Damit Plastikabfall
reduziert wird und eine
Kreislaufwirtschaft funktionieren
kann, sind Mehrwegsysteme
essenziell. Forschende des
Fraunhofer UMSICHT und des
Fraunhofer IML, die im Fraunhofer
Cluster of Excellence Circular
Plastics Economy CCPE
zusammenarbeiten, haben für die
Stiftung Initiative Mehrweg (SIM)
drei kunststoffbasierte
Mehrwegsysteme mit ihren
Einwegalternativen verglichen. Das
Ergebnis: Mehrweg ist Einweg in 14
der 17 untersuchten Kategorien
überlegen und bietet großes
Potenzial zum Gelingen einer
Kreislaufwirtschaft. Was fehlt, sind
klare politische Rahmenbedingungen
und die Umsetzung der bestehenden
Abfallhierarchie, die Mehrweg
eigentlich priorisiert.
Nur 13 Prozent der in Deutschland
produzierten Kunststoffe werden aus
Rezyklaten hergestellt, im
Verpackungsbereich sind es sogar nur
11 Prozent. Außerdem wird nur ein
sehr geringer Teil für den
ursprünglichen Zweck
wiederverwendet, in der Regel
dominieren Kaskadennutzungen (Downcycling).
Darüber hinaus ist Deutschland einer
der größten Exporteure von
Plastikmüll weltweit. EU und
Bundesregierung haben auf die
Kunststoffproblematik reagiert: Die
Produktion einiger
Einwegplastikprodukte ist verboten,
für PET-Getränkeflaschen wurde eine
Rezyklatquote vorgeschrieben, und
seit Anfang 2022 ist die
Pfandpflicht für
Einweggetränkeflaschen auf sämtliche
Getränkearten ausgeweitet worden.
»Green Deal und Taxonomie-Verordnung
der EU geben die richtige Richtung
für ein nachhaltiges Wirtschaften
vor. Aus unserer Sicht gibt es aber
folgendes Problem: Die im
europäischen Abfallrecht seit
Jahrzehnten geregelte
Abfallhierarchie definiert eine
Rangfolge bei Erzeugung und Umgang
mit Kunststoffabfällen. Darin ist
das Recycling der Mehrfachnutzung
nachgelagert. Die Umsetzung dieser
Abfallhierarchie findet bislang aber
kaum statt.«, erklärt Jürgen
Bertling vom Fraunhofer-Institut für
Umwelt-, Sicherheits- und
Energietechnik UMSICHT und
Projektleiter der Studie.
Zirkularität, Performance und
Nachhaltigkeit
Insbesondere für
Kunststoffverpackungen existieren
derzeit vorwiegend Einweglösungen.
Einige Mehrwegsysteme finden sich im
B2B-Bereich z. B. in der
Automobilindustrie und beim Obst-
und Gemüsetransport. Im B2C-Bereich
sind sie eher die Ausnahme wie z. B.
die Transportkisten für Lebensmittel
vom regionalen Bauern. Ziel der
aktuellen Studie des Fraunhofer CCPE
im Auftrag der Stiftung Initiative
Mehrweg war es daher,
kunststoffbasierte
Mehrwegverpackungssysteme zu
bewerten, sie mit Einwegalternativen
zu vergleichen und Empfehlungen für
eine Stärkung der
Kreislaufwirtschaft abzuleiten. Dazu
analysierten die Forschenden die
drei Mehrwegsysteme Obst- und
Gemüsesteigen (bereits im Handel
etabliert), Pflanzentrays (in
Vorbereitung für einen großflächigen
Einsatz) und Coffee-to-go-Becher
(Einführungsphase). Sie wurden mit
den jeweils entsprechenden
Einweglösungen in den drei Bereichen
Zirkularität, Performance und
Nachhaltigkeit in insgesamt 17
Unterkategorien verglichen. Das
Ergebnis: Mehrweg bietet für alle
drei untersuchten Demonstratoren
klare Vorteile – von der
Materialeffizienz über geringere
Kunststoffemissionen bis hin zu
einem besseren Produktschutz durch
robustere Ausführungen.
