bis 15. Juni 2014

 Emil Nolde (1867-1956) Retrospektive im Städel Museum

   Foto: © Kulturexpress

Manche Gemälde Noldes wirken burschikos. Haben einen Holzschnitzer zum Urheber. Kontrastreich ist der Duktus mit dem Nolde beständig malte entgegen der Konformität. Die Farben sind überschwänglich bis intensiv und erzeugen Nachbilder beim Hinschauen. Die innere Notwendigkeit schaffen zu müssen, ist für den der vor den Bildern steht unmittelbar erlebbar. Das geht auch über die Ressentiments seiner Zeitgenossen hinaus. Noldes Bilder waren zeitweise verboten, trotzdem malte der Künstler weiter an seinen Aquarellen und nannte diese hinterher "Ungemalte Bilder". Zwischen 1938 und 1945 entsteht diese Werkgruppe mit Aquarellen, die er ab 1938 in Öl überträgt. Andererseits hatte Emil Nolde nicht viel zu befürchten, obwohl seine Malerei manchmal schrecklich war, weil so naturalismusfremd. Wie Nolde das bewerkstelligte, ist meiner Meinung nach nicht völlig aufgeklärt. Bilder und Motive sind durchgängig figürlich, denn reine Abstraktion wollte der Maler nicht. Dafür blieb er seinem Handwerk und seiner eigenwilligen Fertigkeit einfach viel zu treu. Das Erlernte mit dem er sich anfangs auf den Weg gemacht hat, um von Norddeutschland aus immer weiter und auf seinen Reisen bis in die Südsee zu gelangen. Nach und nach arbeitete er sich zu einem Künstler der Avantgarde heran. Erste Versuche bieten groteskes, wie die gemalten Fratzen, die aus einem Bergmassiv der Alpen glotzen. Diese verkaufte er in seinen Anfangsjahren als Postkartenmotiv, um damit Geld zu verdienen. Sein erstes Gemälde, Bergriesen (189596) aus der Nolde Stiftung Seebüll, nimmt das Motiv auf. Das Gemälde wird im ersten Raum der Ausstellung zusammen mit Arbeiten gezeigt, die sowohl den frühen Einfluss der dänischen Malerei auf Nolde als auch seine Anregung durch den französischen Impressionismus deutlich machen.

 

Zu seinen unübertrefflichen Farbwelten fand Nolde erst später. Der künstlerische Durchbruch gelang Nolde mit Blumen- und Gartenbildern. Diese bis heute für ihn als charakteristisch geltenden Motive sind im zweiten Raum der Schau zusammen mit zeitgleich entstandenen figürlichen Arbeiten zu sehen. Noldes figürliche Werke zeichnen sich durch eine eher flächige Malweise aus, wie das Hauptwerk Freigeist (1906) veranschaulicht. Im darauffolgenden Raum wird anhand der Serie Herbstmeere (1910) Noldes Annäherung an die Abstraktion thematisiert.

 

Siehe auch: Autoren über Emil Nolde - Deutschstunden

 

Die tosenden Wogen unter dramatischem Himmel entstehen auf der Ostseeinsel Alsen, in einem Bretterverschlag, den sich der Künstler direkt am Strand baute. In diesem „Atelier“ fertigt Nolde ebenfalls einige seiner frühen biblischen und Legendenbilder, die im anschließenden Raum gezeigt werden. Die religiösen Sujets gehören zu den Höhepunkten in seinem Gesamtwerk. Nolde setzt Szenen des Alten und Neuen Testaments, wie beispielsweise in Grablegung (1915), mit leuchtenden Farben und flächigem Farbauftrag um. Der nächste Raum ist allein dem bedeutenden Altarwerk Das Leben Christi (1911/12) gewidmet, das den dafür eingerichteten Ausstellungsraum in Seebüll verlassen hat, um im Städel während der Retrospektive ausgestellt zu werden..

Auf dem Foto v.l.n.r.: Christian Ring, Nolde Stiftung Seebüll, Max Hollein, Museumsdirektor und Felix Krämer, Kurator der Nolde Retrospektive. Video URL

 

In Berlin beginnt auch Noldes Interesse an außereuropäischer Formgebung und Kunst, das im nachfolgenden Raum thematisiert wird. Das Gemälde Exotische Figuren (Fetische I) (1911) basiert auf Zeichnungen, die Nolde bei Besuchen im Königlichen Museum für Völkerkunde nach Exponaten anfertigt.

 

Die Einflüsse verschiedenster Künstler und Vorbilder werden wirksam in seinem Werk. Dazu zählt sicherlich die Arbeit von Adolf Hoelzel ebenso wie die der Expressionisten, zu denen Nolde letztlich mitgezählt werden kann.

 

Es gibt viele Emil Nolde Ausstellungen. Immer wieder finden diese auch in kleineren Museen statt und in Galerien tauchen seine Aquarelle auf. Eine Eigenschaft die Nolde als einer der populärsten Maler Deutschlands erscheinen lassen. Eine große Sonderausstellung war 2013 in Baden-Baden im Museum Frieder Burda zu sehen. Die Überschrift zur Ausstellung hieß "Pracht der Farben". Diese befasste sich mit den farbintensiven Werken Noldes. Die Retrospektive im Städel hat einen anderen umfassenderen Schwerpunkt.

 

In der Ausstellung im Städel sind rund 140 Arbeiten, darunter Werke wie Frühling im Zimmer (1904), Das Leben Christi (1911/12) oder Kerzentänzerinnen (1912), aber auch einige bisher nicht außerhalb von Seebüll gezeigte Gemälde und Grafiken des Künstlers.

 

Die von der Nolde Stiftung Seebüll und vielen Leihgebern unterstützte Ausstellung ermöglicht auf der Basis neuer Forschungserkenntnisse einen Überblick über die Vielfalt von Noldes OEuvre. Die Werkauswahl reicht von expressionistischen Landschaften über Berliner Nachtszenen und exotische Südseemotive bis hin zu religiösen Darstellungen. Chronologisch umfasst die Retrospektive Gemälde, Aquarelle und Druckgrafiken aus allen Schaffensphasen des Künstlers.

 

Noldes Früh- und Spätwerk, das in vergangenen Ausstellungen oft weniger Beachtung fand, kommt in der Städel Retrospektive eine besondere Aufmerksamkeit zu. Es wird erkennbar, wie der Künstler mit verschiedenen Malweisen experimentierte, bevor er zu seinem charakteristischen Stil fand. Noldes aufgelöste und dynamische Malweise lässt die Konturen der dargestellten Figuren in den Hintergrund treten. Die vibrierenden Farben verwandeln sich, werden ausdruckstark und stehen im Vordergrund.

 

Im Obergeschoss des Ausstellungshauses machen die Werke, die während und im Anschluss an Noldes Teilnahme an einer Expedition des Reichskolonialamtes nach Neuguinea entstehen. Im glühenden Kolorit der Tropensonne (1914) aus der Sammlung der Nolde Stiftung Seebüll manifestiert sich Noldes Sehnsucht nach einem von der westlichen Zivilisation unberührten Naturidyll.

 

An das Kapitel der Südsee schließt sich die Präsentation von Noldes Werken aus den Jahren 1915 bis 1932 an. Der Künstler konzentriert sich während dieser Zeit auf die Sujets seiner nordschleswigschen Heimat: Dort porträtiert er die unbändige Naturgewalt des Meeres sowie die von ihm angelegten Blumengärten, die er in Werken wie Schwüler Abend (1930) mit der rauen nordischen Landschaft konfrontiert.

 

Emil Nolde Retrospektive im Frankfurter Städel (24 Bilder)

 

Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog aus dem Prestel Verlag erschienen.

 

Emil Nolde. Retrospektive
Hrsg. Felix Krämer
mit Beiträgen von Max Hollein, Felix Krämer, Christian Ring, Aya Soika und Bernhard Fulda
gebundene Ausgabe, 298 Seiten
Größe: 23.0 x 28.0 cm,
332 farbige Abbildungen,
33 s/w Abbildungen
ISBN: 978-3-7913-5335-7

 

 

Im Katalog blättern:

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 12. April 2014