Im Wettbewerbsbeitrag von 1982
definierten Auer Weber die Grundzüge
des bestehenden Landratsamtes
Starnberg. 1985 bis 1987 wurde das
Bestandsgebäude – eine
Hybridkonstruktion aus Holz, Stahl
und Beton – in modularer Bauweise
errichtet. Nicht zuletzt aufgrund
seines „einprägsam-leichten
Fassadenbildes“ sowie seiner
„intelligenten
Grundriss-Disposition“ erhielt das
Landratsamt 1989 den Deutschen
Architekturpreis und wurde für den
„architektonischen Ausdruck
demokratischen Bauens“ gewürdigt,
entnommen aus dem BDA-Jurytext.
Seit
Bezug des Bestands war die Anzahl
der Mitarbeiter*innen stark
gestiegen und machte so eine
Erweiterung notwendig. Der Anbau
sollte neben Besprechungs- und
Sozialräumen 160 neue Arbeitsplätze
beherbergen und sich sowohl
funktional als auch architektonisch
an das bereits Vorhandene
anschließen. Die Erweiterung wurde
daher so konzipiert, dass der Anbau
sowohl in seiner äußeren als auch
inneren Gestalt weitestgehend dem
Bestand gleicht und keinen Bruch
zwischen Bestehendem und Zugefügtem
entsteht. Zugleich hat das Konzept
das Ziel, Mitarbeiter*innen und
Besucher*innen das Gefühl zu
vermitteln, sich in einem Haus „aus
einem Guss“ zu bewegen.
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Heinz Wendl und
Projektleiter Dominik Fahr vom Büro
Auer Weber |
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Die Erweiterung
des direkt am See gelegenen
Starnberger Landratsamts ehrt den
Bestand und schreibt ihn in
beeindruckender Weise fort. Es ist
nicht selbstverständlich, dass
Bestandsbauten erhalten und
weiterverwendet oder erweitert
werden – im Gegenteil werden
besonders Bauten der Siebziger- und
Achtzigerjahre skeptisch betrachtet,
was ihre Zukunftsfähigkeit angeht.
In Starnberg war dies von Anfang an
anders. Die Architekten Fritz Auer
und Carlo Weber nahmen 1982 am
Wettbewerb für das Landratsamt
Starnberg teil. Fritz Auer erinnert
sich, dass wesentliche Inspirationen
für die städtebauliche Organisation
von seiner Japanreise 1960 stammten,
bei der er sich die Katsura-Villa –
den kaiserlichen Nebenpalast – aus
dem 17. Jahrhundert in Kyoto
angeschaut hatte. Dessen horizontale
Verteilung der Baumassen und
Staffelung der Baukörper, die damit
ihr sehr großes Volumen geschickt
verbargen, die Zweigeschossigkeit
mit umlaufenden Veranden im
Obergeschoss, die Dachüberhänge und
die sanft geneigten Dächer schienen
ihm auch geeignete Mittel für das
Grundstück in Starnberg zu sein.
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Tatsächlich gewann der Entwurf und
wurde realisiert. Schon der
ursprüngliche Bau setzte in seiner
städtebaulichen Anordnung in Form
zweigeschossiger Pavillons mit
umlaufenden Fluchtbalkonen und einem
Wasserbecken sowie fingerartigen
Höfen auf eine enge Verzahnung mit
der Nachbarschaft. Die teils
flügel-, teils kammartige Struktur
der Erweiterung führt diese Idee
fort. Ein öffentlicher Fußweg leitet
durch den baumbestandenen Innenhof
mit einem weiteren Wasserbecken
hinunter zum Seeufer. Fast nebenbei
gelangt man dabei in das großzügige
Eingangsatrium, das über zierliche
Treppen und Galerien zu den Büros
führt. Sie sind nach außen
orientiert, aber auch zu den Gängen
hin stellen Glasbänder in den
Trennwänden große Transparenz her.
Die insgesamt drei Atrien haben
Oberlichtbänder; es entsteht eine
für Behörden überraschend
freundliche Atmosphäre. Dass »das
schönste Landratsamt Bayerns«, wie
der aktuelle Landrat es stolz nennt,
von seinen ursprünglichen
Architekten erweitert wurde, war
sicher wesentlich. Sie nahmen aber
nicht die 1987 noch intendierten
Flächen für künftige Erweiterungen
im Osten und Süden auf, sondern
entwickelten das modulare Konzept im
Westen weiter. Dort wurde additiv
die im Bestand vorgezeichnete Figur
aus Flügelbauten um eine Atriumhalle
verdoppelt.
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Gestalterisch gleichen
sich der Bestand und die
Erweiterungen weitgehend. Der
Übergang zwischen Alt und Neu ist
fließend, die Fassaden und Einbauten
sind neu, liegen aber teilweise noch
unter dem alten Dach. Außerdem
wurden manche gestalterischen
Entscheidungen von früher revidiert.
So ist das Holz der äußeren, neuen
Tragstützen nicht mehr natürlich
belassen, sondern in dem Grauton
lasiert, der der Patina der alten
Tragstützen entspricht. Im Vergleich
der Atrien ist die Interpretation
und Weiterentwicklung der damals
lässig verspielten Details hochspannend anzuschauen. Keine
Spiegelungen unter den Decken, keine
ulkigen Roste im Geländer an den
Ecken, keine rhetorischen
Glasdurchbrüche und keine mintgrünen
Farbakzente an den Geländern mehr.
