Im
Rahmen des GFB-Zukunftspreises wurde
das Projekt „Gut leben in großen
Siedlungen“ vom Forschungslabor
Nachkriegsmoderne der Frankfurt
University of Applied Sciences
mit einem Preisgeld
in Höhe von 20.000 Euro prämiert.
Staatssekretär Jens Deutschendorf
überreichte die Preisurkunde am 19.
Dezember 2022 im Landeshaus in
Wiesbaden an das Forschungsteam. Der
Große
Frankfurter Bogen (GFB) ist ein
Programm des Landes Hessen, das den
Wohnungs- und Städtebau im
Ballungsraum Frankfurt Rhein-Main
fördert. Der GFB-Zukunftspreis
unterstützt Projekte in oder für
GFB-Partnerkommunen, die einen
Impuls für den Wohnungs- und
Städtebau geben.
|
 |
|
Staatssekretär Jens
Deutschendorf überreicht die
Urkunde des
GFB-Zukunftspreises an Prof.
Dr. Natalie Heger, Mitte,
und Ruth Schlögl
Foto (c)
Annika List Fotografie |
Prof. Dr. Maren Harnack, Prof. Dr.
Natalie Heger und Ruth Schlögl vom
Forschungslabor Nachkriegsmoderne
des Frankfurter Forschungsinstituts
FFin widmen sich in ihrem prämierten
Projekt dem Thema Lebensqualität in
Großwohnsiedlungen. Im Zentrum steht
das Thema „Zusammenleben und
Nachbarschaft“ und die Frage, wie
man bezahlbaren Wohnraum in den
Quartieren der Nachkriegsmoderne
erhalten und zugleich lebenswert und
nachhaltig gestalten kann. Das
Projekt startet im März 2023 und
läuft ein Jahr.
„Lebensqualität ist ein
vielschichtiges Thema, mit dem sich
unterschiedliche Disziplinen
befassen. Im Kontext der
Quartiersentwicklung von
Großwohnsiedlungen wurden
Lebensqualitätskonzepte bisher
jedoch selten betrachtet. Insofern
verfolgt unser Forschungsprojekt
einen neuen Ansatz“, erläutert
Prof. Dr. Maren Harnack,
Professorin für Städtebau und
Entwerfen und Sprecherin des
Forschungslabors Nachkriegsmoderne.
Gemeinsam mit Bewohnerinnen und
Bewohnern untersucht das
Forschungsteam die Lebensqualität in
Wohnquartieren und formuliert
messbare Schlüsselkriterien. Die
Leitfrage lautet: Wie können Daten
und Informationen zu einem Quartier
erfasst, zusammengeführt und
visualisiert und bewertet werden, um
eine Grundlage für die weitere
Quartiersentwicklung zu bilden?
Das Projekt „Gut leben in großen
Siedlungen“ basiert auf einer
Kooperation zwischen dem
Forschungslabor Nachkriegsmoderne
und der Wohnungsgesellschaft GWH, in
deren Rahmen beispielhaft an einer
Siedlung in Kassel der
Wohnqualitätsindex gemessen wurde.1
Die dafür entwickelte
Bewertungsmatrix soll im Rahmen
eines Lehr- und Forschungsprojekts
der Frankfurt UAS an den beiden
Frankfurter Großwohnsiedlungen
Henri-Dunant-Siedlung und
Ben-Gurion-Ring qualifiziert werden,
um sie für die Praxis nutzbar zu
machen. Die Beispielsiedlungen
wurden ausgewählt, da es für sie aus
dem Vorgängerprojekt bereits
umfangreiche Datengrundlagen gibt,
auf die man nun zurückgreifen kann.
Wichtige Merkmale, die einen Wohnort
lebenswert machen, wurden in elf
übergeordneten Kategorien
(beispielsweise Gestaltung,
Freiräume, Service, Gebäudezustand,
Mobilität) eingeordnet; jeder der
elf Kategorien sind insgesamt 39
Indikatoren (beispielsweise
Barrierefreiheit, ÖPNV-Anbindung,
Schulen, aber auch Sauberkeit,
Nachbarschaft, Aufenthaltsqualität)
zugeordnet. Alle Bewertungskriterien
zusammen ergeben den
Wohnqualitätsindex. Er macht
ablesbar, wo die Stärken eines
Quartiers liegen und eine gute
Weiterentwicklung ansetzen könnte –
und wo Defizite vorhanden sind und
Handlungsbedarf besteht.
