Die
Allgäuer und Ammergauer Alpen,
Badeseen in nächster Nähe, der
türkisfarbene Lech, eine romantische
Altstadt, „Märchenkönig“ Ludwig II.
und sein Schloss Neuschwanstein, das
von seinem Vater, König Maximilian
II., im 19. Jahrhundert zur
Sommerresidenz umgebaute neugotische
Schloss Hohenschwangau und die
barocke Wieskirche in der Nähe – all
das: weltbekannte kulturelle und
landschaftliche Glanzlichter. Wir
finden hier im Ostallgäu an der
Grenze zu Oberbayern Traumrouten für
Wanderer und Radler. Es gibt
Skipisten, Langlaufloipen, Touren
für Schneeschuhwanderer, genauso wie
Museen und historische Orte, die zum
Allerfeinsten gehören, was das
Urlaubsland Deutschland zu bieten
hat.
Die Urlaubsregion
Füssen und Schwangau im Allgäu lockt
Menschen aus aller Welt an. Die
Gegend ist kein Geheimtipp, sicher
nicht, sondern ein Reise-Klassiker.
Eine Gegend, die man gesehen haben
muss. Dazu braucht man kein Auto, so
einladend sind all die Radwege im
flachen Voralpenland und die
Wanderrouten in den unvermittelt aus
der Ebene wachsenden Bergen.
Zwischen Füssen, Königsschlössern
und Forggensee fanden wir unser
magisches Dreieck.
Die erste
Erkundung der Altstadt von Füssen:
Rund 16.000 Einwohner hat das
Städtchen am Lech, das direkt an der
Grenze zu Österreich liegt. Füssen
ist eine idyllische Alpenstadt,
umstanden von Bergen. Die
höchstgelegene Stadt in Bayern ist
ein Drehkreuz der alten Handels- und
modernen Ferienstraßen: Die
Romantische Straße, an deren
südlichem Ende wir uns hier
befinden, die Deutsche Alpenstraße
und die Römerstraße Via Claudia
Augusta zwischen Norditalien und der
Donau treffen sich hier. Ja, die
Römer haben die Gegend bereits als
bezaubernd befunden und hier ein
Lager errichtet. Und auch wir lassen
uns von der Romantik Füssens
verzücken: Verwinkelt, kleinteilig
zeigt sich die Stadt. Gotische
Bürgerhäuser, barocke Kirchen, alles
in pastelligen Farben. Die Dichte
italienischer Restaurants und
Eiscafés ist legendär. Das hat
Tradition, die Nähe zu Italien –
nach Sterzing in Südtirol sind es
nur 160 Kilometer – hat die Stadt
geprägt.
Füssen ist eine
Stadt mit langer Geschichte. Die
ehemalige Benediktinerabtei St. Mang
wurde im 9. Jahrhundert gegründet.
Die barocke Klosteranlage (nach
Plänen von Johann Jakob Herkomer)
liegt fantastisch über dem Ufer des
Lechs. Hier befinden sich heute die
Stadtverwaltung und das Museum der
Stadt mit dem Kaisersaal und der
feinen barocken Bibliothek. In der
Ostkrypta der Basilika finden wir
uralte romanische Fresken der
Reichenauer Schule. Die barocke
Annakapelle beherbergt den „Füssener
Totentanz“ – ein Gemäldezyklus aus
dem frühen 17. Jahrhundert, der die
Macht des Todes über die Menschen
eindringlich versinnbildlicht. „Sagt
Ja Sagt Nein, Getanzt Muess sein“
ist hier zu lesen – der Tod nimmt
alle Menschen und Stände mit zum
Tanz. Den Kaiser, den Papst, ein
Kleinkind und einen Säugling in
seiner Wiege – und schließlich auch
den Künstler Jakob Hiebeler selbst.
Doch wir fühlen uns überaus
lebendig, hungrig und schlendern
durch das so heiter anmutende
Städtchen. Die Dichte guter
Gasthäuser fällt auf – so kann man
etwa köstlich und regional im
„Schwanen“ am Brotmarkt speisen.
