DAM Architectural Book Award 2021

Raamwerk In Practice: Lichtervelde Youth Centre

In diesem Buch erläutern Bart Decroos und Raamwerk (Architekten Gijs De Cock und Freek Dendooven) den Entwurfsprozess des Lichtervelde Youth Centers anhand einer Reihe unveröffentlichter Arbeitsdokumente, darunter Skizzen, maßstabsgetreue Modelle, Pläne und Bilder. Anhand von vier Anekdoten erkunden sie, wie die Realität der Baustelle es ihnen ermöglichte, den Entwurfsprozess während der Realisierung des Gebäudes selbst fortzusetzen. Über die Einzigartigkeit dieses bemerkenswerten Projekts hinaus zeigt das Buch die kritische Relevanz des Bauens in Architekturtheorie und -diskursen. Drei weitere Beiträge werfen ein Seitenlicht auf die Ebene der Forschungspädagogik und -theorie: Der äußere Blick und das innere Wissen ergänzen sich.
 

 

 

 

Das Buch ist das Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen KU Leuven, ULB und U Liège im Rahmen von Architecture In Practice, einer universitätsübergreifenden Forschungsgruppe, die die vielfältigen Möglichkeiten untersucht, wie Einzelpersonen ihre professionelle Architekturpraxis in der akademischen Forschung und gegenseitig einbringen können. Das Buch wurde einem doppelblinden Peer-Review unterzogen.

 

DAM Jurybegründung
Belgien ist als Architekturwunderland mittlerweile das, was früher einmal die Schweiz oder die Niederlade waren: Von dort kommen momentan die Entwürfe, die im internationalen Architekturdiskurs die markanteste Eigenständigkeit haben. Das Buch der (relativ) jungen Architekten von Raamwerk fügt sich hier ein, setzt aber besondere, eigene Akzente. Raamwerk wurde gegründet von Gijs De Cock (Jahrgang 1987) und Freek Dendooven (ebenso) und ist in Gent beheimatet.

Das Buch ist eine anrührende Reportage über den Bau des Jugendzentrums in Lichtervelde. Wo das genau ist, ist eigentlich egal: „The village of Lichtervelde lies somewhere between the pronvincial towns of Bruges and Kortrijk”. Somewhere im Nowhereland des Sprawl also, aus dessen Hässlichkeiten die belgischen Architekt*innen momentan so aufregende Experimente mit der Banalität zu destillieren in der Lage sind.

Durch groß gesetzte Texte wird man hindurchgeführt und erfährt vieles über die alltäglichen Probleme des Bauens. Ist es im sehr beschränkten Budget möglich, eine gekurvte Mauer zu bekommen? Nein, war man sich im Vorhinein einig. Aber dann, spontan, mit den Handwerkern auf der Baustelle geht es dann doch. Oder die Geschichte mit den Öffnungen: Nachdem der Rohbau fertig gemauert wurde, ein Sichtziegelbau wegen der Einfügung in die Umgebung, wird nochmals Maß genommen, um daraufhin die Fenster anfertigen zu lassen. Doch bei der Messung entsteht ein Fehler und alle Fenster werden 4 Zentimeter zu klein geliefert. Also muss improvisiert werden, die Rahmen werden aufgedoppelt, eine Art Passepartout entsteht.

Von dieser Art, nämlich lässig, unverkrampft und neugierig auf das Abenteuer Baustelle, wünscht man sich viel mehr Architekturbücher. Es liest sich so weg wie eine Kurzgeschichte. Und das Ergebnis aller Bemühungen ist ein schönes, sehr schlichtes, geradezu neo-brutalistisches Jugendzentrum. Weil ja meistens dann am Ende doch noch Wünsche offenbleiben hätte man nun noch gerne gewusst, wie es denn eigentlich den Jugendlichen gefällt, wenn doch schon die Architekten erkennbar viel Spaß bei der Sache gehabt haben. Oliver Elser

 

Raamwerk In Practice: Lichtervelde Youth Centre
(Hg.) Harold Fallon, Benoît Vandenbolcke, Benoît Burquel
Autoren: Freek Dendoven, Gijs De Cock, Bart Decroos, Harold Fallon, Benoît Vandenbolcke, Benoît Burquel
MER Borgerhoff & Lamberigts, Gent/ Belgien

1. Auflage, 2020

gebunden, 180 Seiten

Gestaltung: Orfée Grandhomme and Ismaël Benanni
Foto u. Illustr: Raamwerk, Stijn Bollaert

Sprache: Englisch
Format:  17.1 x 1.9 x 24.3 cm
ISBN: 978-9-46393-342-1

 

 

 

 

 

Kulturexpress ISSN 1862-1996

 vom 07. Dezember 2021