Die Baubranche
verbraucht so viel Ressourcen und
produziert so viel Abfall wie kein
anderer Industriesektor.
Klimawandel, Materialenpässe und
Ressourcenknappheit verstärken
zusätzlich den Druck, einen
Paradigmenwechsel einzuleiten: weg
von der linearen, hin zur Circular
Economy. Denn die
Kreislaufwirtschaft zielt darauf ab,
so zu planen und zu bauen, dass
möglichst wenig Müll entsteht und
Materialien nicht einfach entsorgt,
sondern wieder verwendet werden. Wie
das funktionieren kann und welche
alternativen Baustoffe es gibt,
zeigt die BAU 2023 vom 17. bis 22.
April in München.
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Abbrucharbeiten |
Aus Rohstoffen, die der Natur
abgerungen werden, entstehen neue
Gebäude, die nach ihrer Nutzung
wieder abgerissen und entsorgt
werden: Diese über Jahrhunderte
hinweg gängige Praxis kann sich die
Bauwirtschaft nicht mehr leisten.
Denn die Branche ist für 40 Prozent
der CO2-Emissionen und über ein
Drittel des Müllaufkommens in Europa
verantwortlich. In Deutschland
machen die „Bau- und Abbruchabfälle“
mehr als die Hälfte des gesamten
Mülls aus. Zirkuläres Bauen, die
Mehrfachnutzung und Wiederverwertung
von Bauteilen und -Materialien in
einem möglichst geschlossenen
Kreislauf, gilt deshalb als Gebot
der Stunde. Dahinter steht das aus
der Natur entlehnte Prinzip
Cradle-to-Cradle (von der Wiege zur
Wiege), nach dem Produkte und
Rohstoffe in theoretisch unendlichen
Kreisläufen zirkulieren und dabei
keine Abfallprodukte bilden.
Die Idee ist mittlerweile auch bei
der Industrie und beim Fachhandel
angekommen. Auf der BAU 2023 bieten
Aussteller unter dem Label „ReUsed“
wiederverwertbare Produkte an,
ebenso wie die Rücknahme gebrauchter
Produkte. Diese werden dann
aufbereitet, als gebraucht
deklariert und wiederverkauft.
Ressourcen sparen auch
Handelsorganisationen, in denen sich
regional und lokal tätige
Baufachhändler zusammenschließen, um
Produkte in großen Mengen und zu
günstigen Konditionen zu beschaffen.
Dabei richtet sich der Einkauf nach
dem tatsächlichen Bedarf und
berücksichtigt gezielt standortnahe
Hersteller.
Nachweise, Zertifizierungen,
Datenbanken
Der Nachweis der Nachhaltigkeit von
Produkten und Baustoffen wird auch
bei Ausschreibungen immer öfter
verlangt. Allerdings tun sich
Hersteller im Dickicht der Normen
und Regularien oft schwer damit. Die
Grundlage liefern Environmental
Product Declarations, auf deutsch
Umweltprodukt-Deklarationen (EPDs),
die beispielsweise vom Institut für
Bauen und Umwelt (IBU) vergeben
werden. Sie enthalten Informationen
über die Umweltauswirkungen von
Baustoffen, Bauprodukten und
Baukomponenten. Relativ neu sind
Produkt- oder Materialdatenbanken,
in denen kreislauffähige Produkte
gelistet sind. Hersteller können
dort ihre Prdodukte hochladen und
bei Bedarf auch gleich bewerten
lassen. Die Produktinformationen
fließen wiederum in die
Nachhaltigkeitsbewertungen ganzer
Bauwerke ein, die verschiedene
Organisationen (DGNB, BNB, BREEAM
und LEED) vornehmen und dafür
Zertifizierungen vergeben. Mehr
Informationen dazu gibt es auf der
BAU.
