Nur wenige Bauten von Richard Neutra
entstanden zwischen 1960 und 1970 in
Europa. Das Haus Kemper, geplant und
gebaut 1961 bis 1967, entspricht mit
seinem offenen Raumkonzept und dem
Bezug zur Natur über die großen
Glasfronten den amerikanischen
Vorbildern seiner Zeit. Als das
Objekt 2016 zum Verkauf stand,
griffen Manfred und Sarah Hering zu.
Als Inhaber von Early 911S, einer
Manufaktur für die originalgetreue
Restaurierung klassischer Porsche
Automobile, kennen die Privatleute
die Herausforderungen, ein Objekt
originalgetreu wiederherzustellen.
Fünf Jahre später erstrahlt das Haus
Kemper wieder in ursprünglicher
Eleganz. Auch dank der
Sonderanfertigung der großflächigen
Schiebeelemente von Schüco und
Alubau Puhlmann.
Der aus
Österreich stammende Richard Neutra
ist einer der berühmtesten
Architekten des 20. Jahrhunderts.
Über viele Jahre prägte er mit
seinen modernistischen Wohnhäusern
den kalifornischen Architekturtraum
der 1950er bis 1960er Jahre. Auch
heute noch inspirieren seine Bauten
Generationen von Architekten. Sei es
die Filigranität der Bauten durch
die flachen, fliegenden Dächer und
die großen Fenster- und
Wasserflächen, die die Architektur
mit der Landschaft verbinden, aber
auch die spannungsreichen
Raumerlebnisse, die mit der
Gliederung der Baukörper entstehen.
Auch für Familie Kemper entwarf
Neutra eine Staffelung von drei
Baukörpern, die auf dem
landschaftlich reizvollen Grundstück
auf einer Anhöhe in Gelpetal locker
miteinander verbunden sind. Nach nur
sieben Jahren ging die offene
Wohnlandschaft an einen neuen
Besitzer über. Die in dieser Zeit
entstandenen Umbaumaßnahmen hatten
den ursprünglichen Charakter des
Hauses komplett verändert. Mit dem
Anspruch, das Original
wiederherzustellen, machten sich die
Herings ans Werk.
Fließende Raumübergänge
Eine Qualität
von Neutras Bauten ist die
Zeitlosigkeit der Grundrisse und
Raumzusammenhänge. Auf 380
Quadratmetern fand sich im Haus
Kemper alles, was ein Haus benötigte
– vom Au-pair-Zimmer bis zum
„Gentlemen's Room“. Auch heute noch
ist der großzügige offene Wohnraum
das Herzstück des Hauses, er
orientiert sich zur Gartenseite hin.
Raumhohe Glasfronten mit großen
Schiebeelementen lösen die Grenzen
zwischen Innen- und Außenraum auf.
Eine Pergola mit den für Neutra
typischen „spider legs“ und mit über
die Fassade auskragenden, von
Stützen abgefangenen Dachbalken
verlängert den Wohnraum in die
Natur. Die Küche mit den
anschließenden Wirtschaftsräumen
orientiert sich zum Innenhof und
Birkenwald, während sich die
privaten Rückzugsbereiche wie
Schlafzimmer und Bäder im 1.
Obergeschoss befinden. Lediglich die
ehemalige Schwimmhalle hat eine neue
Nutzung: als Präsentationsfläche für
die schönsten Stücke der
firmeneigenen Porscheaustellung. Das
Volumen wird aufgelöst durch die
Staffelung der Baukörper und die
Setzung der sogenannten „reflection
pools“, in deren Wasserflächen sich
der Himmel und die Natur spiegeln.
Suchen
und Finden
Bauen im
Bestand stellt alle Beteiligten vor
viele Hürden. Die Rekonstruktion des
ursprünglichen Zustandes war die
größte Herausforderung. „Wir haben
während der Sanierung jeden Tag
dazugelernt“, erzählt Manfred
Hering. „Alte Pläne und Bilder aus
der Bauzeit, aber auch Besuche im
nahe gelegenen Haus Pescher von
Richard Neutra, das sich noch zu
großen Teilen im Originalzustand
befindet, haben uns weitergeholfen.“
Wie bei den
alten Porsche Automobilen, die so
restauriert werden, wie sie damals
vom Band gelaufen sind, galt es, das
Haus in den Zustand von damals
zurückversetzen. Dazu gehörten neben
dem Update der Technik der Ersatz
beschädigter Teile.
