Warum das Münchner
Office-Projekt „DER bogen“ als
Betongebäude nachhaltig und
zukunftsweisend ist.
Klimaschutz, neue
Sicherheitsanforderungen, Trend zum
Homeoffice: Architektur muss heute
mehr können, als eine schicke Optik
für Gebäude zu entwerfen – ob im
Wohn- oder im Gewerbebau. Für das in
München und Berlin ansässige
Architekturbüro HENN sind solche
neuen gesellschaftlichen
Entwicklungen stets ein willkommener
Anstoß zum Neudenken der eigenen
Arbeit. Schließlich hat sich das
1947 von Walter Henn in Dresden
gegründete Unternehmen nur so zu
einem der heute bedeutendsten
Architekturbüros in ganz Deutschland
entwickeln können. Doch wie läuft
ein solcher Umdenkprozess ab? Wo
muss Architektur ansetzen, um
umweltfreundlich zu sein? Und warum
wird der neue Office-Campus „DER
bogen“ in München ein nachhaltiger
Businesskomplex, obwohl er aus Beton
statt Holz gebaut wird? Antworten
darauf gibt Fredrik Werner, Partner
bei HENN, im Interview.
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Auf dem Foto Fredrik
Werner
Foto (c) HENN |
Herr Werner, die New York Times
hat Ende 2021 ein Interview mit
Martin Henn veröffentlicht, der das
Architekturbüro HENN in der dritten
Generation mit einem Team von 20
Partnern führt. Der Fokus des
Gespräches liegt auf einem neuen
Vokabular in der Architektur, das er
in das Unternehmen eingeführt hat:
Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft,
organisches Denken. Seit wann agiert
HENN verstärkt nach diesem Credo und
inwieweit muss die tägliche Arbeit
in Ihrem Büro neu gedacht werden, um
Gebäude zu entwerfen, die der Umwelt
zugutekommen, statt sie zu belasten?
Seit mehr als 30 Jahren beginnt
jedes unserer Projekte mit einem
Programming. Die Sinnhaftigkeit
einer Bauaufgabe wird dabei jedes
Mal hinterfragt und intensiv mit dem
Bauherrn diskutiert. So wird
gemeinsam ein maximaler Gegenwert
für zukünftige Nutzer geschaffen.
Denn nur wenn ein Gebäude einen
langfristigen Nutzen hat und
gleichzeitig von Nutzern und
Nachbarn akzeptiert wird, erfüllen
wir eine wichtige Komponente der
Nachhaltigkeit.
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Der
nachhaltige Münchner
Business-Campus „DER bogen"
entsteht auf dem
südwestlichen ehemaligen
Grundstücksteil der
Firmenzentrale des
Sicherheitskonzerns
Giesecke+Devrient im
Stadtteil Bogenhausen
Foto © DER
bogen GmbH & Co. KG
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In den vergangenen zehn Jahren aber
hat die ökologische Dimension extrem
an Bedeutung gewonnen. Das begleitet
uns über alle Planungs- und
Realisierungsphasen eines Projektes.
Ein Gebäude im Sinne unserer Umwelt
und der Zukunft unserer Kinder zu
entwerfen und zu realisieren bedarf
einer holistischen Denkweise, die
sehr viele Komponenten in sich
vereinen muss. Dazu zählen die Art
der Konstruktion und der Nutzung,
der Ort, an dem ein Gebäude steht,
die Akzeptanz der Nutzer und
Nachbarn, die Wahl der
Energieversorgung oder die Fähigkeit
zum späteren Recycling. Der Erfolg
liegt immer im Dialog aller
Beteiligten. Es geht darum,
bleibende Werte zu schaffen.
Ist ein solcher Aufbruch- und
Umdenkprozess in einem Büro mit über
350 Architekten und Ingenieuren aus
mehr als 40 Nationen immer
ausschließlich mit Euphorie
verbunden?
Euphorie und Begeisterung sind die
Grundvoraussetzungen für
zukunftsorientiertes Arbeiten sowie
die Weiterentwicklung von
Technologien und natürlich auch die
von Gebäuden. Vor allem aber ist es
ein intensiver Lernprozess, der uns
antreibt und motiviert. Wir müssen
unser Wissen an vielen Stellen immer
wieder vertiefen. Technologien, auch
die in der Baubranche, verändern
sich rasant. Man kann also nur am
Ball bleiben, wenn man von Neugier
und Wissensdurst getrieben ist.
Deshalb bieten wir unseren
Mitarbeiter*innen unter anderem im
Rahmen der HENN-Akademie regelmäßige
interne Weiterbildungsseminare an,
in denen ein Fachgebiet oder ein
neues Thema von einem Experten
vorgestellt wird. Der
innerbetriebliche Dialog ist im
Sinne einer kollektiven Intelligenz
von 350 Kolleg*innen ein wertvolles
Kapital.
