Forscher der
Goethe-Universität
untersuchen die
Hörwahrnehmung von
Fledermäusen, inwieweit
diese
per Echoortung auf
Futtersuche gehen oder mit
ihren Artgenossen
kommunizieren: Geräusche
sind allgegenwärtig. Wie die
südamerikanischen
Brillenblattnase wichtige
Signale aus der Klangfülle
herausfiltert, untersuchen
Forschende am Institut für
Zellbiologie und
Neurowissenschaften der
Goethe-Universität
Frankfurt. Die jüngste
Erkenntnis: Bereits das
Stammhirn, das bislang
allein für Basisaufgaben
zuständig galt, verarbeitet
Wahrscheinlichkeiten von
Hörsignalen.
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Die
Brillenblattnase Carollia
perspicillata fliegt nachts
auf Futtersuche. Foto (c)
Julio Hechavarria |
Fledermäuse sind berühmt für
ihre Echo-Navigation: Sie
orientieren sich über ihr
äußerst empfindliches Gehör,
indem sie Ultraschall-Laute
ausstoßen und anhand der
Schall-Reflexionen ein Bild
ihrer Umwelt erhalten. So
findet beispielsweise die
Brillenblattnasen-Fledermaus
(Carollia perspicillata)
die von ihr als Nahrung
bevorzugten Früchte über
dieses Echo-Ortungssystem.
Gleichzeitig nutzen die
Fledermäuse ihre Stimme auch
zur Kommunikation mit den
Artgenossen, wobei sie eine
etwas tiefere Frequenz
wählen. Die Brillenblattnase
verfügt dabei über eine
stimmliche Bandbreite, die
sich sonst nur noch bei
Singvögeln und Menschen
findet. Wie der Mensch
erzeugt sie ihre Laute durch
den Kehlkopf.
Um
herauszufinden, wie die
Brillenblattnase besonders
wichtige Signale aus der
Klangfülle herausfiltern,
zum Beispiel Warnrufe von
Artgenossen, Isolationsrufe
von Fledermausbabys oder
auch die Reflexionen von
Pfefferschoten im Gewirr von
Blättern und Ästen, haben
Forscherinnen und Forscher
der Goethe-Universität
Frankfurt die Hirnströme der
Fledermäuse aufgezeichnet.
Dazu
schoben die Forschenden um
Prof. Manfred Kössl vom
Institut für Zellbiologie
und Neurowissenschaften den
Fledermäusen Elektroden -
haarfein wie
Akupunkturnadeln - unter die
Kopfhaut, während die
Fledermäuse im Narkoseschlaf
schlummerten. Denn diese
Messmethode ist so
empfindlich, dass schon
kleinste Kopfbewegungen der
Fledermaus die
Messergebnisse stören
würden. Trotz des
Narkoseschlafs reagiert das
Fledermausgehirn auf
Geräusche.
Dann
wurden den Fledermäusen
Abfolgen zweier Töne
unterschiedlicher Tonhöhen
vorgespielt, wie sie
entweder Echoortungsrufen
oder Kommunikationsrufen
entsprechen. Zunächst wurde
eine Sequenz abgespielt, in
der Ton 1 sehr viel häufiger
als Ton 2 vorkommt, zum
Beispiel
„1-1-1-1-2-1-1-1-2-1-1-1-1-1-1...“.
In der nächsten Sequenz war
es umgekehrt, und Ton 1 kam
selten und Ton 2 häufig vor.
Dadurch wollten die
Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler feststellen,
ob die neuronale
Verarbeitung eines gegebenen
Tons von seiner
Auftrittswahrscheinlichkeit
abhängt und nicht etwa von
seiner Tonhöhe.
Johannes Wetekam,
Erstautor der Studie,
erklärt: „In der Tat zeigen
unsere
Untersuchungsergebnisse,
dass ein seltener und damit
unerwarteter Ton zu einer
stärkeren neuronalen Antwort
führt als ein häufiger Ton.“
Dabei reguliert das
Fledermausgehirn die Stärke
der neuronalen Antwort auf
häufige Echoortungslaute
herunter und verstärkt die
Antwort auf seltene
Kommunikationslaute. Wetekam:
„Dies zeigt, dass die
Fledermäuse unerwartete
Geräusche in Abhängigkeit
von der Frequenz
unterschiedlich verarbeiten,
um adäquate Sinneseindrücke
zu erhalten.“
Interessant dabei ist, sagt
Wetekam, dass die
Verarbeitung der Signale
offenbar bereits im
Stammhirn erfolgt, von dem
man bisher annahm, dass es
Hörsignale lediglich annimmt
und in höhere Hirnregionen
weiterleitet, wo die Signale
miteinander verrechnet
werden. Der Grund:
„Wahrscheinlich erspart es
dem Gehirn als Ganzem
Energie, und es ermöglicht
eine sehr schnelle
Reaktion“, sagt Wetekam.
Prof.
Manfred Kössl meint:
„Wir kennen alle den
Party-Effekt: Wir können die
Unterhaltungen der Menschen
in unserer Umgebung
ausblenden, um uns ganz auf
unseren Gesprächspartner zu
konzentrieren. Hier liegen
ähnliche Mechanismen wie bei
der Fledermaus zugrunde.
Wenn wir besser verstehen,
wie Fledermäuse hören,
könnte uns das in Zukunft
helfen nachzuvollziehen, was
bei Krankheiten wie zum
Beispiel der
Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung
– kurz: ADHS – geschieht,
bei der Umweltreize nicht
mehr angemessen verarbeitet
werden können.“
Publikation:
Johannes
Wetekam, Julio Hechavarría,
Luciana López-Jury, Manfred
Kössl: Correlates of
deviance detection in
auditory brainstem responses
of bats.
Eur. J.
Neurosci 2021, Nov 11
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/ejn.15527