Seit 2016 ist Mike
Josef Planungsdezernent, 2021 hat er
auch das Sportdezernat übernommen.
Ob beim Erhalt bezahlbaren
Wohnraums, der Schaffung neuer
Quartiere oder der Entwicklung der
sportlichen Infrastruktur:
Klimakrise, der Krieg in der Ukraine
sowie gestiegene Bau- und
Energiekosten erschweren die Arbeit
des Stadtrates ungemein. Im
Interview mit Mirco Overländer
erläutert Josef, wie er die vor ihm
liegenden Herausforderungen
bewältigen will und welche Vorhaben
ihm besonders am Herzen liegen.
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Planungs- und
Sportdezernent Mike Josef,
Copyright: Stadt Frankfurt
am Main, Foto: Ben Kilb |
Herr Josef, seit knapp 1,5 Jahren
sind Sie nicht nur Planungs-,
sondern auch Sportdezernent. Ist
dieses zusätzliche Amt eine
willkommene Abwechslung vom
politischen Tagesgeschäft oder vor
allem eine tägliche Herausforderung
für Ihren ohnehin prall gefüllten
Terminkalender?
MIKE JOSEF: Sport war schon
immer meine Leidenschaft. Von daher
ist es mir eine große Freude, die
Entwicklung unserer Sportstadt von
der Breite in die Spitze aus
nächster Nähe zu begleiten. Wenn ich
an Veranstaltungen wie den Ball des
Sports in Wiesbaden denke, ist es
natürlich großartig, meine
Leidenschaft mit meiner Arbeit
verbinden zu dürfen. Ich habe im
vergangenen Jahr viele tolle
Menschen wie beispielsweise unsere
EM-Botschafterin Deborah Levi
kennenlernen dürfen. Sie ist
Bob-Olympiasiegerin, studiert
nebenher und engagiert sich auch
noch für die Sportstadt Frankfurt.
Ich finde es beeindruckend und
inspirierend, wie sie alles unter
einen Hut bekommt. Das Amt als
Sportdezernent ist eine gute
Ergänzung zu meiner Arbeit als
Planungsdezernent, da auch der Sport
sehr planungs- und flächenintensiv
sein kann, wie sich etwa an der
geplanten Multifunktionsarena zeigt.
Stadtplanung und der Erhalt
sportlicher Infrastruktur bedingen
einander. Wo setzen Sie hier Ihre
Prioritäten?
JOSEF: Wir brauchen die
Multifunktionsarena, nicht nur für
den Spitzen-, sondern auch für den
Breitensport. Einfach deshalb, weil
die Ballsporthalle nicht ausreicht,
um die Nachfrage adäquat zu
befriedigen. Der sportliche Erfolg
unserer Eintracht ist auch auf den
Stadionausbau von 2006
zurückzuführen. Ein ähnlicher Impuls
ging seinerzeit vom Neubau der
Ballsporthalle aus.
Für mich stellt sich also nicht die
Frage, ob und wo die
Multifunktionsarena gebaut wird,
sondern wann und durch wen. Die
Stadt braucht diese Halle und die
Vereine die daraus erwachsende
Perspektive. Das Areal rund um das
Stadion wird seit knapp 100 Jahren
für Sport genutzt. Das Stadionbad
wurde 1925 eingeweiht und ist ein
Beleg, wie nachhaltig solche
Investitionen sind. Ein Gutachten
hat ergeben, dass der Parkplatz P9
am Stadion, für den bereits
Planungsrecht besteht, optimal für
den Neubau geeignet ist. Auch die
verkehrliche Anbindung wäre machbar.
Der Schlüssel hierzu ist ein
intelligentes Mobilitätskonzept und
Verkehrsleitsystem.
Vom 14. Juni bis zum 14. Juli
2024 wird in Deutschland und auch in
Frankfurt die
Fußball-Europameisterschaft
ausgetragen. Ist die Stadt gut
gerüstet für die Austragung dieses
Großereignisses?