Wo ein Erhalt
wegen schadhafter oder nicht mehr
originalgetreuer Materialien nicht
möglich war, galt es, auch die neu
eingebauten Elemente mit einer
Patina zu versehen. Über das
Fotoarchiv des Architekturfotografen
Karl Hugo Schmölz und das behutsame
Offenlegen von Schichten konnte die
Wand zwischen Wohn- und Essbereich,
die auf der einen Seite aus
Palisanderholz und auf der anderen
Seite aus Esche besteht, gerettet
werden.
 |
 |
Innenansichten |
|
Auch die
Travertinböden im Innenraum und im
Außenbereich wurden aufbereitet,
ebenso Neutras horizontale
Lichtbänder in der Decke.
Ungewöhnlich war die
Herangehensweise der Bauherren in
einem weiteren Punkt: Das Paar
bewohnte das Haus während des
gesamten Umbaus. Denn nur so konnten
sie Raum für Raum auf Spurensuche
gehen und direkten Einfluss auf jede
Entscheidung nehmen.
Sonderkonstruktion der
Fassadenelemente
Gerade bei den
großzügigen Festverglasungen und
Schiebelementen mit ihren extrem
filigranen Rahmen und Pfosten war
die Anpassung an die heutigen
technischen Anforderungen eine große
Herausforderung. In einigen
Bereichen waren die ursprünglichen
Fenster noch erhalten und dienten
als Blaupause für die neu
angefertigten Glaselemente. Auch
hier ist die Analogie zur
Restauration der Oldtimer
unverkennbar: Erfindungsreichtum und
die Zusammenarbeit mit den passenden
Partnern sind das Erfolgsrezept.
Zusammen mit Alubau Puhlmann und
Schüco entstand auf Basis des
bestehenden Schüco Systems ASS 48
eine Sonderkonstruktion, die die
statischen Anforderungen an die
großformatigen Elemente erfüllt und
zugleich eine manuelle Bedienung der
Schiebeelemente mit filigranen
Griffen erlaubt. Aufgrund der
filigranen Sonderkonstruktion
entschied man sich für eine
Zweifachverglasung und eine
zweigleisige Ausführung der
Schiebeelemente. Für das
wämegedämmte Schiebesystem wurden
unter anderem neue Verhakungs- und
Mittelpunktprofile entwickelt. Eine
besondere Herausforderung bestand
darin, die notwendige Dichtigkeit
und Verriegelung zwischen fest
stehenden und verschiebbaren
Elementen zu gewährleisten. In den
schmalen Blendrahmen sind
kontaktlose Stromüberträger für die
Verriegelung integriert, während für
die Abdichtungsprofile mit dem
3D-Drucker der Entwicklungsabteilung
von Schüco gearbeitet wurde. Eine
nicht alltägliche Aufgabe, wie auch
Josef Heisterkamp von Alubau
Puhlmann bestätigt: „Das Ergebnis
macht die vielen Einzelschritte, die
bis hierher nötig waren, wett. Die
Vorgabe an die gewünschte Optik und
Bedienbarkeit, kombiniert mit den
Möglichkeiten der modernen
Technologien, macht das Projekt zu
einem Meisterstück.“
 |
 |
Zeitlos gültige Architektur
Die Antwort auf
die Frage, ob die Bauherren etwas
anders gemacht hätten, wenn Richard
Neutra für sie gebaut hätte, ist
eindeutig. Das Haus ist perfekt, so
wie es ist. Auch sechs Jahrzehnte
nach seiner Realisierung besticht
der durchdachte Grundriss und die
Verbundenheit mit der Natur. Ein
echter Ort der Rekreation, unweit
der Großstadt. Das ist das größte
Kompliment, was man der Architektur
machen kann.
Projekttitel: Haus Kemper,
Wuppertal
Architekt: Richard Neutra,
1961-67
Verarbeiter Metallbau: Alubau
Puhlmann
Fertigstellung: 2021
Schüco Systeme im Objekt
Sonderkonstruktion auf Basis des
wärmegedämmten Schiebesystems Schüco
ASS 48
Foto (c) Frank Peterschroeder,
Meldung: Schueco International KG,
Bielefeld
|