Dieses reich
bebilderte Buch ist ein Denkmal des
modernen Städtebaus in Neapel. Es
enthält etwa fünfzig neue Fotos des
berühmten französischen Fotografen
Cyrille Weiner sowie historische
Bilder, Zeichnungen wichtiger
architektonischer Details und einen
Atlas von achtzehn bedeutenden
Gebäuden aus den Jahren 1930–1960,
illustriert mit Lage- und
Grundrissen, Ansichten und
Schnitten. Es zeigt, wie die
süditalienische Metropole ihre
eigene Form der Moderne entwickelt
hat, die mediterrane Kultur mit
lokalen Materialien und einem
starken internationalistischen Geist
verband.
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Die aktuellen Essays und prägnanten
Beschreibungen der dokumentierten
Bauten ergeben zusammen mit den
aufwendigen Illustrationen ein
äußerst ansprechendes und lebendiges
Porträt Neapels. Diese faszinierende
Stadt ist berühmt und berüchtigt
zugleich – aber ihre
architektonischen und
städtebaulichen Qualitäten und
Eigenheiten sollten besser bekannt
sein. Mit Beiträgen von Gianluigi
Freda, Abdrea Maglio, Umberto
Napolitano und Manuel Orazi.
Blick ins Buch...
Jurybegründung:
Wer den Diskussionen zu Erhalt,
Funktion, Abriss oder Wiederaufbau
von historischen Bauwerken in
Deutschland folgt, könnte manchmal
den Eindruck gewinnen, dass
Architektur ganz unabhängig von
ihrem Kontext verhandelbar sei.
Gebäude werden zu beliebig
befüllbaren und platzierbaren
Hüllen, deren Wert eher dem einer
hübschen Brosche gleicht, mit der
sich eine Stadt schmücken kann.
Interessanterweise wird aber gerade
die Architektur der Moderne - der so
gerne eine selbstverliebte
Kontextlosigkeit vorgeworfen wird -
dabei ausgespart.
Der Band "Napoli Super Modern" vom
Team LAN mit Benoît Jallon, Umberto
Napolitano und dem Fotografen
Cyrille Weiner beschreitet einen
anderen Weg. Am Beispiel von 18
Neapolitanischen Projekten aus den
Jahren 1930 bis 1960 wird eine
"versöhnliche" Moderne präsentiert:
eine lokale und lokalisierte
Strömung, die, wie Umberto
Napolitano schreibt, auf abstrakte
und idealisierte Modelle verzichtet
und Gebäude auf ihren physischen,
historischen, sozialen und
geografischen Kontext maßschneidert.
Typologie, Größe und Gestaltung der
gezeigten Projekte weisen eine große
Bandbreite auf, die Auswahl liest
sich wie eine sehr persönliche
Führung durch die Stadt. Mit den
Essays von Umberto Napolitano,
Andrea Maglio, Manuel Orazi und
Gianluigi Freda verweben sich die
Projekte zu einer faszinierenden
Erzählung über das Wechselspiel von
Architektur und Kontext.
Das einfühlsame Fotoessay von
Cyrille Weiner arbeitet mit
vielfältigen Bildausschnitten. Mal
werden die Gebäude eingebettet in
ihre facettenreiche Umgebung
gezeigt, mal ist auf einem
Stadtpanorama nur ein Teil einer
Fassade im Anschnitt zu sehen, und
in einigen Detailaufnahmen ist
lesbar, wie Natur und Benutzer sich
die Architektur zueigen gemacht
haben. Aber in jedem Bild wird
deutlich, wie selbstverständlich
sich die Gebäude - teilweise bis zum
Verschwinden - in ihre Umgebung
einfügen. Ausgehend von dieser
Bilderstrecke werden die Projekte
mittels präziser Zeichnungen Schicht
für Schicht freigelegt, zunächst in
einer Serie von den Texten
begleitenden Fassadendetails und im
letzten Teil des Buches, dem
"Gebäudeatlas" mit umfassenden
Einzelbeschreibungen, Grundrissen
und Lageplänen.
Das Buch ist elegant gestaltet:
Text- und Bildessays sind - mit
reichlich Weißraum - auf weißem
Papier gesetzt, der "technische"
Teil der Projektbeschreibungen auf
hellgrauem. Der Einband in
hellblauem Leinen mit gelb folierter
Prägung und das gelbe
Lesezeichenband kommen nicht von
ungefähr, es handelt sich um die
Clubfarben des S.S.C. Napoli in den
im Buch behandelten Jahrzehnten.
Napoli Super Modern ist nicht nur
ein schönes Architekturbuch, sondern
auch ein wichtiger Beitrag zur
Debatte über die Rolle von
sichtbarer und unsichtbarer
Bausubstanz in den Städten jenseits
der historischen "Superstars".
Moritz Bernoully
Napoli Super Modern
(Hrsg.) LAN – Local Architecture
Network, Benoit Jallon, Umberto
Napolitano
mit Texten von Andrea Maglio,
Umberto Napolitano, Gianluigi Freda
und Manuel Orazi
Park Books, Zürich
1. Auflage, 2020
Language: English
232 Seiten
Format:
ISBN: 978-3-03860-218-7