Jetzt aber
hinauf: Hoch über der Stadt Füssen
thront auf einem Bergsporn das „Hohe
Schloss“. Schon im 13. Jahrhundert
wurde der Bau begonnen. Einst
Sommerresidenz der Fürstbischöfe von
Augsburg, heute Filialgalerie der
Bayerischen Staatsgemäldesammlungen
und Städtische Galerie. Der
spätgotische Bau ist schon durch
seine Lage spektakulär. Vor allem
aber ist der Bau bekannt für seine
grandiose, illusionistische Malerei
mit Scheinerkern und Scheinfenstern
im Innenhof. Im Inneren lockt der
Rittersaal mit seiner hervorragenden
geschnitzten Kassettendecke aus der
Zeit um 1500. Auch in den weiteren
Räumen finden wir große Kunst – vor
allem Gemälde aus der Zeit der Gotik
und Renaissance, aber auch aus dem
19. Jahrhundert mit zwei schönen
Arbeiten von Franz von Defregger und
Carl Spitzweg. Absolut lohnenswert
ist der Blick aus den Turmfenstern,
der weit über die Altstadtdächer und
das fast schon unwirklich intensiv
gefärbte Wasser des Lech schweift.
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Von der Stadt –
die bis heute auch für ihren
traditionellen Lauten- und Geigenbau
bekannt ist und Klassik-Liebhaber
mit den „Festtagen der Alten Musik“,
Orgelkonzerten, einem
Kammermusikfestival und den
„Kaisersaalkonzerten“ im Kloster St.
Mang verwöhnt – führen die Wege
schnell in die Allgäuer Bergwelt.
Und natürlich auch zum berühmten
„Märchenschloss“ Neuschwanstein und
zu dem vis-à-vis gelblich
leuchtenden Schloss Hohenschwangau,
wo König Ludwig II. viele Kindheits-
und Jugendtage verbrachte.
In und um Füssen vernehmen wir
Sprachen aus aller Welt. Menschen
aus aller Herren Länder wollen diese
Bauwerke sehen, die Königsschlösser
in der Traumlandschaft. Spleen eines
realitätsfernen Fantasten? In jedem
Fall große, ganz große europäische
Kunstgeschichte. Beide Schlösser
muss man gesehen haben. Sie sind
heute Garant für das wirtschaftliche
Florieren der Stadt. Schon sieben
Wochen nach Ludwigs frühem Tod,
dessen Ursache bis heute Rätsel
aufgibt, wurde Neuschwanstein gegen
seinen zu Lebzeiten geäußerten
Willen für den Fremdenverkehr
freigegeben. In jüngster Zeit kommen
nach den Japanern nun immer mehr
chinesische Touristen, erfahren wir.
Dazu Amerikaner, Italiener, Spanier.
2011 wurde das mit verschiedenen
Architekturpreisen ausgezeichnete
Museum der bayerischen Könige in
Hohenschwangau eröffnet, das die
Geschichte der Dynastie der
Wittelsbacher bis in die Gegenwart
erzählt – mit besonderem Fokus auf
König Maximilian II. und seinen
Sohn, König Ludwig II.. Das Museum
ist im historischen Grandhotel
„Alpenrose“ untergebracht: eine
Traumkulisse mit atemberaubenden
Aussichten in die Landschaft und auf
den Alpsee, den man – unbedingt! –
umwandern sollte.
Die Bergwelt erkundet man mit einer
guten Wanderkarte, welche die
Touristenbüros in Füssen und
Schwangau anbieten. Eine kleine Tour
ist die Lechfall-Runde, bei der man
ebenjenen spektakulären Lechfall
passiert, wo sich der im Vorarlberg
entspringende Fluss mit großer
Kraft, mit Tosen und Sprühen in eine
enge Klamm ergießt – ein großartiges
Naturdenkmal. Die Wasserkraft des
Lech war ein wichtiger Faktor für
den Aufstieg der Stadt im 19.
Jahrhundert, in der 1861 eine
Seilerwarenfabrik eröffnet wurde –
der Beginn der industriellen Moderne
am Lech, der die Stadt wachsen ließ
und Arbeiter aus Böhmen und
Österreich anlockte. Auch diese
Geschichte erzählt ausführlich das
Museum der Stadt Füssen im
Barockkloster St. Mang.
Ganz in der Nähe des Lechfalls
startet der spektakuläre
Baumkronenpfad im
Walderlebniszentrum Ziegelwies, der
über die Grenze hinweg nach Tirol in
Österreich führt. Noch höher hinauf
führt die steile
Tegelberg-Kabinenbahn: zum
Tegelberghaus auf über 1.700
Höhenmeter. Von hier blicken wir auf
die Ebene oder hinein ins
Ammergebirge bis zur Zugspitze oder
zu den Tiroler Alpen. Man kommt
natürlich auch zu Fuß hinauf – in
etwa zweieinhalb Stunden. Von oben
starten verschiedene ganz einfache
und auch schwere Bergtouren. Schon
als Kind wanderte Ludwig hier mit
seinem Bruder Otto und seinen Eltern
König Max II. und Königin Marie, die
– damals noch ganz ungewöhnlich für
eine Frau – eine begeisterte
Alpinistin war und gern unterwegs in
ihrem Spezialgewand, einer
Kombination aus Rock und Hose.
