Schwabe reflexe 33

'Invasionen' (2014) ein Band von Rolf Hochhuth zur Ethologie der Geschichte aus dem Schweizer Schwabe Verlag

Buchumschlag: Schwabe Verlag

Im Schweizer Schwabe Verlag aus Basel sind von Rolf Hochhuth Essays und Gedichte mit dem Titel 'Invasionen' erschienen. Die broschierte Ausgabe im Taschenbuchformat umfasst 231 Seiten und will etwas wie eine 'Ethologie der Geschichte' sein. Was das ist, wird erläutert. Das Hochhuth Themen der Geschichte aufgreift, um seine politischen Ansichten zu verbreiten, ist weithin bekannt. Dazu zählen sicherlich seine "Dokumente zur Politischen Wirkung" (1980) seine 'Berliner Antigone' (1963) oder 'Die Hebamme' (1971). Dass er dies jetzt auch in der Schweiz versucht, ist dagegen weniger bekannt. Dennoch ist dies nicht sehr weit hergeholt, denn Hochhuths langjähriger Wohnsitz liegt in Weil am Rhein unweit der Deutsch-Schweizer Grenze. Ein Gebiet, in dem der nahe Grenzverkehr in und aus der Schweiz voll zum tragen kommt. Angstgefühle der Schweizer vor dem Ausland und vor den Deutschen werden bei Hochhuth dagegen nicht geschürt, was ja aufgrund der aktuellen Entwicklungen durch Volksbefragungen in der plebiszitären Schweiz nahe liegen könnte. Hochhuth ist auch nicht kleinlich, wenn er sich sonst fast nur mit der Problematik der deutschen Geschichte und deren Aufarbeitung auseinandersetzt, kommen im Band aus dem Schwabe Verlag auch Schweizer vor, wie Jacob Burckhardt, der bereits im 19. Jahrhundert 'Briefe an einen Architekten' veröffentlichte und damit das Gedankenspiel an einer historischen Baukunst entfaltete. Der Kunsthistoriker wird bei Hochhuth auf seine Bedeutung als Philosoph befragt. Ein anderer ist der Schweizer Theologiestudent Maurice Bavaud, der 1941 in Plötzensee hingerichtet wurde. 'Große Schweizer' benennt das Kapitel gegen Ende. Am Schluss folgt 'Epilog: Station Basel' ein Ausblick auf die Großstadt. Danach das Nachwort des Dresdner Philosophen Johannes Rohbeck, der erkennt, wie Hochhuth gegen eine allzu starke Männerwelt ausbremst, um an anderer Stelle den Philosophen Karl Jaspers in Schutz zu nehmen.

 

Am Anfang steht das Konterfei des 1931 im nordhessischen Eschwege geborenen Autors. Eine sensibel nachdenkliche Zeichnung von Johannes Grützke, die dort auf einer Seite mit geneigten aber schwungvollen Linien abgebildet ist. Neben Textbeiträgen in überwiegender Zahl finden sich auch Gedichte Hochhuths, eines über 'Churchill' fast wie ein Nachruf auf den großen Strategen. Die Deutschen  waren 1944 durch die Invasion in der Normandie im Westen bezwungen worden. Diese Strategie ist aufgegangen. Die Zerstörung Dresdens ist dagegen ein Makel geblieben. Oswald Spenglers geschichtliche Dimension 'Der Untergang des Abendlandes' greift Hochhuth auf, um darin jemanden zu erkennen der unsere Kultur niederbrennt. Was jedoch nicht Spenglers einzige Wirkung geblieben ist. Es ist eine von Hochhuths Reden aus den vergangenen Jahren, wie diese hier über Spengler vor der Bayrischen Akademie der Schönen Künste zur geschichtlichen Ethologie.

 

Der Versuch den 17. Juni 1953 in Erinnerung zu rufen. Ein Gedicht heißt einfach 'Mauer'. Das sind historische Zerwürfnisse, die aus der Erinnerung abgerufen werden. Sie betreffen doch im wesentlichen die deutsche Geschichte. Ich habe den Eindruck, daran ist dem Kritiker Hochhuth gelegen. Die Schweiz ist nicht so empfänglich für Anklagen gegen Hitler und die Attentäter, die es auf ihn abgesehen haben. Ein Zerwürfnis, denn allesamt sind sie gescheitert von Johann Georg Elser bis Stauffenberg trotz deren geschichtlicher Einbindung in das eigene Land. Warum haben diese Attentate misslingen müssen? Welcher Pakt ist im Spiel gewesen? Sind das Wellen? Ist Geschichte eine Naturgeschichte fragt der Autor ungläubig. Der Rückbezug auf die Natur als Urheber der Geschichte nimmt dem Menschen die aktive Rolle am Geschehen. Das wäre doch langweilig aus Hochhuths Sicht, der immer auf der Suche nach einem oder den Schuldigen ist, für die er bereit ist anzuklagen schon sein Leben lang.

 

Invasionen

Zur Ethologie der Geschichte

Essays und Gedichte von Rolf Hochhuth

Schwabe Verlag, Basel, 1. Auflage 2014

broschiert 231 Seiten,

Größe: 19,5 x 12,1 x 1,7 cm

ISBN: 978-3-7965-3253-5

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

vom 13. März 2014