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„DER bogen"
bietet auf einer Fläche von
circa 42.000 Quadratmetern
Platz für rund 2.000 moderne
Arbeitsplätze sowie für
Gewerbeflächen für
Einzelhandel, Gastronomie
und Freizeitangebote, Foto ©
DER bogen GmbH & Co. KG
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Laut dem NABU – Naturschutzbund
Deutschland e. V. sind die
CO2-Emissionen aus Bau und Nutzung
von Gebäuden allein hierzulande für
etwa 30 Prozent der Emissionen
verantwortlich. Wo setzen Sie als
Architekten an, um diese gewaltige
Zahl zu reduzieren?
Zunächst sollte man sich als Bauherr
und als Architekt die Frage stellen,
ob immer ein Neubau notwendig ist
oder ob man ganz oder teilweise mit
bestehenden Strukturen arbeiten
kann. Denn im Altbestand ist ein
immenser Teil an CO2 gebunden.
Darüber hinaus sollte bei
Projektplanungen stets die Reduktion
von Bodenversiegelungen und damit
der flächenschonende Umgang mit
Bauland diskutiert werden. In
besonders dichten Gebieten können
außerdem Hochhäuser eine nachhaltige
Antwort sein.
Die Wahl der Materialität für
Konstruktion, Ausbau und Fassade ist
ebenfalls ein wesentliches Thema für
uns als Architekten. Denn
hochwertige, dauerhaft beständige
Materialien, die – langfristig
betrachtet – wiederverwertet werden
können, sind ein wichtiges
Kriterium. Auch über die Verwendung
von recycelten Baustoffen denken wir
zunehmend nach. Zumal diese eine
ganz eigene und überraschende
Ästhetik haben können.
Eines Ihrer aktuellen Projekte in
München ist der Business-Campus „DER
bogen“. Er entsteht auf dem
südwestlichen ehemaligen
Grundstücksteil der Firmenzentrale
des Sicherheitskonzerns
Giesecke+Devrient im Stadtteil
Bogenhausen. Auf 43.000 Quadratmeter
Mietfläche wird er Platz für etwa
2.000 Arbeitsplätze bieten und soll
vorzugsweise an etablierte
Unternehmen und Start-ups aus den
Bereichen
Hochsicherheitstechnologie,
Digitalisierung und Automatisierung
vermietet werden. Ganz im Sinne der
Denkweise von HENN wird der Bauherr
den Komplex als
Niedrigenergiegebäude unter
Verwendung nachhaltiger
Baumaterialien errichten. Die
Vorzertifizierung in DGNB Gold hat
„DER bogen“ bereits erhalten.
Allerdings wird das Gebäude aus
klassischen Baumaterialien wie Beton
und Stahl gebaut. Viele
Architekturbüros und Bauherrn setzen
aber verstärkt auf den Bau von Holz-
oder Holzhybridgebäuden. Wieso haben
Sie in ihren Entwürfen keinen
Holzhybriden vorgeschlagen?
Holzhybrid- und auch Mischlösungen
wurden in den frühen Planungsphasen
untersucht. Aufgrund der besonderen
Geometrie des Gebäudes mit seinen
vielen Rundungen und komplexen
Verschneidungen haben wir uns
gemeinsam mit dem Bauherrn dazu
entschieden, den Bau in Beton zu
realisieren. Der Fokus wurde auf ein
wirtschaftliches Gebäuderaster
gelegt, Deckenstärken und
Stützenquerschnitte konnten so auf
ein Optimum reduziert werden.
Diese Robustheit des „bogens“ setzt
auf eine sehr langfristige Nutzung
und dadurch auf einen nachhaltigen
Lebenszyklus. Außerdem profitiert
das Gebäude im Gegensatz zu einer
Holzkonstruktion von den thermischen
Speichermassen der Betonbauweise.
Warum ist „DER bogen“ dennoch ein
nachhaltiges Gebäude – und damit
auch für Mieter spannend, die ihre
Unternehmen nach den ESG-Richtlinien
ausrichten. Mieter also, die nicht
nur auf die extrem großzügigen
Flächen von bis zu 6.000
Quadratmeter pro Etage, die optische
Schönheit der markanten Fassade und
die materiell hochwertige Gestaltung
von Foyers, Büros, Gastronomie oder
Fitnessstudio schätzen?