Später residierte Ludwig II. in den
Sommermonaten hier im königlichen
Jagdhaus. In den Bergen fühlte er
sich dem Schöpfer nah, mehr als im „Qalm
der Städte, wo die Freuden ihren
Sitz wahrlich nicht haben“. So lesen
wir auf Schautafeln, welche die
kleine „Königsrunde“ begleiten.
Jetzt im Sommer lockt uns das
Wasser. Gleich am Ankunftstag
springen wir in den Bannwaldsee.
Ganz nah ist der kalkreiche, türkis
glitzernde Forggensee mit seinen
skandinavisch anmutenden Fjorden,
ein 1954 angelegter Stausee, der vom
kalten Lech gespeist wird und den
man in den Sommermonaten mit einer
(kleinen oder großen)
Schiffsrundfahrt mit der MS Füssen
oder MS Allgäu entdecken kann – oder
auch mit dem Rad umrunden. Kleine
Segelboote sorgen hier am
fünftgrößten See Bayerns bis zum
Sonnenuntergang für mediterrane
Gefühle – mit Blick auf die
Schlösser und die Alpen. In den
Tiefen liegt der ehemals geflutete
Weiler Forggen, der dem See seinen
Namen gegeben hat. Zurück an Land
empfehlen wir zur Einkehr die
Café-Pension Gerlinde, die im
lauschigen Garten auch kleine
deftige Speisen anbietet. Oder das
Traditionshaus Hotel Gasthof am See,
nur wenige Schritte weiter, das mit
langer Abendsonne überzeugt.
Mehr als zehn Badeseen laden in
nächster Umgebung ein, allesamt mit
dem Radl erreichbar, wie der stille
Ober- und Mittersee in Bad
Faulenbach, der etwas kühlere, schon
von höheren Bergen umstandene,
alpine Alatsee, der idyllische
Weißensee, der flache Hopfensee mit
seiner bekannten Promenade, der
kleine, eher unbekannte, im Wald
gelegene Faulensee in der Nähe des
beschaulichen Dörfchens Rieden, der
dunkelgrüne Schwansee mit seinem
Seekiosk (das nicht nur die üblichen
Pommes rot-weiß, sondern auch vegane
Chillis und Currys anbietet) oder
der erfrischende Alpsee, in dem
schon König Ludwig zu schwimmen
pflegte. Hier baden wir in dem
bereits im Jahr 1900 eröffneten
Seebad: eine Oase der Stille unweit
des touristischen Schlösser-Trubels.
Erhabener geht’s nicht. Hungrig
treibt es uns ins Schloss
Bräustüberl – ehemals königlicher
Pferdestall, heute ein Ort
klassischer bayerischer
Wirtshauskultur, doch die Portionen
könnten etwas größer sein. Als wir
das Gasthaus verlassen, vernehmen
wir das Blasen von Alphörnern aus
den Bergen. So werden von Mai bis
September jeden Montagabend die
Gäste am Alpsee mit dem
traditionellen Warn- und
Signalinstrument der Senner und
Hirten begrüßt. Auch am Ufer des
Forggensees sind die Alphornbläser
gelegentlich zu erleben – Termine
entnimmt man dem
Veranstaltungskalender auf
www.schwangau.de .
Doch was macht den Zauber aus? Was
ließ Ludwig II. hier seit 1869
seinen mittelalterlich anmutenden,
von der Eisenacher Wartburg
inspirierten Prachtbau
Neuschwanstein errichten? Diese von
außen mehr noch als von innen
faszinierende, ja erschreckende
Architekturfantasie, die immer
wieder den Blick auf sich zu lenken
versteht? Diesen so herrlichen wie
überspannten, scheinbar aus einer
anderen Welt in die Schwangauer
Landschaft gefallenen
Architekturtraum? Das berühmteste
Bauwerk des Historismus? Die
Architektur Ludwigs II. war eine
Gegenarchitektur, eine Theaterwelt,
eine gebaute Flucht aus der Moderne,
aus den politischen Verpflichtungen
des Regenten. Hier – in dieser
Traumkulisse – wollte sich Ludwig
wie ein mittelalterlicher Herrscher
fühlen, wie ein barocker Absolutist.