JOSEF: Natürlich, davon bin
ich fest überzeugt. Die Ausrichtung
der Fußballweltmeisterschaft 2006
sowie der Frauen-WM 2011 haben
gezeigt, dass wir solche Events
stemmen können. Das Gastspiel der
NFL (National Football League, Anm.
d. Red.) im November dieses Jahres
wird in gewisser Weise eine
Generalprobe, was die Infrastruktur
rund ums Stadion anbelangt.
Unser großer Vorteil ist, dass wir
bereits über eine exzellente
Infrastruktur verfügen, diese aber
noch weiter verbessern können. Denn
wir wollen eine nachhaltige und
sichere Europameisterschaft
ausrichten. Zu diesem Zweck wird
derzeit auch das Stadion ausgebaut.
Es entstehen unter anderem weitere
Plätze für Rollstuhlfahrer und es
werden rund um das Stadion Zisternen
angelegt, um das Regenwasser vor Ort
nutzen zu können. Was die
begleitenden Fan-Aktivitäten in
unserer Stadt angeht, haben wir mit
Thomas Feda und der Tourismus- und
Congress GmbH einen starken und
kompetenten Partner, dem es auch
gelingen wird, die hiesigen Vereine
einzubinden.
Welchen Mehrwert erhoffen Sie
sich als Sportdezernent von der
Ausrichtung solcher Events, zu denen
ja auch das NFL-Gastspiel zwischen
den Buccaneers und den Seahawks am
13. November zählen wird?
JOSEF: Die Verbindung von
Sport und Kultur sollte im
Allgemeinen viel stärker im Sinne
des Standortmarketings genutzt
werden. Das meine ich durchaus
selbstkritisch. Ein Vorbild hierfür
ist London. Die Stadt setzt sehr
stark auf Sportevents als
Marketingwerkzeug. Der britischen
Gastronomie und Wirtschaft bringt
ein NFL-Gastspiel Mehreinnahmen von
umgerechnet 20 bis 30 Millionen
Euro.
Es gibt aber noch einen weiteren
Aspekt, von dem ich selbst als
Jugendspieler des SSV Ulm profitiert
habe, der weniger mit den Events als
mit dem Vereinssport in der Breite
zu tun hat: Mir hat mal jemand
gesagt, jeder Euro, den wir in Sport
investieren, spart uns zwei Euro im
sozialen Bereich. Als ich im Verein
gespielt habe, gab es dort
Hausaufgabenhilfe, ich hatte
Ansprechpartner, denen ich auch
Privates anvertrauen konnte, und es
wurden Werte transportiert, die
meinen Charakter auch abseits des
Sportplatzes nachhaltig geprägt
haben.
Im vergangenen Jahr hat die
Eintracht den Europapokal geholt,
die Vize-Europameisterinnen der
Frauen-Nationalmannschaft wurden
ebenfalls im Römer empfangen. Was
war Ihr persönliches sportliches
Highlight im Jahr 2022?
JOSEF: Mein persönliches
Highlight war schon der
Europapokal-Gewinn der Eintracht –
einem Team, dem ich seit meiner
Kindheit die Daumen drücke. Was für
eine Leistung, Barcelona im eigenen
Stadion zu besiegen und dann im
Finale in der Hitze von Sevilla den
Pokal in die Höhe zu stemmen. Was
danach in der Stadt und auf dem
Römerberg los war: Das sind
unvergessliche Momente und Bilder,
von denen wir noch in Jahrzehnten
schwärmen werden. Abgesehen davon
freut es mich ungemein, dass im Jahr
2022 viele Großveranstaltungen wie
der Frankfurt Marathon oder Ironman
wieder stattfinden konnten. Ich habe
das Gefühl, dass das den Menschen
nach Corona sehr gut getan hat und
viele mit entsprechender
Begeisterung dabei waren.
