Ein
Finanzierungskollaps der
Literaturvermittlung, von Lesungen,
Gesprächen und Diskussionen, steht
absehbar bevor. Im gesamten
Veranstaltungssegment-Buch sind
Vielfalt und Entwicklung bedroht.
Die massiven Kostensteigerungen in
sämtlichen Bereichen gefährden
mittelbar eine wesentliche
Existenzgrundlage von Autor:innen
sowie die Sicht- und Erlebbarkeit
des Kulturguts Buch. Das ist das
Fazit der außerordentlichen Tagung
des Netzwerks der Literaturhäuser
zum Jahresauftakt im Literaturhaus
München.
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Literaturhaus
Frankfurt am Main |
Allerorten sind
erhebliche Kostensteigerungen
festzustellen. Steigende Energie-
und Dienstleistungskosten werden zur
Existenzbedrohung für
Literatur-Institutionen. Verlage und
Podiumsgäste rufen nach der Pandemie
erheblich, bis zu 50 Prozent
angehobene Honorare auf.
Zudem haben öffentliche Zuschüsse
von Ländern, Kommunen oder Kantonen
zumeist seit Jahren keine
Anpassungen erfahren.
Drittmittelförderer wie Stiftungen
sind immer seltener bereit, sich an
den bedingenden Personal- und
Betriebskosten von Veranstaltern zu
beteiligen. Oder sie wenden sich
proaktiven Eigenprogrammen zu. Die
Strukturen, die seit den 80er und
90er Jahren die weltweit so
einzigartigen Literaturhäuser
ermöglichten und damit den Beginn
einer immer lebendiger und
vielfältiger werdenden
Literaturvermittlungsszene,
bröckeln.
Alle Literaturveranstalter verstehen
sich als Partner von Autor:innen und
Verlagen, als Umschlagplatz für das
Buch, als Vermittler Kultureller
Bildung, als Multiplikatoren für
Dichtung und Wahrheit, als Plattform
für europäische Dialoge und
internationalen Austausch. Alle Orte
für die Begegnung mit Literatur sind
unerlässlich, erst recht vor dem
Hintergrund von abnehmender
Lesekompetenz und mangelnder
Leseförderung. Das Netzwerk der
Literaturhäuser trug, auch dank des
Programms „Neustart Kultur“ der
Bundesbeauftragten für Kultur und
Medien sowie Corona-Hilfsprogrammen
in der Schweiz und Österreich, dazu
bei, dass kulturelle Teilhabe
breiter Bevölkerungsschichten unter
schwerwiegenden Einschränkungen
weiterhin möglich war.
Finanziell angegriffen sind nunmehr
Grundsicherungen und
Programmstrukturen. Notwendige,
aufwendige Wandlungsprozesse für
eine fortschrittliche
Literaturvermittlung finden nicht
zur Umsetzung. Unerlässliche
Personalinvestitionen laufen auf.
Fairpay ist in Gefahr. Eine moderne,
viele Autor:innen, viele Bücher und
das Lesen fördernde
Literaturvermittlung, für die der
deutschsprachige Raum international
Bewunderung erfährt, ist in Form und
Umfang nicht aufrechtzuerhalten.
Vielerorts prägen schon jetzt
Konzentrationsmaßnahmen die
Programmausrichtungen.
Kostenexplosionen werden durch
Reduktion von Vielfalt kompensiert.
Auf dem Spiel steht nicht weniger
als das hohe Gut der angemessenen
Honorierung von vielen Autor:innen.
Der Finanzierungskollaps ist
absehbar. Die Corona-Krise belastete
die ohnehin geschwächten Strukturen
empfindlich. Denn diese standen
bereits Jahre zuvor im Schatten
einer Leuchtturmkulturpolitik, die
die Literatur immer nachrangig
bezuschusste. Deshalb begrüßen bspw.
deutsche Vermittlungsinstitutionen
den Kulturfonds Energie des Bundes.
Der Aufruf des Netzwerks der
Literaturhäuser: Wir appellieren an
die Beauftragte der Bundesregierung
für Kultur und Medien in
Deutschland, Staatsministerin
Claudia Roth, an das Ministerium für
Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst
und Sport in Österreich, an das
Bundesamt für Kultur der Schweiz, an
die Kulturbehörden in den Ländern
und Kantonen, an die kommunalen
Instanzen, Kulturdezernate und -ämter sowie an Stiftungen und
Sponsoren in allen deutschsprachigen
Ländern, gerade jetzt die
finanzielle Förderung von
Literaturveranstaltern auszuweiten
und dann zu verstetigen, um so den
gewachsenen Ansprüchen und
Kostensteigerungen Rechnung zu
tragen. Nur durch rasch einsetzende
Maßnahmen und Handlungsbereitschaft
wird sich ein massiver Einbruch des
literarischen Lebens und
Kulturangebots verhindern lassen.
Nur mit einem klaren finanziellen
Bekenntnis kann die in Deutschland,
Österreich und der Schweiz so
einzigartige Form des
Literaturhauses ihre Vorreiterrolle
für die literarische Begegnung, für
Teilhabe und Dialog aufrechterhalten
und weiterentwickeln.
Hauke Hückstädt (Literaturhaus
Frankfurt am Main),
Vorstandsvorsitzender des Netzwerks
der Literaturhäuser
Tomas Friedmann (Literaturhaus
Salzburg), für den Vorstand
Gesa Schneider (Literaturhaus
Zürich), für den Vorstand
Ursula Steffens (Geschäftsführung
Netzwerk der Literaturhäuser,
Hamburg)
Katrin Eckert (Literaturhaus Basel)
Florian Höllerer (LCB, Berlin)
Anja Johannsen (Literarisches
Zentrum Göttingen)
Alexander Suckel (Literaturhaus
Halle)
Rainer Moritz (Literaturhaus
Hamburg)
Bettina Fischer (Literaturhaus Köln)
Thorsten Ahrend (Literaturhaus
Leipzig)
Tanja Graf (Literaturhaus München)
Ulrika Rinke (Literaturhaus Rostock)
Stefanie Stegmann (Literaturhaus
Stuttgart)
Robert Huez (Literaturhaus Wien)
Susanne Lewalter (Literaturhaus
Wiesbaden)
www.literaturhaus.net
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Kulturexpress, Meldung:
Literaturhaus Frankfurt e.V.,
Frankfurt am Main