Die Übergangszone
zwischen oberem und unterem
Erdmantel enthält erhebliche Mengen
Wasser. Dies hat eine internationale
Studie ergeben, an der das Institut
für Geowissenschaften der
Goethe-Universität Frankfurt
beteiligt war. Das
deutsch-italienisch-amerikanische
Forschungsteam hatte einen seltenen
Diamanten aus 660 Metern Tiefe
mithilfe unter anderem von
Raman-Spektroskopie und
FTIR-Spektrometrie analysiert. Die
Studie zeigt, was bisher lange Zeit
nur vermutet wurde: Ozeanwasser
gelangt zusammen mit abtauchenden
Platten bis in die Übergangszone.
Der Wasserkreislauf unseres Planeten
bezieht also auch das Erdinnere mit
ein.
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Der Diamant
aus Botswana verriet den
Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlern, dass in
mehr als 600 Kilometern
Tiefe erhebliche Mengen an
Wasser im Gestein
gespeichert sind. Foto:
Tingting Gu, Gemological
Institute of America,
New
York, NY, USA |
Übergangszone (transition zone, TZ)
heißt die Grenzschicht, die den
oberen und den unteren Erdmantel
voneinander trennt. Sie liegt
zwischen 410 und 660 Kilometern
Tiefe. Hier herrscht ein immenser
Druck von bis zu 23.000 bar, unter
dem das olivgrüne Mineral Olivin,
das rund 70 Prozent des oberen
Erdmantels ausmacht und auch Peridot
genannt wird, seine Kristallstruktur
ändert: Am Beginn der Übergangszone
in rund 410 Kilometern Tiefe wandelt
es sich zum dichter gepackten
Wadsleyit; in 520 Kilometern Tiefe
dann in eine noch dichter gepackte
Struktur, den Ringwoodit, um.
“Durch diese Mineralumwandlungen
werden die Bewegungen der Gesteine
im Erdmantel massiv behindert”,
erklärt Prof. Frank Brenker vom
Institut für Geowissenschaften der
Goethe-Universität Frankfurt. Zum
Beispiel bleiben die Mantel-Plumes –
aufsteigende Ströme heißer
Gesteinsmassen aus dem tiefen
Erdmantel – manchmal an der
Unterseite der Übergangszone hängen.
Und auch die Massebewegung in die
umgekehrte Richtung wird gestoppt.
Brenker: „Abtauchende Platten haben
oft Schwierigkeiten, die
Übergangszone komplett zu
durchdringen. So kommt es, dass
unter Europa ein ganzer Friedhof
solcher Platten in dieser Zone
herumliegt.“
Bisher war jedoch nicht bekannt,
welchen langfristigen Effekt das
“Einsaugen” von Material in die
Übergangszone auf ihre geochemische
Zusammensetzung hat und ob es dort
größere Wasservorkommen gibt.
Brenker erklärt: “Mit den
abtauchenden Platten werden auch
Tiefseesedimente huckepack mit ins
Erdinnere transportiert. Diese
Sedimente können große Mengen Wasser
und CO2 speichern. Wie viel davon
aber in Form von stabileren,
wasserhaltigen Mineralen und
Karbonaten die Übergangszone
erreicht, war bisher unklar. Und
damit auch, ob dort tatsächlich
große Mengen an Wasser gespeichert
sind.”
Die Voraussetzungen dafür sind
jedenfalls gut. Die dicht gepackten
Minerale Wadsleyit und Ringwoodit
können – ganz anders als das darüber
existierende Olivin - große
Wassermengen speichern - so große,
dass die Übergangszone theoretisch
das Sechsfache der Wassermenge
unserer Ozeane aufzunehmen in der
Lage wäre. “Wir wussten also, dass
die Grenzschicht enorme
Wasserspeicherkapazität hat“, meint
Brenker. „Wir wussten aber nicht, ob
sie auch tatsächlich Wasser
speichert.”