Auch als Planungsdezernent stehen
Sie vor gewaltigen
Herausforderungen. Wie kann es
gelingen, trotz schwieriger
wirtschaftlicher Rahmenbedingungen
den privaten und öffentlichen
Wohnungsbau in Frankfurt weiter
anzukurbeln?
JOSEF: Der wirtschaftliche
Rahmen gestaltet sich aufgrund der
gestiegenen Zinsen natürlich
schwierig. Bei den Baukosten muss
man differenzieren, da gibt es zum
Teil sehr kurzfristige Preissprünge,
nach oben wie nach unten. Vor diesem
Hintergrund ist es gut, dass wir als
Stadtverwaltung beim Wohnungsbau
einiges in der Pipeline haben: Am
Römerhof, an der Sandelmühle, am
ehemaligen Avaya-Areal an der
Kleyerstraße und auf dem
Siemens-Gelände entstehen
zusammengenommen mehrere tausend
Wohnungen. Weitere Projekte sind
derzeit in Planung. Bei all diesen
Flächen handelt es sich um so
genannte Konversionsflächen, bei
denen neuer Wohnraum entsteht, ohne
Stadtgrün zu verlieren.
Gleichwohl werden wir nicht um
Nachverdichtungen, wie in der
Platensiedlung oder
Fritz-Kissel-Siedlung, herumkommen,
auch wenn ich weiß, dass das für die
Anwohnerinnen und Anwohner zunächst
belastend sein kann. Perspektivisch
werden wir schauen müssen, welche
Flächen dann noch verfügbar sind.
Zunächst hoffe ich aber, dass wir
mit dem neuen Stadtteil im
Nordwesten auf einem guten Weg sind.
In der heutigen Zeit – und
angesichts der geschilderten
Umstände – ist der Bau von
Einfamilienhäusern nicht mehr
vertretbar, zu viel Fläche wird für
zu wenig Wohnungen verbraucht.
Besonders freue ich mich über die
ersten Häuser, die in Frankfurt in
Holzbauweise entstehen.
War 2022 aus planungspolitischer
Sicht ein gutes oder ein
außergewöhnlich herausforderndes
Jahr?
JOSEF: Planungspolitisch gibt es in
diesen Zeiten viele
Herausforderungen: Durch den
Klimawandel und nicht zuletzt durch
den Krieg in der Ukraine hat sich
die Weltwirtschaft komplett
verändert. Nicht nur Frankfurt,
sondern alle Städte bekommen die
Folgen zu spüren. Ein gutes Beispiel
für das, was auch im Hinblick auf
eine gute Klimabilanz möglich ist,
sind die Ernst-May-Siedlungen, die
bald 100 Jahre alt sind und noch
immer über eine gute Substanz
verfügen. Wenn wir wieder so bauen,
sparen wir Unsummen an sogenannter
Grauer Energie, also der Energie
beim Hausbau, die für Herstellung,
Transport, Lagerung, Verkauf und
Entsorgung von Materialien benötigt
wird. Für mich gehört daher die
Lebensdauer eines Gebäudes zu den
zentralen Kriterien. Dies sollte
sich auch in den Förderrichtlinien
niederschlagen. Wichtig war mir im
vergangenen Jahr zudem, dass wir den
geförderten Wohnungsbau auf über 100
Millionen Euro verdoppeln konnten.
Dafür bin ich meinen Kolleginnen und
Kollegen im Magistrat überaus
dankbar.
Dennoch mangelt es stadtweit
gerade an bezahlbarem Wohnraum. Was
unternehmen Sie dagegen?