Das Gebäude ist als integrativer
Stadtbaustein konzipiert. Es wird
also nicht nur für die künftigen
Mieter errichtet. Vielmehr bietet er
auch der Nachbarschaft ein Angebot
an Einzelhandel, gastronomischen
Einrichtungen und Freizeitangeboten
– auch außerhalb der Bürozeiten und
sogar am Wochenende. Der Neubau fügt
sich damit subtil und angemessen in
seine Umgebung ein. Dadurch hat er
etwas Selbstverständliches und wird
so auf lange Sicht nachhaltig.
Ob der bewusste Einkauf von
Lebensmitteln oder die Entscheidung
für Öko- statt herkömmlich erzeugten
Strom: Nachhaltiges Handeln ist
schon im Alltag von uns allen oft
mit höheren Kosten verbunden. Wie
schlägt sich umweltbewusstes
Architektur-Denken in den Baukosten
nieder – und wo bietet es eventuell
sogar Sparpotenziale?
Nachhaltiges Bauen heißt nicht
unbedingt, teurer zu bauen. Es ist
immer der ganzheitliche, holistische
Ansatz, der aus unserer Sicht nicht
nur eine Antwort auf ESG, sondern im
speziellen auch auf ökologische
Nachhaltigkeit gibt. Dazu ist ein
intensiver Dialog mit vielen
Steakholdern des Bauherrn bis hin zu
den einzelnen Fachgewerken
erforderlich. Eine unserer
wesentlichen Aufgaben ist es, alle
Beteiligten zusammenzubringen und
dadurch das Baubudget an den
richtigen Stellen sinnvoll
einzusetzen.
Natürlich müssen wir uns auch immer
wieder mit neuen Technologien und
Materialien auseinandersetzen, um
die Kosten belastbar evaluieren zu
können. Dazu zählen beispielsweise
Technologien für die
Holzhybridbauweise oder modulare
Baukastensysteme und recycelbare
Baustoffe. Wir arbeiten
beispielweise gerade an einem
Projekt mit der TU Dresden, in dem
es um die Entwicklung und den
konstruktiven Einsatz von
Carbon-Beton geht.
Neben dem Klimaschutz, der mit
dem Start der
Fridays-for-Future-Bewegung 2018
weltweit an Bedeutung gewonnen hat,
spielt seit Beginn der
Corona-Pandemie ein weiteres Thema
in der Gesellschaft eine zunehmend
starke Rolle: Die Büro-Arbeit der
Zukunft. Inwieweit hat das Tauziehen
um die Rückkehr der Mitarbeiter aus
dem Homeoffice in die Büros die
architektonische Planung für „DER
bogen“ beeinflusst?
Es wird künftig darum gehen, mehr
als nur gewöhnliche Büroflächen zur
Verfügung zu stellen. Vielmehr
müssen zusätzliche Angebote wie
Gastronomie, Handel,
Sportmöglichkeiten, Dachterrassen
oder attraktive Außenräume in
Bürogebäuden geschaffen werden.
Die Zukunft der Arbeit wird
sicherlich hybrid sein. Das heißt,
Mitarbeiter werden einige Tage zu
Hause arbeiten, die restlichen im
Büro verbringen. Der Wunsch,
Kolleginnen und Kollegen zu treffen
und sich physisch auszutauschen, ist
nicht nur in kreativen Berufen
spürbar. Für diese neue Art der
Meeting-Hubs müssen wir die Büros
künftig anders konzipieren. Denn
Mitarbeiter wollen manche Aufgaben
auf Co-Creation-Flächen gemeinsam
schaffen. Konzentrierte Arbeiten
aber wollen sie in Rückzugszonen im
Büro oder im Homeoffice erledigen.
All diese Themen kann „DER bogen“
durch seine robuste und flexible
Struktur abbilden, obwohl wir zum
Zeitpunkt der Konzeptphase alle
nicht wussten, wie man Corona
schreibt.
Zwei abschließende Fragen zu
Ihren Standorten: Wie nachhaltig ist
HENN in den eigenen Büros und
inwiefern spielt Homeoffice für Sie
als Architekten eine Rolle in der
Arbeit der Zukunft?
HENN hat sich dem Thema
Nachhaltigkeit aktuell in allen
Bereichen verschrieben, und wir
wollen in all unseren Projekten
hierbei einen holistischen Ansatz
verfolgen. Nur wenn man Aufgaben aus
allen Perspektiven betrachtet und
Dinge permanent infrage stellt,
werden wir zukunftsfähige,
dauerhafte und damit nachhaltige
Gebäude realisieren können.
