Vom 17. Februar bis zum 18. Mai 2018 zeigt das
Musée Unterlinden in Colmar „Das fotografische Abenteuer –
Adolphe Braun“, eine Ausstellung, die vom Münchner Stadtmuseum
konzipiert wurde. Ca. 20 - 30 Prozent der Ausstellungsbesucher
in Colmar kommen aus Deutschland überwiegend aus dem
naheliegenden Raum Freiburg und Karlsruhe angereist.
Das Musée Unterlinden in Colmar widmet dem Elsässer Adolphe
Braun (1812–1877) die erste Retrospektive in Frankreich. Braun
gehörte zu den einflussreichsten französischen Fotografen des
19. Jahrhunderts. Er prägte den Wandel der Fotografie von den
Unikaten hin zu einer seriellen Produktionsweise. Adolphe
Braun gestaltete Stoffmustern und leitete ein Designatelier in
Paris. 1843 kehrt er in seine Heimat ins Elsass zurück, um als
Textilgestalter für das Unternehmen Dollfuss-Ausset zu
arbeiten.
Ab 1851 widmet er sich mit Leidenschaft dem neuen Medium
Fotografie und feiert im Jahr 1855 mit seiner ersten Fotoserie,
Fotografierte Blumen (1851–1854), auf der Weltausstellung in
Paris großen Erfolg, so dass er seinen Beruf als Textilgestalter
aufgibt und sich dem neuen Medium der Fotografie widmet. Braun
erfasst mit seiner Kamera zuerst topografische Ansichten –
Bilder des heimischen Elsass oder der Schweizer Alpen. 1869 wird
er zur Eröffnung des Suez-Kanals eingeladen und dokumentiert
ägyptische Landschaften, Pyramiden oder die Sphinx von Gizeh.
Zurück in Europa, schafft er eindrucksvolle Bilder der
Zerstörung nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71.
Hierbei entstanden eine Reihe eindrücklicher Aufnahmen
architektonischer Zusammenhänge oder zumindest etwas von dem,
was nach den Zerstörungen durch die Deutschen davon übrig
geblieben ist.
Mit dem Blick für architektonische Belange fokussierte Adolphe
Braun zielsicher viele Bauten, da diese den Vorteil besaßen bei
längerem Lichteinfall in die Kamera unbeweglich zu bleiben,
weshalb die Bilder nicht verwackelten. In der frühen Zeit der
Photografie dauerte eine Belichtungszeit sehr lang. Braun
fotografierte nicht nur Paläste, sondern auch Wohnhäuser und
kleine Hütten bis hin zu ganzen Stadtsilhouetten. Ein Dokument
der Zeitgeschichte sind Aufnahmen der Kriegsbeschädigungen durch
die Deutschen im Krieg von 1871, die der frz. Patriot Adolphe
Braun sicher und plakativ in Szene zu setzen verstand.
Erstaunlicherweise werden mit der Ausstellung im Musée
Unterlinden tatsächlich sehr lichtempfindliche
Originalphotografien des 19. Jahrhunderts präsentiert, die
aufgrund ihrer Herstellungsart in perfektem Erhaltungszustand
geblieben sind und die aufgrund feiner Nuancierung ein
Vielfaches an Details wiedergeben. Eine Eigenschaft die
heutige Standardfotos an Genauigkeit in der Kontrastverfeinerung
gar nicht mehr leisten können.
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Louvre Palast, Ruinen der
Bibliothek, Paris, 1871, Albuminpapier, 19,3 x 25,3 cm
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Ein weiteres Spezialgebiet von Braun ist die Reproduktion von
Kunstwerken aus öffentlichen und privaten Sammlungen. Die
exzellenten Kenntnisse der neuartigen Verfahren – speziell
beschichtete Glasnegative, Abzüge auf Salz- oder Albuminpapier
und vor allem die Kohleabzüge – machen Adolphe Braun zum
größten Anbieter Europas. Weil die neuen Verfahren hohe Auflagen
und damit günstigere Preise ermöglichen, kann sich plötzlich
ein breites Publikum an berühmten Kunstwerken erfreuen. Das
Musée Unterlinden zeigt mehr als 200 Originalaufnahmen Adolphe
Brauns und etwa zwanzig Gemälde renommierter Künstler wie
Monet, Courbet, Fromentin oder Henner, welche den
wechselseitigen Einfluss zwischen Malerei und Fotografie
dokumentieren.
Adolphe Brauns fotografische Dokumentation der durch den
Deutsch-Französischen Krieg verursachten Zerstörungen, die er
1870-1871 in Belfort, Straßburg und Paris durchführte, ist
bisher kaum bekannt. Die mehr als 1000 Bilder umfassende Serie
konkurriert mit den ebenfalls ausdrucksstarken Aufnahmen des
Straßburger Fotografen Charles Winter.
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Finanzministerium,
Rue de Rivoli, Paris, 1871, Albuminipapier, 19,3 x 25,3
cm |
Der Brand der Straßburger Bibliothek, einer der bedeutendsten
Sammlungen des Landes, ist eine Katastrophe für das Kulturerbe
Frankreichs und ein herausragendes Symbol für den kulturellen
Vandalismus des Besatzers. Im Paris der Nachkriegszeit
entwickelt sich ein regelrechter Ruinentourismus; pittoreske
Ansichten von zerstörten Denkmälern – Tuilerienpalast, Rathaus,
Schloss Saint-Cloud u.a. — werden als Souvenirs besonders
geschätzt. Maler wie Ernest Meissonier greifen auf Brauns
Aufnahmen als Inspirationsquelle für ihre Darstellungen von
Kriegszerstörungen zurück.
In einer Porträtserie von nostalgisch blickenden Mädchen in
Trachtenkleidern symbolisiert Adolphe Braun den Verlust von
Elsass und Lothringen, die Frankreich im Anschluss an den Krieg
an Deutschland abtreten musste. Zwischen 1871 und 1918 werden
diese Bilder unzählige Male reproduziert. Stiche, Postkarten,
Porzellanteller, Stoffe usw. machen sie zu regelrechten Ikonen
der verlorenen Provinzen. Auf manchen Familienporträts sind
Brauns Söhne in Uniform zu sehen. In der Tat kämpften mehrere
Familienmitglieder im Deutsch-Französischen Krieg mit. Adolphe
Brauns Sohn Henri starb 1876 an den Folgen seiner
Kriegsverletzungen. Adolphe selbst wurde zwangsrekrutiert und
vom Besetzer als Geisel benutzt. Seine patriotischen Gefühle
hielten ihn jedoch nicht davon ab, einen Auftrag für offizielle
Porträts von preußischen Generälen und Würdenträgern (Wilhelm
I., Bismarck, die Generäle von Moltke und von Manteuffel)
anzunehmen, was ihm herbe Kritik aus Frankreich einbrachte.
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Auf den Fotos, v.l.n.r.: Generalfeldmarschall und Kaiserlicher Statthalter von
Elsass-Lothringen Edwin von Manteuffel, 1879,
Pigmentdruck, 49,2 x 39,1 cm
Kaiser Wilhelm I, Baden Baden, 1876,
Pigmentdruck, 26,4 x 21,5 cm |
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Siehe auch:
Adolphe Braun - franz. Industrieller und Photografie-Unternehmer
aus dem Elsass um 1860