Mehrweg bedeutet für Unternehmen
zwar zunächst einen höheren
Kapitaleinsatz durch den Aufbau von
Logistik und Rückfuhrsystemen,
Lagerflächen und Reinigungstechnik.
Langfristig erweisen sich
Mehrwegsysteme jedoch als
preiswerter und ressourcenschonender,
sie stärken das regionale
Wirtschaften und tragen zu einer
erhöhten technologischen
Souveränität bei. »Entscheidend für
die Vorteilhaftigkeit eines
Mehrwegsystems sind dabei vor allem
die Umlaufzahl und die
Distributionsstruktur: Je höher die
Umlaufzahl und je niedriger die
Transportdistanzen, desto besser
schneidet Mehrweg gegenüber Einweg
ab. Hier sind also dezentrale
Poollösungen elementar«, erläutert
Kerstin Dobers vom
Fraunhofer-Institut für
Materialfluss und Logistik IML,
Mitautorin der Studie. Im Vergleich
mit anderen Verpackungsmaterialien
wie Papier oder Holz weist
Kunststoff eine Vielzahl
vorteilhafter Eigenschaften auf –
leicht, haltbar, chemisch inert –
und bleibt damit für zahlreiche
Anwendungen, gerade bei
Mehrwegsystemen, das Material der
Wahl.
Abfallhierarchie konsequent umsetzen
und Mehrweg optimieren
Dieser Bericht wendet sich
gleichermaßen an Politik, Verbände,
Hersteller von
Kunststoffverpackungen und Anbieter
von Mehrweg-Poollösungen. Das
Autorenteam empfiehlt
schlussfolgernd zwei zentrale
Maßnahmen: Zum einen sollten Wege
zur konsequenten Umsetzung der
Abfallhierarchie aufgezeigt und
gefördert werden. Einwegsysteme
sollen erst dann zum Tragen kommen,
wenn die Möglichkeiten der
Mehrfachnutzung ausgeschöpft sind.
»Dieses Ergebnis der Studie steht im
Gegensatz zur heutigen Realität am
Verpackungsmarkt. Es muss neue
politische Rahmenbedingungen geben,
die das Umgehen dieser Reihenfolge
sanktionieren. Gleichzeitig sollten
Anreizsysteme für Unternehmen
geschaffen werden, um vermehrt
Mehrweglösungen für Kunststoffe zu
etablieren«, sagt Jürgen Bertling.
Er fordert zudem eine Überprüfung
der Abfallhierarchie durch ein
Expertengremium und nachfolgend ihre
strikte Umsetzung in der Praxis.
Sinnvoll sei außerdem, weniger auf
die Recyclingquoten zu schauen,
sondern anspruchsvolle
Rezyklatanteile in der Produktion
vorzugeben.
Laut Kerstin Dobers ist die zweite
zentrale Maßnahme, die vorhandenen
Optimierungspotenziale für
Mehrweglösungen auszuschöpfen, damit
ihre Vorteile weiter ausgebaut und
mögliche Defizite beseitigt werden:
»Sicherlich sind auch bei den
Mehrweglösungen noch zahlreiche
Innovationen möglich, gerade im
Online-Handel oder in der
Take-away-Branche. Gute Lösungen
zeichnen sich dadurch aus, dass die
Verpackungen modular sind und ihr
Volumen reduzierbar ist (nestbar
oder klappbar). Hier sind
Rahmenbedingungen für nationale und
internationale Standardisierungen
gefragt, um die ökologischen
Potenziale der Mehrwegsysteme
auszuschöpfen.« Darüber hinaus
müssten Umweltkennzeichen (Label)
zur Kennzeichnung von Mehrweg und
Einweg eindeutig sein. Hier seien
vor allem Verbände gefragt.
PDF-Download
www.umsicht.fraunhofer.de/Kunststoffbasierte-Mehrwegsysteme-in-der-Circular-Economy_Fraunhofer-UMSICHT.pdf
Meldung: Abteilung
Kommunikation und Marketing,
Fraunhofer-Institut für
Materialfluss und Logistik IML,
Dortmund