Wir arbeiten sowohl in München als
auch in Berlin in historischen
Bauwerken mit einer langen
Geschichte und damit einem bereits
sehr langen Lebenszyklus. Obwohl wir
natürlich am liebsten alle gemeinsam
mit der Skizzenrolle an einem Tisch
sitzen, haben wir uns mit der
jetzigen Arbeitssituation sehr gut
arrangiert. Die Arbeit im
Architekturbüro ist kreativ,
teamorientiert und
innovationsintensiv. Daher sehen wir
den klaren Schwerpunkt unserer
Arbeit vor Ort. Wir wägen aber
grundsätzlich ab, welche Meetings
virtuell stattfinden können. Auch
Tätigkeiten, die extreme
Konzentration erfordern, lassen sich
besser außerhalb des Büros
erledigen.
Grundsätzlich hat sich unsere
Reisetätigkeit durch die
Möglichkeit, Meetings virtuell
abzuhalten, deutlich reduziert. Das
führt bei 350 Kolleginnen und
Kollegen zu einer großen und
unmittelbaren CO2-Einsparung.
Ansonsten bedienen wir
selbstverständlich auch das Klischee
des fahrradfahrenden Architekten.
“Digital Future. Real Work Space.”:
Über den Business-Campus „DER bogen“
Unter dem Slogan „Digital Future.
Real Work Space.“ entsteht der neue
Business-Campus „DER bogen“ auf
einem rund 11.500 Quadratmeter
großen ehemaligen Geländeteil der
Münchner Firmenzentrale des
Sicherheitskonzerns
Giesecke+Devrient (G+D) zwischen dem
Business-Standort Bogenhausener Tor
und dem urbanen Viertel Bogenhausen.
Auf einer Bruttogrundfläche von
circa 42.000 Quadratmetern bietet er
Platz für etwa 2.000 Arbeitsplätze.
Die gesamte Fläche wird die DER
bogen GmbH & Co. KG als Bauherr im
Bestand halten und komplett
vermieten – vorzugsweise an
etablierte Unternehmen und Start-ups
aus den Bereichen
Hochsicherheitstechnologie,
Digitalisierung und Automatisierung.
Das anspruchsvolle Konzept für die
modernen und nachhaltigen Offices
hat der Bauherr gemeinsam mit dem
namhaften Münchner Architektur-Büro
HENN und dem mehrfach international
ausgezeichneten Architektur- und
Designstudio Matteo Thun & Partners
aus Mailand entwickelt. Der Fokus
liegt dabei auf einem Campus-Konzept
mit flexiblen Büroräumen und
Dachterrassen mit Alpenblick für die
Mieter sowie öffentlich zugänglichen
Gewerbeflächen für eine Bäckerei,
Gastronomie und eine Bar. Eine
integrierte Supermarktfläche wurde
bereits an EDEKA, eine Fitnessfläche
an elbgym vermietet.
Der Baukörper selbst erscheint durch
die Verschränkung zweier
Gebäudeteile mit sieben und acht
Stockwerken nach außen dynamisch.
Kupfer- und messingfarbene
Fassadenelemente lassen ihn zudem
edel und zugleich futuristisch
wirken. Das Erdgeschoss ist in
Teilbereichen vollflächig verglast,
um den öffentlichen Charakter der
Foyer-, Gewerbe- und
Gastronomieflächen zu unterstreichen
und halböffentliche
Begegnungsflächen für Mieter und
Nachbarn zu schaffen.
„DER Bogen“ wird als
Niedrigenergiegebäude unter
Verwendung nachhaltiger
Baumaterialien errichtet und hat
bereits die Vorzertifizierung DGNB
Gold erhalten.
Über die DER bogen GmbH & Co. KG
Als Bauherr realisiert die DER bogen
GmbH & Co. KG den neuen Münchner
Business-Campus „DER bogen“ auf
einem früheren Grundstücksteil der
Firmenzentrale des
Sicherheitskonzerns
Giesecke+Devrient. Gemanagt wird das
Neubauvorhaben über den
Projektentwickler Giesecke+Devrient
Immobilien Management GmbH.
Der Bauherr plant einen
multifunktionalen Campus mit
modernen Büroflächen für rund 2.000
Arbeitsplätze. Verschiedene
Kommunikationsbereiche, Gastronomie,
Geschäfte und ein Fitnessstudio
stehen auch benachbarten Unternehmen
und Anwohnern offen. Für die
Architektur zeichnet das Münchner
Büro HENN verantwortlich. Das
Interior-Design der öffentlichen
Bereiche innerhalb des Gebäudes
obliegt dem international bekannten
Büro Matteo Thun & Partners aus
Mailand. Baustart für „DER bogen“
war im Spätsommer 2021, die
Fertigstellung ist für Frühjahr 2024
geplant.
Meldung:
Anschütz + Company,
Public Relations, München