Grafische Abteilung vom 11. 2. – 10. 5. 2015

Jean-Jacques de Boissieu, französischer Grafiker des 18. Jh. im Parterre des Frankfurter Städel Museum

   Foto: © Kulturexpress

Bei den Franzosen gibt es Kunstgattungen, die beinahe ausschließlich Ausdruck der eigenen Lebensqualität sind, mehr als das sie an den Entwicklungen der Epoche orientiert wären. Die Strömungen der Epoche gehen an Boissieu zwar nicht völlig vorüber, weil er zu Lebzeiten stets auf der Höhe seiner Zeit war. Doch die Kunstform des aus Lyon stammenden Boissieu ist delikater Natur. Es sind italienische und niederländische Meister, die Einfluss auf sein Werk ausüben. Das ist für sich schon eine Besonderheit, denn sowohl in der Kunst der Italiener als auch der Niederländer und deren sinnlicher Wahrnehmung ist Jean-Jacques de Boissieu (1736 - 1810) gleichermaßen beheimatet gewesen. Boissieu besuchte niemals eine Akademie, sondern lernte Malen und Zeichnen an einer Bergbauschule, die seine zeichnerischen Fähigkeiten erkannten und ausbauten.

 

Der Radierkünstler kopiert Gemälde wie die von Ruisdael und anderen und setzt diese in Grafiken um. Auch das Werk eines Piranesi wird bei Boissieu sichtbar, er beherrscht die Helldunkel-Szenerie ebenso schaurig meisterhaft wie der Italiener auch ohne ihn unmittelbar zu kopieren. Kopien entstehen nicht um gleichwertiges Ersatzwerk vom Original zu schaffen, sondern um der Hinweisgeber auf ein Originalwerk zu sein. Eine Tradition, die schon seit der Renaissance üblich war. Doch Boissieu bemühte sich manche der Werke in Originalgröße zu kopieren, ein kleineres Format hätte für die Kopie längst ausgereicht. Darin verstand sich der Künstler als sehr gewissenhaft. Vielleicht gilt das als Form der frühen Vernetzung, wenn Werke durch Kopien bekannt werden. Als extremstes Beispiel dürften Kopien von Heiligenbildern gelten, wobei Boissieu gar nicht deren religiöse Aussage bezweckte, sondern nur an der Ausführung des Bildmotivs interessiert war. Die Fotografie als solche existierte noch nicht, die neuen Techniken, die im 19. Jahrhundert aufkamen, waren noch nicht erfunden. Insofern befindet sich Boissieu genauso wie der Schweizer Maler Caspar Wolf am Scheideweg einer Entwicklung, die sich aus dem lange währenden Barock heraus anbahnte, aber noch nicht voll erkannt wurde.

 

Es sind Genre-Szenen, wie der Schuhverkäufer oder die Kinder beim Seifenblasen herstellen, die zu den eigenen Werken des Künstlers zählen. Zum anderen sind es ausgedehnte Landschaften, die eine parkähnliche Natur zeigen. Das erinnert an andere französische Maler, die ein Leben lang am gleichen Landschaftsmotiv festhielten und dieses im Sinne der französischen Lebensart perfektionierten. Von französischer Revolution ist kaum etwas zu bemerken, obwohl Boissieu kein Feind der Revolution ist, sondern eigene künstlerische Wege suchte und sich vor Gefahren der Revolution zu schützen wußte.

 

Eine Besonderheit zeichnet den Grafiker Boissieu aus, weil dieser von Museumsgründer Johann Friedrich Städel (1728 - 1816) gesammelt wurde, vielleicht als Wertanlage oder weil Boissieu zu Lebzeiten als zukunftsträchtiger Künstler galt, dessen Werke sich gut verkauften. Vielleicht weil er viele Ansichten zeichnete und Prospekte zu diesen veröffentlichte und zunehmend an Bekanntheitsgrad gewann.

 

Aus dem Städel Archiv sind insgesamt 13 Zeichnungen und 83 Radierungen ausgestellt, die einen bemerkenswerten Einblick in das künstlerische Schaffen geben. Kuratiert wird die Ausstellung von Dr. Jutta Schütt, Leiterin Graphische Sammlungen ab 1750.

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 11. Februar 2015