Urban Mining: Großes Potenzial an
Sekundärrohstoffen
Für den urbanen Raum, dem bereits
verbaute Materialien wieder
entnommen werden könnten, um sie der
Wiederverwertung zuzuführen, steht
der Begriff „Urban Mining“. Das
Potenzial an Sekundärrohstoffen ist
groß. Laut Bundesumweltamt liefert
ein Altbau mit zehn Wohneinheiten
durchschnittlich 1.500 Tonnen
Material zur Wiederverwertung. Nach
einer 2010 veröffentlichten Zahl
soll sich das Material, das in
bestehenden Gebäuden und
Infrastrukturen steckt, auf 28
Milliarden Tonnen summieren. Was wo
verbaut ist, soll künftig in
Materialpässen dokumentiert werden.
Recycling vorrangig für Straßen-
und Erdbau
Zwar werden über 90 Prozent der
Baustoffe, die durch die
Aufbereitung mineralischer Bau- und
Abbruchabfälle entstehen,
wiederverwertet; aber nur 20 Prozent
davon kommen der Asphalt- und
Betonherstellung zugute. Der
Großteil landet als Rezyklat im
Straßen- und Erdbau, nicht im
Hochbau, für den qualitativ
hochwertige Rohstoffe benötigt
werden. Ein weiteres Problem: Das
Recyclingpotenzial klassischer
Baustoffe wie Beton, Metall, Glas,
Ziegel, Kunststoff oder Gips ist für
viele Einsatzbereiche noch nicht
ausreichend erforscht. Eines von
vielen Problemen ist die sortenreine
Trennung der häufig verklebten oder
verschraubten Materialien und
Bauprodukte. Sie ist unabdingbare
Voraussetzung für die Rückführung in
technische oder biologische
Kreisläufe und muss deshalb bereits
bei der Planung mitgedacht werden.
Alternative Baustoffe
Unter den nachwachsenden Rohstoffen
hat sich bisher lediglich Holz als
Baustoff etabliert. Jedes vierte
Ein- und Zweifamilienhaus in
Deutschland wird in Holzbauweise
errichtet. Sogar Hochhäuser, wie
aktuell das „Roots“ im Hamburger
Hafen, entstehen aus Holz. Anders
sieht es mit Flachs, Bambus, Lehm,
Hanf oder Stroh aus: diese
Materialien gelten zwar als
Baustoffe der Zukunft, sind aber
noch nicht soweit, um eine tragende
Rolle in der Architektur einzunehmen
und konventionelle Baumaterialien zu
ersetzen. Wo es auf Zug- und
Druckfestigkeit ankommt, werden
zumindest in naher Zukunft noch
Beton und Stahl dominieren.
Auf der BAU: Lösungen, Vorträge,
Rundgänge, Sonderschauen
Die BAU zeigt quer durch alle
Ausstellungsbereiche die neuesten
Entwicklungen im Bereich
nachhaltiger und recycelbarer
Baustoffe. Auch im Vortragsprogramm
(Forum C2 und Communication Area B0)
stehen die Themen
Kreislaufwirtschaft und Urban Mining
auf der Agenda. Darüber hinaus
stehen die Sonderschau und das
Vortragsprogramm der Deutschen
Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen
(DGNB) unter dem Motto „Bauen 2030 –
nachhaltig, klimapositiv und
zirkulär“. Die Fraunhofer-Allianz
BAU bietet auf ihrer Sonderschau mit
dem Vortragsprogramm Einblicke in
Innovationen und Lösungen auf dem
Weg zu Klimaneutralität und
Kreislaufwirtschaft. Das ift
Rosenheim präsentiert auf seiner
Sonderschau Bauelemente, die durch
den Ansatz „Cradle to Cradle“,
Multifunktionalität und
entsprechende Wartungs- und
Entsorgungskonzepte zur
Nachhaltigkeit und
Ressourcenschonung beitragen. Auch
die Musterimmobilie der GGT, die die
DNA des Bauens der Zukunft
beleuchtet, hat das Thema
Nachhaltigkeit im Fokus.
Foto (c)
Kulturexpress, Meldung: BAU München
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