JOSEF: Mit der ABG Frankfurt
Holding haben wir vereinbart, dass
jede vierte Wohnung, die frei wird,
wieder der Sozialbindung zugeführt
wird. Das ist nötig, denn vom Jahr
1990 bis jetzt ist die Zahl der
geförderten Wohnungen von 70.000 auf
30.000 gesunken. Wir brauchen daher
eine längere Bindungsdauer, um
bezahlbaren Wohnraum zu erhalten. Er
ist ein wichtiger Teil der
öffentlichen Daseinsvorsorge. Ich
glaube, dass wir angesichts dieser
schwierigen Situation gute Arbeit
geleistet haben. So ist es uns
beispielsweise gelungen, durch die
neue Ferienwohnungssatzung 200
Wohnungen aus der illegalen Nutzung
zurückzuholen.
Außerdem hat die Stadt erstmals
Gebrauch von Paragraph 6 des
Wirtschaftsstrafgesetzes gemacht, um
Mieterinnen und Mieter zu schützen.
Denn dieser Paragraph regelt die
Ordnungswidrigkeit, wenn bauliche
Veränderungen nur dann durchgeführt
werden, um Mieterinnen und Mieter zu
verdrängen.
Spüren Sie, dass das Interesse
der Investoren, neuen Wohnraum zu
errichten, angesichts rasant
gestiegener Baukosten nachgelassen
hat?
JOSEF: Seit ich 2016
Planungsdezernent wurde, hieß es
jedes Jahr, dass der Boom bald
vorbei sei. Was wir jetzt
beobachten: Jene Projekte, die
bereits begonnen wurden, werden
fertiggestellt. Da ist es gut, dass
wir noch einiges auf Halde haben.
Natürlich beeinflussen die
derzeitigen Lieferengpässe und hohen
Zinsen den Immobilienmarkt. Die
Rechnung, teuer zu bauen und noch
teurer zu verkaufen, geht oftmals
nicht mehr auf. Perspektivisch wird
Frankfurt immer ein äußerst
attraktiver Standort bleiben, auch
wenn das Wachstum langsamer
verlaufen wird.
Auch die Situation vieler Mieter
ist trotz der Gaspreisbremse des
Bundes prekär. Welche Möglichkeiten
hat die Stadt, Geringverdienern
finanziell unter die Arme zu
greifen?
JOSEF: Für Vereine und
private Haushalte muss diese Stadt
bezahlbar bleiben. Bei der aktuellen
Diskussion um die Energiepreise ist
zu hoffen, dass eine gewisse
Planbarkeit eintritt. Viele
Haushalte lassen derzeit ihre Raten
stunden. Auch Kultur- und
Sportvereine haben während der
Corona-Pandemie Mitglieder und damit
Einnahmen verloren. Sie müssen aber
ihr Programm aufrechterhalten und
auch entsprechend heizen. Ich habe
daher vorgeschlagen, für all jene,
die unverschuldet ihre Energiekosten
nicht mehr bezahlen können, einen
Energiehilfe-Fonds zu schaffen. Wir
müssen den für diese Stadt
einzigartigen gesellschaftlichen Mix
erhalten. Niemandem ist damit
gedient, wenn Erzieherinnen oder
Busfahrer sich ein Leben in dieser
Stadt nicht mehr leisten können und
ins weiter entfernte Umland ziehen
müssen – und schlussendlich nicht
mehr hier arbeiten.
Welche Vorhaben stehen als
Planungs- und Sportdezernent in
diesem Jahr ganz oben auf Ihrer
Agenda?
JOSEF: Mir würde es reichen,
wenn wir jene Infrastrukturprojekte,
über die wir seit zehn Jahren reden,
endlich durchführen. Ansonsten gilt
es, unsere Agenda sachorientiert
umzusetzen. Die Aufgaben liegen auf
der Hand. Für mich ist das auch eine
persönliche Motivation: Ich will mir
nicht vorwerfen lassen, dass ich
nicht alles im Rahmen meiner
Möglichkeiten unternommen habe, um
Mieterinnen und Mieter zu schützen
und Vereine zu fördern.
Meldung: Presseinfo
der Stadt Frankfurt am Main (pia)