Ausstellungsdauer bis 06. Sept.

Laster des Lebens - Druckgrafik von William Hogarth im Städel

Foto (c) Kulturexpress

Die Graphische Abteilung im Städel ist ein Abstecher wert im Parterre des Museums. Durchaus eine kühlende Abwechslung bei der Vielzahl an Ausstellungsräumen ausgestattet mit namhafter Kunst aus vorigen Jahrhunderten zurück bis in das frühe Mittelalter, welche das Haus durchziehen mit Stockwerken, Seitentrakten und Neubauten. Ein Besuch der Graphischen Abteilung dient dazu, um das Städel und seine Sammlung näher kennen zu lernen und dabei einen Standpunkt über Sammlungsschwerpunkte zu erfahren.

 

Wer die Räume im Parterre betritt und bis zur Bibliothek durchgeht, wird unweigerlich eine Intensivierung erfahren, bei dem was sich in 200 Jahren an Archivarien angesammelt hat. Das meiste bleibt im Verborgenen und wird nur gelegentlich auf Anfrage von den Städel Mitarbeitern mit Glacee-Handschuhen hervorgeholt. Wenn es nicht gerade Exponate berühmter Werke und Künstler sind, die als Leihgabe verliehen werden oder zu Ausstellungszwecken bereit stehen. Neben Neuerwerbungen die das Museum regelmäßig und in jährlichem Turnus bei sich aufnimmt, sind es historische Werke aus 200 Jahren Geschichte. Meist geschah dies auf Initiative früherer Museumsdirektoren, die ein besonderes Interesse an dem einen oder anderen Künstler hegten und deshalb Sammlungsbestände durch Neuerwerb an Grafiken und Kunstwerken aufstockten.

 

In diesem Fall ist die Auswahl an William Hogarth gegangen, ein englischer Grafiker des 18. Jahrhunderts also in einer Zeit noch vor der Industrialisierung des Landes. Seine Werke dürften mit zu den frühesten Beständen aus den Sammlungsanfängen des Städels zählen. Inhaltlich sind diese überwiegend erotischer Natur. Laster des Lebens ist jedoch viel verwegener, die Ausstellung zeigt die Liederlichen, die Orgiastischen und Dirnen überwiegend im Interieur. Insgesamt 70 Werke, darunter die berühmten druckgrafischen Folgen A Harlot’s Progress (Der Weg einer Dirne, 1732), A Rake’s Progress (Der Weg eines Liederlichen, 1735) und Marriage à la Mode (Die Heirat nach der Mode, 1745), in der Ausstellungshalle der Graphischen Sammlung zu sehen.

 

In diesen Bilderzählungen aus dem Sammlungsbestand des Städel thematisierte Hogarth die Moden, Laster und Kehrseiten des modernen Lebens in der Weltmetropole London. Er verstand seine Kunstwerke als gedrucktes Theater seiner Zeit und legte mit ihnen unter anderem den Grundstein für die gesellschaftskritische Karikatur in England. Die besondere Qualität der Arbeiten liegt in der scharfsinnigen Beobachtungsgabe und dem beißenden Witz des Künstlers, der seine Epoche so sehr prägte, dass sie bis heute auch als „Hogarth’s England“ bezeichnet wird. Die zu Lebzeiten von Johann Friedrich Städel entstandenen Kupferstiche gehören zum alten Bestand der Städelschen Sammlung und spiegeln den kritischen Geist wider, der der Institution seit ihrer Gründung eigen ist.

 

In manchen Dingen sind es Welten wie sie bei Brueghel oder Hieronymus Bosch existent waren, in deren Bildern das Leben und seine Sitten noch ein Gemeinschaftserlebnis enthielten. William Hogarth wurde 1697 in London geboren. Den Durchbruch bei einem größeren Publikum erreichte er nicht mit seiner Malerei, sondern mit den nach den Gemälden entstandenen Druckgrafiken. Mit der Folge A Harlot’s Progress begründete er zu Beginn der 1730er Jahre ein neues Genre, welches er später selbst als modern moral subjects bezeichnete (was im Deutschen häufig mit „moderne Lebensbilder“ übersetzt worden ist). Seine modern moral subjects verstand Hogarth als zeitgenössische, moralischdidaktische Historienbilder. Er wandte sich damit gegen die Hierarchisierung der bildenden Kunst in der Akademielehre, die der klassischen Historienmalerei den höchsten Rang zugestand. Gefördert wird die Ausstellung im übrigen durch die Hessische Kulturstiftung.

 

Siehe auch: Jean-Jacques de Boissieu, französischer Grafiker des 18. Jh. im Parterre des Frankfurter Städel Museum

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 28. August 2015