Schon von der Idee her ist ein
schönes Buch entstanden, das sich mit Häusern und
Parkanlagen im Vordertaunus des 19. Jahrhunderts aus der
Zeit des Historismus beschäftigt. Zahlreiche Pläne und
historische Belege zeichnen ein anschauliches Bild der
wilhelminischen Zeit nach, die längst der Vergangenheit
anzugehören scheint und deren lebendige Wahrzeichen
immer wieder von Vorne und ganz von Neuem betrachtet
werden müssen, so interessant und bedeutungsvoll sind
diese Bauten für das Geschichtsbewusstsein.
Doppelseitige Ganzabbildungen und Kartierungen ergänzen
das Bild einer Kulturlandschaft, die zwischen
Königstein, Kronberg und Bad Homburg eher an
steilen Wegen liegt und
nur mit dem Auto oder einem anderen
Gefährt wirklich einfach zu
erreichen ist.
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v.l. Johannes
Martin Müller, Christoph
König, Ulrich Krebs und
Leonhard Helm am 03. Februar
anlässlich Buchvorstellung
im Kronberger Rathaus |
Dennoch sind es lauter Orte, die auf
ganz eigene Weise Autonomie behalten
haben und den Anspruch von etwas
Herrschaftlichem vermitteln, weitab
vor den Toren der Großstadt
Frankfurt, zu der sie letztlich mit
dazugezählt werden und sei es nur
aus der Sicht des Großstadtgeplagten
und zur Erholung aus der Ferne. Es
sind die Eckpunkte eines großen
Gartens, der zu sich einlädt um an
ihnen zu partizipieren.
Erschwinglich sind diese Häuser
beileibe nicht und liegen vermutlich
in fester Besitzerhand, wenn sie
nicht gerade der Kommune gehören und
zu den öffentlichen Gebäuden zählen.
Was diese Häuser an Räumlichkeiten
im Inneren beherbergen, kann die
standardisierte 4-Zimmer Wohnung in
der Stadt nicht leisten, soviel Pomp
und großbürgerliches Gehabe, dass
niemand daran vorbeikommt ohne
zumindest mal ein Auge darauf
geworfen zu haben. An den
sogenannten "Millionärshügeln" im
Vordertaunus bildete sich bereits im
19. Jahrhundert eine ausgeprägte
Villen- und Gartenlandschaft heraus,
die andernorts ihresgleichen sucht.
Sie repräsentiert trotz vielfältiger
Veränderungen damit noch immer den
Stolz einer Epoche und den wahr
gewordenen Bürgertraum vom
Adelsschloss.
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Um 1860
erwarben Baruch und Betty
Bonn einen Landsitz in
Kronberg, welcher der weit
verzweigten Frankfurter
Bankiersfamilie von Mai bis
Oktober als Sommeraufenthalt
diente. Wilhelm Bonn ließ
die bestehenden Gebäude
zurückbauen und die heutige
repräsentative Villa Ende
der 1880er Jahre errichten.
Die Familie orientierte sich
später nach England, so dass
Sir Max Bonn das Anwesen
1922 an die Stadt Kronberg
verkaufte, die es seitdem
als Rathaus nutzt.
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„Villen und Landhäuser im
Vordertaunus - Eine Kulturlandschaft
im Rhein-Main-Gebiet“ ist der Titel
der neuen Publikation, die der
Hochtaunuskreis gemeinsam mit den
Städten Königstein im Taunus und
Kronberg im Taunus herausgegeben
hat. Autor ist Johannes Martin
Müller. Erschienen ist das Buch im
Oppenheimer NA-Verlag. Entstanden
ist ein 320 Seiten starkes, mit über
100 Abbildungen reich illustriertes
Werk, das ein Panorama der
einzigartigen Villen- und
Gartenlandschaft des Vordertaunus im
Zeitalter des Wilhelminismus
entfaltet, wissenschaftlich
hinterfragt und mit Zeitdokumenten
belegt. Das ist mehr als eine
Bestandsaufnahme. Es ist auch der
Versuch eine neue Freizeitkultur zu
legalisieren, die allen zu Gute
kommen soll, die mit der Umgebung zu
tun haben.
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Blick ins
Treppenhaus des Kronberger
Rathauses |
Verlegerin Dr. Annette
Nünnerich-Asmus stellte am 03.