Eine internationale Studie, an der
der Frankfurter Geowissenschaftler
beteiligt war, hat nun die Antwort
geliefert. Das Forschungsteam
analysierte einen Diamanten aus dem
afrikanischen Botswana. Er ist in
660 Kilometern Tiefe entstanden,
direkt im Kontaktbereich der
Übergangszone mit dem unteren
Erdmantel, wo Ringwoodit das
typische Mineral ist. Diamanten aus
dieser Region sind sehr selten,
selbst bei den ohnehin schon
seltenen Diamanten supertiefen
Ursprungs, die nur ein Prozent der
Diamanten ausmachen. Die Analysen
ergaben, dass der Stein zahlreiche
Ringwoodit-Einschlüsse hat – und
diese einen hohen Wassergehalt
aufweisen. Zudem konnte die
Forschergruppe die chemische
Zusammensetzung des Steins
ermitteln. Diese entspricht ziemlich
genau der Zusammensetzung fast jeder
Erdmantelknolle, die sich weltweit
in Basalten finden lässt. Damit
steht fest, dass der Diamant aus
einem normalen Stück Erdmantel
stammt. “Wir haben mit dieser Studie
nachgewiesen, dass die Übergangszone
kein trockener Schwamm ist, sondern
erhebliche Mengen Wasser speichert”,
sagt Brenker. “Damit kommen wir auch
der Idee von Jules Verne wieder
einen Schritt näher, der bekanntlich
einen Ozean im Erdinnern
postulierte.” Der Unterschied zu
Vernes Verstellungen besteht aber
darin, dass sich dort unten kein
Meer, sondern wasserhaltiges Gestein
befindet, welches sich laut Brenker
nicht feucht anfühlen würde und auch
nicht tropft.
Schon 2014 war wasserhaltiges
Ringwoodit in einem Diamanten aus
der Übergangszone erstmals
nachgewiesen worden, Brenker hatte
an der Studie mitgewirkt. Die genaue
chemische Zusammensetzung des Steins
ließ sich damals jedoch nicht
messen, weil er zu klein war. Daher
blieb unklar, wie repräsentativ die
erste Studie für den
durchschnittlichen Erdmantel ist, da
der Wassergehalt des damaligen
Diamanten auch aus einem chemisch
exotischen Umfeld hätte resultieren
können. Die Einschlüsse in dem 1,5
Zentimeter großen Diamanten aus
Botswana, den das Forschungsteam in
der aktuellen Studie untersucht hat,
waren dagegen groß genug, um auch
die chemische Zusammensetzung exakt
zu messen. So ließen sich die
vorläufigen Ergebnisse von 2014
endgültig bestätigen.
Der hohe Wassergehalt der
Übergangszone verändert die
dynamische Situation in der Erde,
denn der Erdmantel darüber und
darunter kann nicht annähernd so
viel Wasser aufnehmen. Wozu das
führt, zeigt sich zum Beispiel an
von unten kommenden heißen Mantle
Plumes, die unterhalb der
Übergangszone hängenbleiben. Dort
heizen diese die wasserreiche
Übergangszone auf, was wiederum zur
Folge hat, dass sich dort dann neue
kleinere Mantle Plumes
bilden.Wandern diese kleineren
wasserhaltigen Mantle Plumes nun
weiter nach oben und durchbrechen
die Grenze zum oberen Erdmantel,
passiert Folgendes: Das in den
Mantle Plumes enthaltene Wasser wird
freigesetzt, wodurch der
Schmelzpunkt des aufstrebenden
Materials sinkt. Es schmilzt also
sofort und nicht erst kurz bevor es
die Oberfläche erreicht, so wie es
sonst passiert In Folge sind die
Gesteinsmassen in diesem Teil des
Erdmantels insgesamt nicht mehr so
zäh, was den Massebewegungen mehr
Dynamik verleiht. Die Übergangszone,
sonst eigentlich eine Barriere für
die Dynamik, wird plötzlich zum
Antrieb im globalen Stoffkreislauf.
Publikation: Tingting Gu, Martha G.
Pamato, Davide Novella, Matteo
Alvaro, John Fournelle, Frank E.
Brenker, Wuyi Wang, Fabrizio Nestola:
Hydrous peridotitic fragments of
Earth’s mantle 660 km discontinuity
sampled by a diamond. Nature Geoscience (https://www.nature.com/articles/s41561-022-01024-y)
Meldung:
Goethe-Universität, Frankfurt