Das Ende, seine Entmündigung, all
das ist bekannt. 1886 fand Ludwig im
Starnberger See auf mysteriöse Weise
den Tod. Doch sein Ruf überdauert
die Zeiten, sein Schloss wurde zu
einer Ikone der Weltarchitektur.
In den letzten Tagen unserer Reise
machen wir noch einen Abstecher zur
Wieskirche. Die Wallfahrtskirche bei
Steingaden von 1754 ist das
Hauptwerk der Brüder Zimmermann und
als UNESCO-Weltkulturerbe
überregional bekannt. Von hier aus
fahren wir weiter, nach
Oberammergau, zum Kloster Ettal, zum
großartigen, ebenfalls von Ludwig
II. geschaffenen Schloss Linderhof
mit seinem kostenfrei zugänglichen
Park mit maurischem Kiosk,
marokkanischem Haus und
Königshäuschen, dann noch weiter zum
Plansee in Tirol und schließlich
wieder durch die Berge zurück – es
zieht uns wieder ins kleine
Schwangau. Die Königliche Kristall
Therme lockt. Sie bietet
Thermalsole-Heilwasser und viele
andere Wellness-Verlockungen.
Ludwig war müde von seinem Amt, von
den repräsentativen Pflichten als
König von Bayern. Er sah sich als
Monarch von Gottes Gnaden, sehnte
sich nach einer absolutistischen
Macht, die es im Deutschen Reich
unter Kaiser Wilhelm I. für ihn
nicht mehr gab. Bei der Ausrufung
des von Preußen dominierten
Kaiserreichs im Spiegelsaal von
Versailles 1871 war er nicht
anwesend. Er trat nicht zurück, doch
flüchtete sich in seine vielfältigen
Bauprojekte.
Und eine Reise nach Füssen und
Schwangau hat etwas von einer
Flucht. Denn wir wissen zwar: Die
heile Welt gibt es nicht, gab es
noch nie, doch hier, ganz im Süden
Bayerns, da kommt man schon mal ins
Zweifeln. Hohenschwangau in der
Abendsonne, Neuschwanstein, der
Alpsee, das Ammergebirge: Das sind
atemberaubende, die Zeit
übergreifenden Bilder einer
romantischen Landschaft, die man,
hat man sie einmal gesehen, nie mehr
vergisst.
Und Ludwig II., der „Kini“, den
vergessen die Bayern auch nicht.
Noch immer wird er von den
Mitgliedern der vielen bayerischen
König-Ludwig-Vereinen verehrt, steht
er doch für eine bessere, gute alte
Zeit. Im 2000 erbauten Füssener
Festspielhaus am Ufer des
Forggensees spielt man seit Jahren
das Erfolgsmusical „Ludwig²“, das
von Konstantin Wecker mitkomponiert
wurde. Ein Triller. Ein Melodram.
Ein ganz anderes leidenschaftliches
Erinnern an den König, den
bayerischen Schwan, den
Schwanenritter: Wir besuchen am 13.
Juni eine stimmungsvolle Gedenkmesse
zum Todestag König Ludwig II. in der
barocken Kirche St. Coloman in
Schwangau am Fuß der Berge. Die
Kirche ist voll. Die Vereine tragen
ihre Fahnen in die Kirche. Der
Pfarrer ist ein wenig nervös, das
Herz schlägt ihm bis zum Hals, gibt
er offenherzig zu: Es ist seine
erste König Ludwig-Gedenkmesse. Man
dankt dem König noch heute und hält
ihm die Treue.
Genau vor 137 Jahren ist er
gestorben, wurde ermordet – wie
viele Königstreue heute noch
glauben. Er selbst hielt nicht viel
von der Zeit, in der er lebte. Sein
ganzes Leben als Regent war ihm eine
Zumutung. Er flüchtete in Kunst,
Theater, Architektur, Oper, die
Musik Richard Wagners, die er
maßgeblich förderte: „Oh, es ist
notwendig, sich solche Paradise zu
schaffen, solch poetische
Zufluchtsorte, wo man auf einige
Zeit, die schauderhafte Zeit, in der
wir leben, vergessen kann.“ Ruhe
fand der König seiner Träume nur
hier, in dieser auserwählten Gegend.
Fotos und Autor:
Marc Peschke
Ausgewählte Links:
www.fuessen.de
www.allgaeu.de
www.neuschwanstein.de
www.hohenschwangau.de
www.schwangau.de
www.forggensee-schiffahrt.de