Risikogebiets Mexiko-Stadt hat die
charakteristische Fassade des Torre Reforma mehr als nur
ästhetische Gründe. Die zwei massiven Sichtbeton-Außenwände mit
der dritten, gläsernen Seite kreieren nicht nur einen äußerst
ungewöhnlichen dreieckigen Grundriss, sondern sorgen auch für
höchste Erdbebensicherheit. Als solides Fundament reichen die
Betonwände 60 Meter unter die Erde. Außerdem kann sich das
Gebäude im Falle eines Erdbebens mitbewegen, weil große
Öffnungen als „Knautschzonen“ aus den massiven Wänden ausgespart
sind, und die Stahlstreben, die die Geschosse tragen, vor der
Glasfassade in beweglichen Gelenken zusammenlaufen. Während des
schweren Erdbebens im September 2017 hat sich dieses Konzept
bereits als wirkungsvoll erwiesen.
Ab einer Höhe von 200 Metern knickt eine der beiden Betonwände
auffällig nach innen ab. Grund dafür sind die Bauvorschriften
der Stadt. Die Hochhäuser am Paseo de la Reforma dürfen maximal
doppelt so hoch sein, wie die Straße breit ist. Darüber ist ein
Rücksprung oder eine Verjüngung vorgegeben. Durch den kreativen
Umgang mit dieser Vorschrift ändert sich je nach Blickwinkel
nicht nur die Materialität des Gebäudes, sondern auch seine
skulpturale Form. Die verglaste Seite des Turms öffnet sich in
ihrer gesamten Breite zum Stadtpark Bosque de Chapultepec. Um
zusätzliche Nutzfläche zu schaffen, sprengen die Geschosse hier
das enge Korsett des Dreiecks. Die scheinbar ebene Fassade
bildet nach vorne eine beinahe nicht wahrnehmbare vierte Ecke
aus.
Als solides Fundament
reichen die Betonwände, in ihrer gesamten Breite von 1,20 Meter,
60 Meter in die Erde. Sie wurden im Bauprozess nach und nach
gegossen: 70 Zentimeter pro Tag. Die Fugen zwischen den
einzelnen Schichten dienen auch als Sollbruchstellen im Falle
eines Erdbebens. Sie bieten den wirkenden Kräften einen
Angriffspunkt, der die Statik nicht beeinträchtigt. Darüber
hinaus kann sich das Gebäude im Falle eines Erdbebens
mitbewegen, weil große Öffnungen als "Knautschzonen" aus den
massiven Wänden ausgespart sind. Außerdem laufen die
Stahlstreben, die die Geschosse tragen, vor der Glasfassade in
beweglichen Gelenken zusammen. Während des schweren Erdbebens im
September 2017 hat sich dieses Konzept bereits als
wirkungsvoll.erwiesen. Zurück blieben nur ein paar feine,
ungefährliche Risse in den Betonfugen.
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Blick in die DAM Ausstellung auf Modell
und Wandtafel, Foto © Kulturexpress |
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Die verglaste Seite
des Turms öffnet sich in ihrer gesamten Breite zum Stadtpark
Bosque de Chapultepec. Sonnenblenden aus Aluminium ermöglichen
den Einfall von Tageslicht ohne Aufheizen in der starken
mexikanischen Sonne. An dieser Fassade lässt sich auch die
Gliederung in Cluster von je vier Geschossen ablesen. Das
ausgefeilte, außenliegende Tragwerk erlaubt, dass die Büroräume
vollkommen stützenfrei bleiben. Um zusätzliche Nutzfläche zu
schaffen, sprengen die Geschosse an der Glasfassade das enge
Korsett des Dreiecks. Die scheinbar ebene Fassade bildet nach
vorne eine kaum wahrnehmbare vierte Ecke. Diese kragt mit
zunehmender Höhe immer weiter aus, um die Fläche der
attraktivsten, obersten Geschosse zu vergrößern. Am Boden
bezieht der Torre Reforma die angrenzende historische Villa mit
ein, indem er zusammen mit ihr das öffentliche Foyer umschließt.
ln der Mitte des Gebäudes, gut erreichbar für alle Nutzer,
liegen die Terrasse, das Auditorium und die Konferenzräume.
Ökologische Aspekte/ Nachhaltigkeit
LEED-Platin-Zertifizierung. Verpflichtung zur CO2
Neutralität bis 2030. Regen und Abwasser werden ohne
Abfluss in die städtische Kanalisation vollständig für die
Kühltürme der Klimaanlage wiedergenutzt. Natürlich belüftete
Patios und horizontale Sonnenblenden aus Aluminium verschatten
die Glasfassade. Ein automatisches System parkt 480 Autos ohne
Abgasausstoß. Das Parkhaus kann wegen der Geschosshöhe von drei
Metern nach einer möglichen Verkehrswende in Büroflächen
umgewandelt werden. Zur Optimierung der Energieeffizienz wird
die Gebäudetechnik jedes Clusters einzeln überprüft. Stadtweit
wurden als Bestandteil der Baugenehmigung 80.000 Bäume neu
gepflanzt.
Aus der Jurybegründung
Auf dem Weg zur Entscheidung ging es in der breiten Diskussion
der Jury unter anderem darum, wie ein Hochhaus zum Stadtgefüge
und urbanen Leben beiträgt. Darüber hinaus wurden unter anderem
folgende Aspekte analysiert: zukunftsweisende Gestaltung,
Funktionalität, innovative Bautechnik, städtebauliche
Einbindung, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit.
Kai-Uwe Bergmann fasste die Diskussion zusammen: "Der Torre
Reforma ist eines der komplexesten Hochhausprojekte, die ich je
gesehen habe. Benjamin Rarnano war hier extrem wagemutig, ist
viele Risiken eingegangen und hat dadurch einen
hochintelligenten Ansatz gefunden. Seine Lösung sieht nicht nur
völlig unkonventionell aus, sondern ist es auch. Ihm ist eine
unmissverständlich lokale Typologie für einen Standort auf der
Prachtstraße von Mexiko-Stadt gelungen. Das Hochhaus bietet zwei
völlig unterschiedliche Ansichten, sodass man es beinahe nicht
wiedererkennen würde, würde man es nur von einer Seite kennen."
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Links auf dem Foto Architekt L. Benjamin
Romano, rechts Peter Cachola Schmal, DAM Direktor,
während des IHP Ausstellungsbesuchs am 01. November 2018
im DAM
Foto (c) Kulturexpress |
Architekten: L. Benjamín Romano, MexikoStadt/Mexiko
Bauherr: Fondo Hexa, SA de CV
Funktion: Büros Höhe: 246 m
Fertigstellung: November 2016
Standort: Mexiko-Stadt/Mexiko
Die Ausstellung “Best Highrises 2018/19 – Internationaler
Hochhaus Preis 2018“, die das Deutsche Architekturmuseum (DAM)
vom 3. November 2018 bis 3. März 2019 in Frankfurt zeigt,
präsentiert nicht nur den Preisträger und die Finalisten,
sondern alle 36 nominierten Projekte anhand zahlreicher
Wandtafeln und Modelle.
Zu
Preisverleihung und Ausstellung ist ein gleichnamiger
broschierter Katalog bei Prestel erschienen, der 144 Seiten
umfasst. Neben den fünf Finalisten werden auch alle 36
nominierten Hochhausprojekte beschrieben, dazu gehört auch der
Neubau des Henninger Turm. Bebildert und mit zahlreichen
Grundrissen, Schnitten und Lageplänen versehen.
Siehe auch: