bis 15. Juni 2014 | ||
Manche Gemälde Noldes wirken burschikos. Haben einen Holzschnitzer zum Urheber. Kontrastreich ist der Duktus mit dem Nolde beständig malte entgegen der Konformität. Die Farben sind überschwänglich bis intensiv und erzeugen Nachbilder beim Hinschauen. Die innere Notwendigkeit schaffen zu müssen, ist für den der vor den Bildern steht unmittelbar erlebbar. Das geht auch über die Ressentiments seiner Zeitgenossen hinaus. Noldes Bilder waren zeitweise verboten, trotzdem malte der Künstler weiter an seinen Aquarellen und nannte diese hinterher "Ungemalte Bilder". Zwischen 1938 und 1945 entsteht diese Werkgruppe mit Aquarellen, die er ab 1938 in Öl überträgt. Andererseits hatte Emil Nolde nicht viel zu befürchten, obwohl seine Malerei manchmal schrecklich war, weil so naturalismusfremd. Wie Nolde das bewerkstelligte, ist meiner Meinung nach nicht völlig aufgeklärt. Bilder und Motive sind durchgängig figürlich, denn reine Abstraktion wollte der Maler nicht. Dafür blieb er seinem Handwerk und seiner eigenwilligen Fertigkeit einfach viel zu treu. Das Erlernte mit dem er sich anfangs auf den Weg gemacht hat, um von Norddeutschland aus immer weiter und auf seinen Reisen bis in die Südsee zu gelangen. Nach und nach arbeitete er sich zu einem Künstler der Avantgarde heran. Erste Versuche bieten groteskes, wie die gemalten Fratzen, die aus einem Bergmassiv der Alpen glotzen. Diese verkaufte er in seinen Anfangsjahren als Postkartenmotiv, um damit Geld zu verdienen. Sein erstes Gemälde, Bergriesen (1895–96) aus der Nolde Stiftung Seebüll, nimmt das Motiv auf. Das Gemälde wird im ersten Raum der Ausstellung zusammen mit Arbeiten gezeigt, die sowohl den frühen Einfluss der dänischen Malerei auf Nolde als auch seine Anregung durch den französischen Impressionismus deutlich machen.
Zu seinen unübertrefflichen Farbwelten fand Nolde erst später. Der
künstlerische Durchbruch gelang Nolde mit Blumen- und Gartenbildern.
Diese bis heute für ihn als charakteristisch geltenden Motive sind im
zweiten Raum der Schau zusammen mit zeitgleich entstandenen figürlichen
Arbeiten zu sehen. Noldes figürliche Werke zeichnen sich durch eine eher
flächige Malweise aus, wie das Hauptwerk Freigeist (1906)
veranschaulicht. Im darauffolgenden Raum wird anhand der Serie
Herbstmeere (1910) Noldes Annäherung an die Abstraktion
thematisiert.
Siehe auch: Autoren über
Emil Nolde - Deutschstunden
Die tosenden Wogen unter dramatischem Himmel entstehen auf der
Ostseeinsel Alsen, in einem Bretterverschlag, den sich der Künstler
direkt am Strand baute. In diesem „Atelier“ fertigt Nolde ebenfalls
einige seiner frühen biblischen und Legendenbilder, die im
anschließenden Raum gezeigt werden. Die religiösen Sujets gehören zu den
Höhepunkten in seinem Gesamtwerk. Nolde setzt Szenen des Alten und Neuen
Testaments, wie beispielsweise in Grablegung (1915), mit
leuchtenden Farben und flächigem Farbauftrag um. Der nächste Raum ist
allein dem bedeutenden Altarwerk Das Leben Christi (1911/12)
gewidmet, das den dafür eingerichteten Ausstellungsraum in Seebüll
verlassen hat, um im Städel während der Retrospektive ausgestellt zu
werden..
Auf dem Foto v.l.n.r.: Christian Ring, Nolde Stiftung Seebüll, Max
Hollein, Museumsdirektor und Felix Krämer, Kurator der Nolde
Retrospektive.
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In Berlin beginnt auch Noldes Interesse an außereuropäischer Formgebung
und Kunst, das im nachfolgenden Raum thematisiert wird. Das Gemälde
Exotische Figuren (Fetische I) (1911) basiert auf Zeichnungen, die
Nolde bei Besuchen im Königlichen Museum für Völkerkunde nach Exponaten
anfertigt.
Die Einflüsse verschiedenster Künstler und Vorbilder
werden wirksam in seinem Werk. Dazu zählt sicherlich die Arbeit von
Adolf Hoelzel ebenso wie die der Expressionisten, zu denen Nolde
letztlich mitgezählt werden kann.
Es gibt viele Emil Nolde Ausstellungen. Immer wieder finden diese auch in kleineren Museen statt und in Galerien tauchen seine Aquarelle auf. Eine Eigenschaft die Nolde als einer der populärsten Maler Deutschlands erscheinen lassen. Eine große Sonderausstellung war 2013 in Baden-Baden im Museum Frieder Burda zu sehen. Die Überschrift zur Ausstellung hieß "Pracht der Farben". Diese befasste sich mit den farbintensiven Werken Noldes. Die Retrospektive im Städel hat einen anderen umfassenderen Schwerpunkt.
In der Ausstellung im Städel sind rund 140 Arbeiten, darunter Werke wie Frühling im Zimmer (1904), Das Leben Christi (1911/12) oder Kerzentänzerinnen (1912), aber auch einige bisher nicht außerhalb von Seebüll gezeigte Gemälde und Grafiken des Künstlers.
Die von der Nolde Stiftung Seebüll und vielen Leihgebern unterstützte Ausstellung ermöglicht auf der Basis neuer Forschungserkenntnisse einen Überblick über die Vielfalt von Noldes OEuvre. Die Werkauswahl reicht von expressionistischen Landschaften über Berliner Nachtszenen und exotische Südseemotive bis hin zu religiösen Darstellungen. Chronologisch umfasst die Retrospektive Gemälde, Aquarelle und Druckgrafiken aus allen Schaffensphasen des Künstlers.
Noldes Früh- und Spätwerk, das in vergangenen Ausstellungen oft weniger
Beachtung fand, kommt in der Städel Retrospektive eine besondere
Aufmerksamkeit zu. Es wird erkennbar, wie der Künstler mit verschiedenen
Malweisen experimentierte, bevor er zu seinem charakteristischen Stil
fand. Noldes
aufgelöste und dynamische Malweise lässt die Konturen der dargestellten
Figuren in den Hintergrund treten. Die vibrierenden Farben verwandeln
sich, werden ausdruckstark und stehen im Vordergrund.
Im Obergeschoss des Ausstellungshauses machen die Werke, die während und
im Anschluss an Noldes Teilnahme an einer Expedition des
Reichskolonialamtes nach Neuguinea entstehen. Im glühenden Kolorit der
Tropensonne (1914) aus der Sammlung der Nolde Stiftung Seebüll
manifestiert sich Noldes Sehnsucht nach einem von der westlichen
Zivilisation unberührten Naturidyll.
An das Kapitel der Südsee schließt sich die Präsentation von Noldes
Werken aus den Jahren 1915 bis 1932 an. Der Künstler konzentriert sich
während dieser Zeit auf die Sujets seiner nordschleswigschen Heimat:
Dort porträtiert er die unbändige Naturgewalt des Meeres sowie die von
ihm angelegten Blumengärten, die er in Werken wie Schwüler Abend
(1930) mit der rauen nordischen Landschaft konfrontiert.
Emil Nolde Retrospektive im Frankfurter Städel (24 Bilder)
Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog aus dem Prestel Verlag
erschienen.
Emil
Nolde. Retrospektive
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