Februar im Rathaus Kronberg und im
Beisein des Autors, des Königsteiner
Bürgermeisters
Leonhard Helm, des Kronberger
Bürgermeisters
Christoph König sowie Landrat
Ulrich Krebs das Buch der
Öffentlichkeit vor „Die zahlreichen
großbürgerlichen Villenbauten prägen
das Gesicht des Vordertaunus bis
heute ganz maßgeblich“, betonte
Landrat Ulrich Krebs. „Es ist das
Verdienst des Autors, erstmals
unsere Region als Villenlandschaft
in den Blick zu nehmen und als
Ganzes zu analysieren“.
Frankfurt am Main und Umgebung sind
keine ausprägte Schlössergegend.
Vereinzelt finden sich auch
bedeutende Schlossbauten in und um
die Ortschaften herum in der Region.
Glücklicherweise blieb Frankfurt am
Main Jahrhunderte lang die
Krönungsstadt für Könige und Kaiser.
Im Bad Homburger Schloss
residierte Wilhelm II.
(1859-1941) mit
seiner Gattin Auguste Victoria
(1858-1921) während seiner zahlreichen Reisen,
wovon das Schloss bis in die
Gegenwart hinein Indiz gibt. Bis
Mitte des 19. Jahrhundert war
Frankfurt politisch betrachtet eine
Freie Stadt mit einem ähnlichen
Status wie die Hansestädte im
Norden. Deshalb hatte Frankfurt
nicht die Bedeutung einer
Residenzstadt mit den baulichen
Merkmalen einer breiten
Schlossanlage im Zentrum. Um so
wichtiger sind die vielen Villen,
die den Stadtraum ausmachen, die im
Übrigen schon seit der Römerzeit in
der Umgebung existiert haben, die
vielen Funde an villae rusticae im
Untergrund legen ein Zeugnis von
dieser Sitte ab. Nicht nur deshalb
kann regelrecht von einer
Villenkultur und diesbezüglich auch
von einer Kulturlandschaft im
Rhein-Main Gebiet gesprochen werden.
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Autor:
Johannes Martin Müller
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Der Autor gibt mit seiner
wissenschaftlich-analytisch
gedachten Publikation eine Reihe an
Erläuterungen vor, wozu anfänglich
die Einführung in den
Landschaftsraum des Vordertaunus
zählt. Er sieht darin Faktoren der
Suburbanisierung und Muster einer
strukturell bestimmten urbanen
Inbesitznahme gegeben. Die
residenzielle Inbesitznahme als
Wohlstandsort wirkt sich letztlich
aber auch auf die Veränderlichkeit
der umgebenden Kommunen aus. Am
Beispiel des Schlosses Friedrichshof
werden der Witwensitz von Victoria
Kaiserin Friedrich (1840-1901) und
dessen räumliche Bedeutungsebenen
erläutert. Der Autor unternimmt
weiter den Versuch einer
sozialgeographischen Skizze,
definiert herrschaftlichen Villenbau
im Großraum Frankfurt und erkennt
darin ein singuläres Phänomen am
Rande des Taunus. Villenanlagen
gelten für ihn somit als ein
Instrument sozialer Distinktion.
Der Autor erklärt am Beispiel der
Firma Gebrüder Siesmayer die
Bedeutung der Gartenkunst, die sich
damit als Gestalter einer ganzen
Kulturlandschaft erweisen. Er zeigt
mit seiner Arbeit räumliche Ebenen
großbürgerlicher Freizeitgestaltung
sowie jüdisches Mäzenatentum. Er
benennt die Bankiersfamilien Bonn
und Rothschild. Am Schluss der
Ausführungen, dem Vorabend des
ersten Weltkriegs, steht das
Aufbegehren einer elitären
Erholungslandschaft im Raum. Im
Fazit liefert der Ausblick auf die
Gegenwart noch eine Debatte auf die
Bedürfnisse der aktuellen
Freizeitgesellschaften.
Villen und Landhäuser im
Vordertaunus
Eine Kulturlandschaft im
Rhein-Main-Gebiet
von Johannes Martin Müller
Nünnerich-Asmus Verlag, Oppenheim am
Rhein
1. Auflage, 2022
Hardcover, 320 Seiten
101 Abbildungen
Format: 21,6 x 28,4 x 2,5 cm
ISBN: 978-3-96176-176-0
Foto (c)
Kulturexpress