Schöne neue Einkaufswelt

Vitra Design stellt sich in gestapelten Langhäusern von Herzog & de Meuron zur Schau

Foto: © Kulturexpress, vom 29. 11. 2014

Es gibt Ereignisse, die einen bewegen und aufmerksam werden lassen und das bei jeder Körperdrehung. Überall Vitra, kaum zu glauben, so viel Design, so viel Architektur und das auf einem Gelände, wo das Museum von Frank O. Gehry von je her kulturelles Zentrum ist. Ein Ruhepunkt in der Landschaft ist daraus geworden und ein Magnet für internationales Publikum. Mehrere Sehenswürdigkeiten, das fängt an bei der überdachten Bushaltestelle von Architekt Jasper Morrison. Das weiße Gehry-Haus, ein Klassiker, wenn auch mehrere Adaptionen existieren auf der Welt, so bleibt der überwältigende Eindruck davon ungetrübt. Weil am Rhein, Ort an der Schweizer Grenze, nahe der großen Stadt Basel. Auf deutscher Seite, fühlt sich der Besucher dennoch geborgen, wie nur in der sauberen Schweiz wo so viel Wohlstand zu Hause ist, so viel weiss an den Häusern glänzt. Die Architektenbauten sind hervorragend, die herumstehen, als gäbe es auf der Welt nur diese zu bestaunen. Nicht Siedlung, nicht Wohnhaus, wie nebenan wo Gleichförmigkeit den Alltag bestimmt, sondern Produktionshallen, Konferenzsäle, Museen und andere Nichtwohngebäude bilden eine Arbeitseinheit. Weiter vorne, über den langen Rasen steht das VitraHaus von den Architekten Herzog & de Meuron, das noch viel bestaunenswerter ist mitten auf dem Platz. Im Februar 2010 ist das Gebäude eröffnet worden.

 

Dieses Engagement beruht auf der jahrelangen Initiative eines Privatunternehmens, das sich damit die eigene Imageförderung geschaffen hat, was über bloße Kommerzialisierung hinausgeht und zum Markenzeichen geworden ist. Wenn auch hier wie überall Schattenseiten auftreten können, die aber bei so viel Schau schnell wieder vergessen oder zumindest verschoben sind.

 

Vitrahaus sind mehrere Langhäuser übereinandergestapelt, kreuz und quer wie ein Mikadospiel. Fassaden, große Frontscheiben an den Stirnseiten. Obenan Satteldach, das ganz dunkel, fast monoton aus schieferfarbenen Beschichtungen besteht. Statisch ein gewagtes Stück, was die ungewöhnliche Bauweise angeht. Der Stapel zieht sich entlang überschneidender Achsen aus grauen Röhren.

 

Von Innen scheinen diese Gebäude nur einem Zweck zu dienen, gewerbliche Präsentation der Möbelprodukte von Vitra Design. Es geht ums Einkaufsvergnügen in einer schönen neuen Welt, die sich so sehr von der Ikeawelt unterscheidet, weil keine Massenproduktion geboten wird.

 

 

Die Geschäfte laufen gut, dieser Eindruck entsteht wenigstens bei so viel Schein und Eleganz. Vitra Design legt das Klientel auf das Einzelgespräch. Es soll der Eindruck des Individuellen erweckt werden. Jedes Stück ist Einzelanfertigung, obwohl das natürlich nicht stimmen kann. Doch die Bedürfnisse sind geweckt. Im überdachten Außenbereich befindet sich ein Ladengeschäft, das Lounge Chair Affair, wo der Kunde dabei zuschaut, wie sein Produkt, ein eleganter Sessel mit Holzverschalung und feinem Polster, unmittelbar vor Ort in die Fertigung geht. Das ist Inszenierung pur, die aber wirksam ist. Eine feine Maschinerie, die wie ein Uhrwerk zu funktionieren scheint und vor sich hin läuft, so wirkt der Laden, Fertigungsbereich im Parterre. Niemand braucht sich zu genieren, der gesamte Apparat ist konstruktiv durchdacht. Jean Prouvé hätte seine Freude daran.

 

Eine gewendelte Treppe mit Holzboden führt vom Laden aus nach oben in das Hausinnere, in den Showroom, was noch viel mehr interessante Schätze zu bieten hat. Kunden sollen den Eindruck gewinnen von der Umgebung, nicht nur in Regalen und im Sortiment stöbern müssen.

 

 

 

Überall sind Schlupfwinkel verbaut, gehören gewissermaßen zum Konzept von Vitra. Neue Bürowelten sollen sich dadurch erschließen, diesen Eindruck zumindest will das Unternehmen suggerieren. Lauter Inseln präsentieren sich dem Kunden, die in Katalogen blättern und beim Einkauf nicht zögern brauchen, weil das Angebot so verlockend ist. Entsprechend geschultes Personal befindet sich auf den Etagen und gibt kompetente Auskunft zu den Fragen ihrer Kundschaft und der Besucher. Über dem schwebt ein gesundes Selbstvertrauen.

 

 

Das Konzept von Vitra beruht darauf, dass innerhalb des Büros sowohl Arbeitsplätze vorhanden sind, wie auf dem Foto in den eingezäunten Bereichen zu erkennen. Gleich nebenan aber auch eine Zone ist, die mehr an ein Wohnzimmer erinnert mit Sessel zum Zurücklehnen, Bücherregal und Kühlschrank mit Getränken, fast so wie zu Hause in den eigenen vier Wänden  -  das ist Konzept. Zudem finden sich Gruppentische, wo Arbeiten erledigt werden, die nicht unbedingt durch Trennwände abgesondert sein müssen. Auf diese Weise entsteht ein Ensemble, ein Interieur, das nach Aufenthaltszonen getrennt ist, aber im Verband weiterhin eng zusammensteht.

 

Die Psychologie der Sache ist, dass Bereiche nach Wohnen und Arbeiten unterschieden sind, aber in einem Raum aufgestellt werden. Was nicht zu Hause sattfindet, sondern umgesetzte Bürogestaltung ist, nach einer Idee, die nicht nur von Vitra in die Welt gerufen wurde. In anderen Unternehmen auf dem internationalen Markt gibt es ähnliche Ansätze, die sich mit Arbeitsplatzgestaltung der Zukunft auseinandersetzen und Wohnen und Arbeiten im Büro miteinander verknüpfen.

 

Zu guter letzt findet sich im Eingangsbereich im Parterre auch noch ein Café mit Innen- und Außenbereich sowie Imbißwagen mit verchromtem Äußeren incl. Würstchenstand. Im Foyer, im sogenannten Shop, steht umfangreiches Warensortiment zur Auswahl. Accessoires wie Porzellan Services, Vasen nach Entwürfen von Alvar Aalto, von dem gerade eine Ausstellung im Gehry Gebäude zu sehen ist. 

 

Vergrößerung Vitra Design in Weil Flächenplan hier öffnen

 

 

Siehe auch: Le Corbusier Retrospektive im Vitra Design Museum

 

Siehe auch: Bürobauten (2013) ein Buch von Ansgar Oswald bei DOM publishers incl. Planungshilfe

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 11. Januar 2015