Rundgang mit Kuratorin Jutta Zwilling durch die Ausstellung "Vision und Verpflichtung. Frankfurts Grüngürtel"

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Führung durch das Dormitorium im Karmeliterkloster, dort läuft bis 27. August eine Ausstellung, die als bedeutsam für das städtische Wohlergehen bezeichnet werden kann, da mit der Planung und Umsetzung des Frankfurter GrünGürtel erhebliche Verbesserungen der Lebensqualität zu erwarten sind. Durch Kuratorin Jutta Zwilling erhielt ich exklusiv eine Führung durch die Ausstellung mit vielen inhaltlichen Erläuterungen zu den Ausstellungsobjekten, welche aus beschrifteten Wandtafeln und Vitrinen mit historischen Dokumenten und ausstellungsbezogenen Gegenständen besteht.

 

Der innerstädtische Grünbereich hat nicht nur eine Bedeutung für die Stadtgeschichte, sondern weist auch auf zukünftige Planungen der Stadt. Den Städtebauern ist die Umsetzung des Grüngürtels, der sich wie eine flächige Schleife am äußeren Stadtrand entlang windet ein besonderes Anliegen. Im Süden ist der Frankfurter Stadtwald markant, im Norden sind die Niddawiesen. Die Idee des Frankfurter Grüngürtels hat seine Ursprünge in den 1920er Jahren, als umfangreiche Reformbewegungen um Ernst May entstanden und Entwicklungen um das "Neue Frankfurt" aufkamen, die städtebaulich umgesetzt wurden. Dabei hatte die Stadt große Ziele, Industrialisierung und Zuwachs in der Bevölkerung erforderte ein konsequentes Umdenken, um den Ort wieder lebenswert zu machen. Dazu zählte auch, dass jedes neue Gebäude eine Grünfläche zur Erholung zugeordnet bekam. Bei der Komplexität innerstädtischer Bauweisen mit langen Straßenfluchten, unübersichtlichen Kreuzungen, zunehmendem Verkehr auf den Straßen war dies sicherlich ein schwieriges Unterfangen und nicht wirklich realisierbar, so dass Abweichungen von der Idee erlaubt oder gar nicht zu verhindern waren. Schließlich geriet die Idee der Begrünungsflächen in Vergessenheit. Erst in der Nachkriegszeit der 1950er Jahre wurden Pläne und Umsetzung wieder in Angriff genommen. 

Vorläufer der innerstädtischen Grünanlagen in Frankfurt gehen auf das 17. Jahrhundert zurück und finden sich schon auf Stadtansichten bei Matthäus Merian d. Ä.. Damals waren auf den Wallanlagen der Stadtmauer Grünflächen angelegt und schon damals war dies ein Zurückholen von Natur in den städtisch gewordenen Bereich innerhalb der Stadtmauern. Das beweist, der Mensch holt sich immer wieder zurück, was ihm an Natur geraubt wurde.

 

In den Jahren des Oberbürgermeisters Franz Adickes (1846–1915) entsteht Frankfurts zweiter Grüngürtel, auch als Alleenring bezeichnet. Dieser ist eingebunden in die erste Planung zur kommunalen Gesamtentwicklung. Neben der Trennung von Wohnen und Arbeiten wendet sich Adickes vom bisherigen organischen Wachstum ab und widmet sich stärker stadtplanerischen Vorhaben. Dies geschieht unter anderem aufgrund der 1891 erlassenen Bauzonenordnung.

 

Der Grüngürtel setzt sich somit aus mehreren ringförmigen Abschnitten zusammen. Das Entwicklungsprojekt eines dritten äußeren Anlagenrings um Frankfurt wurde dann 1957 vorgestellt. Seit den 1960er Jahren war die „Schaffung eines organisch zusammenhängenden Grünsystems von den Wohngebieten und den innerstädtischen Grünbereichen hinaus in die freie Landschaft und den Wald“ vorgesehen. Die natürlichen Grünräume der Stadtlandschaft sollen von Bebauung frei gehalten und für Erholungszwecke erschlossen werden. Bürgermeister und Gründezernent Rudolf Menzer (1904–1991) kündigte hierzu eine Satzung zum Schutz des Grüngürtels an. Mit dem Ausscheiden Menzers aus dem Magistrat 1966 verlor das Projekt jedoch seine politischen Fürsprecher.

Im Juni 1972 gründete sich eine Arbeitsgruppe, die aus Architekten und mehreren Personen bestand, deren Zielsetzung war, die Bevölkerung pädagogisch in das Projekt Grüngürtel einzubeziehen. Der Grünraum sollte geschützt werden und zum Zwecke der Freizeit Ausgestaltung finden. Lernorte für Kinder wurden geschaffen. Kleingartenkolonien wurden in den Grüngürtel integriert, die für freie Durchgangswege sorgten. Weiter wurde 1991 ein Radrundweg realisiert sowie 2003 ein Rundwanderweg. Besonders bei Schulen und Kitas verstärkt sich die Teilnahme am Projekt. Kinder können einen Sammelpass erwerben. Zum Grüngürtel zählen Gebiete wie die unter Naturschutz stehende Schwanheimer Düne und das Seckbacher- und das Enkheimer Ried.

 

Neueste Entwicklungen zeichnen sich ab durch die Renaturierung am Fechenheimer Mainbogen und am ehemaligen amerikanischen Militärflughafen in Bonames, wo Betonplatten übereinander gestapelt dazu dienen, um Flora und Fauna neue Lebensräume zu schaffen.

 

 

   

Ausstellungen, die sich mit der Entwicklung des Frankfurter Grüngürtel befassen und dabei eine städtebauliche Komponente in Betracht ziehen, sollte es häufiger und in aller Regelmäßigkeit geben. Allein wegen des Planungsmaterials, das zur Schau gestellt werden soll. Hierzu zählen Skizzen, frühe Entwürfe von Ideengebern und zahlreiche Bilder, die sonst ungesehen bleiben. Im 19. Jahrhundert vor Erfindung der Fotografie entstanden Ölgemälde, wie das vom "Wäldchestag" von Johann Heinrich Hasselhorst aus dem Jahre1871, das nur so von Lebensfreude sprüht. Was ich vermisse, ist eine dezidiert kritische Hinterfragung der Diskussion. Es werden kaum Gegenpositionen ins Feld geführt, wie die von Till Behrens und dessen Publikation aus dem Gebrüder Mann Verlag. Stattdessen entwickelt sich der Grüngürtel zum Spaß- und Freizeitpark inklusive Logo und Plüschtier. Inwieweit sich diese Entwicklung als verkehrstechnisch gesehen realistisch erweist, wird sich zeigen. Die Frankfurter Stadtbegrünung ist sicherlich ein Jahrhundertprojekt, worüber die Einwohner froh sein können, dass sich die Stadt so frühzeitig für die Lebensqualität ihrer Bürger und die Rückgewinnung der Natur ins Stadtinnere entschieden hat, aber die Schlinge immer enger ziehen, nur um einen satten Grüngürtel zu erhalten, halte ich für unnötig.

 

Eine Ausstellungsrezension von Kulturexpress

 

 

 

 

Siehe auch: "Vision und Verpflichtung. Frankfurts GrünGürtel" im Institut für Stadtgeschichte

 

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 11. August 2017