Das Forschungsprojekt
„Politics in Search of Evidence (PoSEvi)
– The Role of Political Philosophy
and Public Health in the political
responses to COVID-19“ beleuchtet
das Verhältnis von Politik und
Wissenschaft aus philosophischer und
sozialmedizinischer Perspektive mit
besonderem Fokus auf politisches
Handeln in der COVID-19-Pandemie.
Ziel ist es, eine fundierte Theorie
wissenschaftlich informierter
demokratischer Politikgestaltung zu
entwickeln. Deshalb haben die
Hochschule für Philosophie München (HFPH)
und die Medizinische Fakultät der
Otto-von-Guericke-Universität
Magdeburg eine einzigartige
interdisziplinäre Zusammenarbeit von
Politischer Philosophie und Public
Health zur Untersuchung
evidenzbasierter Politik (EBP) in
Angriff genommen.
Forschungsproblem: Sicherheit bei
Entscheidungsprozessen
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Prof. Michael
Reder (HFPH)
Foto (c)
Alescha Birkenholz
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Bürger:innen erwarten von der
Politik rasche Lösungen für
gesellschaftliche Probleme. Die
„richtigen“ politischen
Entscheidungen sind insbesondere in
Zeiten von Krisen zügig gefordert –
das hat die COVID-19-Pandemie einmal
mehr deutlich gemacht. Um Sicherheit
in komplexen Sachlagen zu
garantieren, bilden
wissenschaftliche Erkenntnisse oft
die notwendige
Entscheidungsgrundlage.
Evidenzbasiertes politisches
Handeln, also die
wissenschaftsbasierte Begründung
politischer Maßnahmen, erscheint
hier eine plausible Lösung, die das
Sicherheitsbedürfnis bedient.
Während der Pandemie mussten
politische Entscheidungen jedoch
unter Bedingungen extremer, auch
wissenschaftlicher Unsicherheit
getroffen werden. Die Politik stand
daher weiterhin vor dem Problem der
Legitimierung verschiedener
Maßnahmen zur Bekämpfung der
Pandemie. Das Projekt soll deswegen
klären, welche anderen Wissensformen
im politischen Entscheidungsprozess
hinzugezogen werden müssen, um ein
neues, breiteres Verständnis von EBP
grundzulegen.
Interdisziplinärer Forschungsansatz
Am 1. Oktober 2021 ist das
gemeinsame Forschungsprojekt der
beiden Universitäten unter der
Leitung von Prof. Dr. Michael Reder,
Professor für Praktische Philosophie
an der HFPH, und Prof. Dr. Christian
Apfelbacher, Direktor des Instituts
für Sozialmedizin und
Gesundheitssystemforschung (ISMG)
der Medizinischen Fakultät der
Otto-von-Guericke-Universität
Magdeburg, gestartet. Das Projekt
wird von der Deutschen
Forschungsgemeinschaft (DFG) mit
insgesamt knapp einer halben Million
Euro für einen Zeitraum von drei
Jahren gefördert.
Die interdisziplinäre Zusammenarbeit
ermöglicht einen multidimensionalen
Ansatz, der unterschiedliche
wissenschaftliche Perspektiven
integriert, die sich wiederum
gegenseitig befragen und ergänzen.
Während im Public Health-Teilprojekt
erforscht wird, wie
Epidemiolog:innen und Public
Health-Wissenschaftler:innen das
Verhältnis zwischen Wissenschaft und
Politik in den verschiedenen Phasen
der Pandemie erlebt haben, wird es
auf philosophischer Seite darum
gehen, politische Statements zur
Pandemie einer normativen
Rekonstruktion zu unterziehen,
gerade auch hinsichtlich ihrer
impliziten Konzepte und damit
verbundenen Normen. Prof. Reder
erläutert das Vorgehen:
„Besonders interessant wird es sein,
zu klären, welchem (Selbst-)Verständnis
die Akteurinnen und Akteure in
Politik und Wissenschaft anhängen,
welche Auffassungen der jeweiligen
Kompetenzen und Rollen also
tatsächlich wirkmächtig sind und in
welchem Maße sich die politische
Entscheidungsfindung in der Pandemie
auf wissenschaftliche Erkenntnisse
gestützt hat bzw. nicht gestützt
hat. Außerdem wollen wir einen
genaueren Blick darauf werfen,
welche Bedingungen erfüllt sein
müssen, damit insbesondere
demokratische Politik ein gutes
Wissensfundament hat – das berührt
dann auch Themen wie
Wissenschaftskommunikation, Bildung
und demokratische Partizipation“.
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Prof.
Christian Apfelbacher (ISMG)
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„Die Zusammenarbeit verstehen wir
als wechselseitigen Prozess des
Verstehens und Lernens:
Beispielsweise können wir am ISMG
aus unserer Perspektive von
Sozialmedizin, Public Health und
Versorgungsforschung dabei
unterstützen, philosophische
Analyseschritte und theoretische
Konzepte auf ihre Verständlichkeit
und ihren Anwendungsbezug hin zu
hinterfragen. Zeitgleich können wir
mit unserer qualitativen Teilstudie
ein empirisches Fundament zur
Verfügung stellen, mit welchen die
Philosophinnen und Philosophen ihre
theoretische Arbeit für ein
integratives EBP-Verständnis
fortsetzen können“, so Prof.
Apfelbacher über den engen Austausch
beider Disziplinen.
Das eröffnet die Möglichkeit, am
Ende zu einer belastbaren und
handlungsleitenden Konzeption von
politischer Entscheidungsfindung und
wissenschaftlichen Erkenntnissen zu
kommen. Das Projekt trifft also die
Wirklichkeit und die damit
verbundenen realen Herausforderungen
und soll Entscheidungsträger:innen
im besten Fall unterstützen.
Meldung:
Otto-von-Guericke Universität
Magdeburg (FME) und Hochschule für
Philosophie München (HFPH)