Die Erde vermessen, um einen gerechten Blick auf
sie zu werfen
Meldung: Goethe Uni
Frankfurt, 15. Juli 2015 |
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Über Klimaschutz, Wassermodellierung und
Gerechtigkeit
Höchstens zwei Grad mehr, darüber wird es wirklich gefährlich
für unseren Planeten. Darin sind sich die Experten einig. Zwei
Grad mehr als in vorindustriellen Zeiten. Dies Ziel klingt
einfach und klar. Doch es zu erreichen ist eine sowohl
politisch-moralische als auch wissenschaftlich-technische
Herausforderung. Das zeigen Gespräche, die der Philosoph und
Publizist Rolf Wiggershaus mit dem politischen Philosophen und
Gerechtigkeitsforscher Darrel Moellendorf und der Hydrologin
Prof. Dr. Petra Döll geführt hat. Nachzulesen ist dies in der
neuesten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Forschung Frankfurt“
(1/2015), in dem sich Wissenschaftler verschiedener Disziplinen
mit dem Thema „Messen und Vermessen“ beschäftigen.
Der Klimawandel, seine Ursachen und Folgen, sind erst seit den
1990er Jahren zu einem zentralen Thema geworden. Während des
Aufstiegs der euro-atlantischen Industrieländer seit Mitte des
19. Jahrhunderts wurde der Zusammenhang zwischen dem Ausstoß von
Treibhausgasen und Klimaänderung noch nicht als etwas
Bedrohliches wahrgenommen. Ende des 19. Jahrhunderts erwartete
der schwedische Chemiker Svante Arrhenius von einer globalen
Erwärmung durch Verdopplung der CO2-Menge in der Luft
gleichmäßigere und bessere klimatische Verhältnisse und schlug
sogar vor, Kohleflöze anzuzünden, um die Erwärmung zu
beschleunigen. Daher auch der ursprünglich positiv klingende
Ausdruck „Treibhauseffekt“.
Doch solche Fehleinschätzungen ändern nichts daran – so
Moellendorf, der auch ein Teilprojekt beim Frankfurter
Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ leitet
–, dass die entwickelten Länder ihren Wohlstand und ihre starke
Position einer langen Phase anthropogener
Treibhausgas-Emissionen verdanken. Das verpflichtet sie dazu,
soziale Verantwortung und die Hauptlast des Klimaschutzes zu
übernehmen. „Ob das Ziel einer Begrenzung der Erwärmung auf zwei
Grad moralisch glaubwürdig ist“, meint Moellendorf, „hängt zum
Teil von den Auswirkungen des Plans zur Schadensminimierung auf
die Armen der Welt ab, die einen begründeten Anspruch auf die
Steigerung ihres Energieverbrauchs haben, um der Armut zu
entkommen.“
Dass die Armen der Welt die Folgen des Klimawandels immer
massiver zu spüren bekommen, machte die Fotoausstellung „The
Human Face of Climate Change“ in den Räumen des
Forschungskollegs Humanwissenschaften in Bad Homburg deutlich.
Die Bilder des Schweizer Künstlerpaars Mathias Braschler und
Monika Fischer – drei sind auch großformatig in „Forschung
Frankfurt“ abgebildet – zeigen Menschen verschiedener Länder
voller Würde in den Ruinen ihrer Lebensgrundlage. Nichts könnte
beeindruckender die Dringlichkeit der Eindämmung des
Klimawandels vor Augen führen. Selbst wenn die Zwei-Grad-Grenze
nicht überschritten würde, schmölzen weiterhin Gletscher,
stiegen die Meeresspiegel und drohten Dürren, Tropenstürme und
Verlust an Biodiversität.
Mit Mitteln ihrer Wissenschaft sucht die Hydrologin Petra Döll
mit ihrem Team zu beleuchten, wie dringlich es ist, den
Klimawandel einzudämmen, indem sie dessen Auswirkungen auf die
Wasserressourcen der Erde quantitativ abschätzt. Diese
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Institut für
Physische Geographie der Goethe-Universität stellen sich der
Komplexität und den Herausforderungen dieses Themas. Sie
beschäftigen sich seit Langem damit, den Wasserkreislauf auf den
Landflächen der Erde zu berechnen und zu modellieren. Außerdem
schauen sie, wie dieser durch Menschen beeinflusst wird –
beispielsweise durch Staudämme oder Bewässerungsmaßnahmen – und
zu welchen Veränderungen der globale Klimawandel je nach
Intensität führt. Den Akteuren bei den internationalen
Klimaverhandlungen und letztlich uns alle möchte Petra Döll
deutlich machen, was es bringt, weniger Treibhausgase zu
emittieren, beziehungsweise was für Folgen es haben kann, wenn
die Reduktionen zu gering ausfallen: „Wenn, wie in vielen
Gebieten prognostiziert, der Niederschlag bei gleichzeitig
steigenden Temperaturen abnimmt und Nahrungsmitteln nur noch mit
(mehr) Bewässerung angebaut werden können, – werden dann die
Flüsse überhaupt noch genug Wasser führen?“
Döll betreibt globalskalige Forschung, weil auf unserer Erde
alle Probleme globale Probleme sind. „Ob in Indien nachhaltig
gewirtschaftet werden kann, hängt mit unserem Konsum hier in
Deutschland zusammen. Denn um weltweit gehandelte Güter
herzustellen, sind meist große Mengen Wassers nötig, vor allem
bei Nahrungsmitteln und Baumwolle. Das ist der Grund für all die
Berechnungen, die wir anstellen: ein genaueres Bild von der Welt
zu bekommen, das uns bei unseren Entscheidungen hilft.“ Messen
und Berechnen, Modellierungen und Computersimulationen, die
Ausarbeitung möglicher künftiger Szenarien und die
Visualisierung durch anamorphe Weltkarten – all das scheint
nötig und unvermeidlich geworden zu sein angesichts eines
Planeten, auf dem menschliches Handeln das Ende natürlicher
Selbstregulation herbeigeführt hat. Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler wie Petra Döll und Darrel Moellendorf möchten
dazu beitragen, dass der globale „vermessende“ Blick auf die
Erde und die sie bewohnenden Menschen zugleich ein „gerechter“
ist.
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www.forschung-frankfurt.uni-frankfurt.de.
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