„Die Teilhabe der Bewohner/-innen
vor Ort ist eine wesentliche
Voraussetzung zur Ermittlung des
Wohnqualitätsindex‘“, so Ruth
Schlögl, administrative
Geschäftsführerin des FFin.
Studierende und Forschende der
Frankfurt UAS befragen im Laufe des
Projekts die Bewohner/-innen und
erstellen anschließend in den
genannten Siedlungen eine
partizipative Quartierskarte. „So
werden die Menschen, die dort leben,
zu Gestaltenden ihrer
Quartiersentwicklung“, so Schlögl.
Das vorliegende Projekt leistet
somit nicht nur einen wichtigen
Beitrag zur nachhaltigen
Stadtentwicklung, sondern auch zur
Aktivierung lokaler Gemeinschaften
und der Festigung des
bürgerschaftlichen
Selbstverständnisses.
Über die Hälfte aller Mietwohnungen
in Deutschland liegen in
Mehrfamilienhäusern, die von 1949
bis 1978 gebaut wurden. Sie prägen
das Wohnen bis heute. Kommunen und
Wohnungsbaugesellschaften als
Bestandshalter stehen vor der
Herausforderung, diese Bestände für
die großen Zukunftshemen zu
qualifizieren: demografischer
Wandel, Klimaschutz, sozialer
Zusammenhalt und Digitalisierung.
„Großwohnsiedlungen sind zudem in
den angespannten Wohnungsmärkten
prosperierender Regionen oft die
letzten Nischen mit bezahlbarem
Wohnraum für einkommensschwächere
Bevölkerungsgruppen“, so Prof.
Dr. Natalie Heger, Professorin
für Städtebau und Entwerfen.
„Das Projekt ist angesichts der
großen Zahl von Siedlungen der
Nachkriegsmoderne in der gesamten
Rhein-Main-Region in Methodik und
Vorgehen direkt auf andere
Siedlungen übertragbar“, so Heger.
Alle während dieses Lehr- und
Forschungsprojekts gewonnenen
Erkenntnisse fließen unmittelbar in
die Verbesserung zukünftiger
Projekte und Erhebungen mit ein.
Ähnliche Quartiere mit ähnlichen
Problemlagen wie die beiden
ausgewählten gibt es in vielen
Kommunen, beispielsweise
Rüsselsheim, Neu-Isenburg, Hanau
oder Wiesbaden.
Forschungslabor Nachkriegsmoderne
Das Forschungslabor
Nachkriegsmoderne, Re-Working
Mass Housing, an der Frankfurt
University of Applied Sciences
versteht die Wohnsiedlungen der
Jahre 1945 bis 1975 als eine
wichtige kulturelle, soziale,
wirtschaftliche, architektonische
und städtebauliche Ressource. Auf
dieser Grundlage entwickelt das
Forschungslabor die besten
Strategien für deren Anpassung an
heutige Bedürfnisse und
Anforderungen (energetische
Sanierung, Barrierefreiheit, soziale
und Versorgungsinfrastruktur). Durch
den hohen Nachverdichtungsdruck
gewinnt eine umfassende
Beschäftigung mit diesen Beständen
derzeit zusätzlich an Dringlichkeit.
Kooperationspartner sind der
Regionalverband FrankfurtRheinMain,
das Landesamt für Denkmalpflege
Hessen, der Deutsche Werkbund Hessen
e.V., die Stadt Frankfurt am Main
(Dezernat IV Planung und Wohnen
sowie Denkmalamt) und die
Nassauischen Heimstätten.
www.frankfurt-university.de/Nachkriegsmoderne
www.frankfurt-university.de/ffin
1 Harnack, Heger, Schlögl:
Lebensqualität in
Großwohnsiedlungen. Frankfurt
University of Applied Sciences,
2022, PDF des Berichts zum Download:
https://www.frankfurt-university.de/nachkriegsmoderne/
Meldung:
Kommunikation Frankfurt University
of Applied Sciences, Frankfurt am
Main