Stattdessen herrscht eine
schnörkellosere und klarere
Architektursprache in den Details,
die die Feinheit der bestehenden
aufnimmt, aber professioneller und
damit weniger warmherzig erscheint.
Die Gebäudetechnik entspricht dem
aktuellen Standard, die den Neubau
zu einem CO2-neutralen
KfWEffizienzhaus 55 macht. Der Jury
hat besonders die Haltung der
Architekten imponiert, ihr eigenes
Werk zu reflektieren, neu zu
interpretieren und in zeitgemäßer
Sprache fortzuschreiben. Originaltext: Peter Cachola Schmal
Stimmen aus
der Jury
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DAM
Preis 2023 an Auer Weber,
Landratsamt Starnberg,
Außenansicht, Foto (c) Aldo
Amoretti |
»Die clusterartige Anordnung mit
intelligenten Grundrissen, die
Zeitlosigkeit und helle
Freundlichkeit des Gebäudes
sind besonders im Bereich des
Verwaltungsbaus eine Seltenheit.
Dass es die Architekten geschafft
haben, dies unter all den aktuellen
energetischen und
baulich-konstruktiven Anforderungen
im gleichen Duktus fortzuschreiben
und zu optimieren, ist (wiederholt)
preiswürdig.«
Brita Köhler
»Die eigene
Arbeit Korrektur zu lesen ist
schwierig. Wie gerne verschließt man
doch die Augen vor der eigenen
Unzulänglichkeit, hakt ab, geht
weiter. AUER WEBER haben sich der
Auseinandersetzung mit dem eigenen
Schaffen gestellt, genau hingeschaut
und weitergedacht. Genau das
brauchen wir heute: Architektur, die
das Gestern ernst nimmt, das Heute
versteht und deutlich über morgen
hinausdenkt.«
Uta Winterhager
»Das
Landratsamt Starnberg ist ein
wunderbares Beispiel für das so
kluge, aber dennoch so selten
praktizierte Prinzip des
Weiterbauens. Die Qualitäten des
Gebäudes haben sich bis heute
bewährt. Die Ergänzung hat trotz der
technischen Herausforderungen
unserer Tage nichts davon eingebüßt.
Die Nutzer lieben das Haus. Besseres
kann einem Gebäude nicht
widerfahren«
Martin Haas
»Es ist so
wohltuend, endlich ein gelungenes
Bauwerk zu finden, das von seinen
Nutzern geliebt und von seinen
Architekten nach über 30 Jahren
ˏeinfachˊ weitergebaut wird.«
Peter Cachola Schmal
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Transparent
gestalteter Erweiterungsbau
mit integrierter
Bauteilaktivierung: Lüftung,
Thermik, Heizung u.a.m.
nicht weit vom Starnberger
See. Vorbild für den
Architekten Fritz Auer
hierfür war im übrigen auch
die japanische Bauweise. |
»Um eine
Architektur der 1980er-Jahre in
Stil, Form und Materialität des
ursprünglichen Entwurfs
weiterzubauen, braucht es
Verständnis für die Qualitäten des
Bestands, Respekt vor dem Werk und
nur behutsame Anpassungen an heutige
Bedürfnisse. Alle drei Bedingungen
widersprechen eigentlich unserem auf
Fortschritt und Innovation
versessenen Zeitgeist. Dass die
Erweiterung des Starnberger
Landratsamtes gelungen ist, darf
daher als ein großer Glücksfall
gelten.«
Dijane Slavic/ Uwe Bresan
»Eine
Bauherrschaft, die nach mehr als 30
Jahren ihr Gebäude noch einmal fast
identisch erweitern lässt – gibt es
eine schönere Auszeichnung für alle
am Bau und Unterhalt Beteiligten?«
Florian Summa
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Wandtafel mit
Planzeichnungen |
»Das
Landratsamt entsorgt souverän die
triviale Unterscheidung von Alt- und
Neubau, die es so erst seit der
Moderne gibt. Das permanente
Weiterbauen, das dieses Projekt so
elegant beiläufig zelebriert, war in
der Baugeschichte Regel und nicht
Ausnahme. Das Gebäude seinem
ursprünglichen Entwurfsgedanken
entsprechend weiterzubauen ist ein
bauliches Plädoyer für die
prinzipielle Unabgeschlossenheit von
Architektur.«
Andreas Ruby
»Das Projekt beweist, dass flexible
Veränderungen und nötige Anpassungen
nicht charakterlose, ausdruckslose
Strukturen erfordern, sondern dass
es nur logisch ist, die Qualitäten
des Bestandes weiterzuführen. Eine
bewundernswerte Bescheidenheit.«
Lena Unger
»Mit der
Erweiterung des Landratsamts haben
sich AUER WEBER entspannt der
Erwartung entzogen etwas `Neues´
schaffen zu müssen und überzeugen
mit einem jahrzehntelang perfekt
gepflegten, instandgehaltenen und
weitergebauten Gesamtprojekt. Eine
ressourcenschonende und zeitgemäße
Architekturpraxis.«
Juliane Greb
»Das schönste
und heiterste Landratsamt der
Republik erweitern zu sollen, ist
eine mentale Herausforderung. Das
vorbildliche Gebäude von 1987 unter
heutigen Bedingungen (Energie,
Brandschutz, Inklusion) einfach
zureproduzieren aber auch eine
ingenieurtechnische. Verblüffend das
überzeugende Ergebnis, das erneut
zum Vorbild wird.«
Jörn Walter
Foto (c)
Kulturexpress