Es geht hier um die
Urteile vom 22. Oktober 2021 – V ZR
225/19, V ZR 8/20, V ZR 44/20 und V
ZR 69/20. Der unter anderem für das
Sachenrecht zuständige V. Zivilsenat
des Bundesgerichtshofs hat sich an
diesem Tag in vier Parallelverfahren
zu der Frage geäußert, unter welchen
Voraussetzungen Solarmodule, die in
eine Freiland-Photovoltaikanlage
eingebaut sind, Gegenstand
besonderer Rechte sein können.
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PV-Projekt |
In allen vier Verfahren klagte der
Insolvenzverwalter einer
Gesellschaft, die im Jahr 2010 eine
Freiland-Photovoltaikanlage mit
insgesamt 5.000 Photovoltaikmodulen,
neun Wechselrichtern und einer
Gesamtleistung von 1.050 kWp erwarb,
welche zuvor auf dem Grundstück
eines Dritten errichtet worden war.
Die Gesellschaft erhielt an dem
Grundstück ein Nutzungsrecht. Ende
2010 verkaufte sie die Module dieser
Anlage an insgesamt 65
Kapitalanleger. Diese sollten gemäß
den jeweiligen Kaufverträgen – mit
Unterschieden in den Einzelheiten –
das Eigentum an einer bestimmten
Anzahl von Modulen nebst einem
Miteigentumsanteil an der
Unterkonstruktion der
Photovoltaikanlage erwerben.
Zugleich vermieteten die Anleger die
Module an ein Tochterunternehmen der
die Module veräußernden Gesellschaft
zurück. Im März 2016 wurde das
Insolvenzverfahren über das Vermögen
der Gesellschaft eröffnet und der
Kläger zum Insolvenzverwalter
bestellt.
Der Kläger hat in einer Reihe von
Verfahren die Feststellung betont,
dass die jeweiligen Beklagten kein
Eigentum an den Modulen und der
Unterkonstruktion erworben haben. Im
Verfahren vor dem OLG Bamberg ist
die Klage dennoch abgewiesen worden
(V ZR 69/20). In zwei weiteren
Verfahren haben die jeweiligen
Beklagten Widerklage u.a. auf
Herausgabe der Module erhoben und
haben die jeweiligen Parteien den
Rechtsstreit hinsichtlich der Klage
für in der Hauptsache erledigt
erklärt.
Die Widerklagen hatten in den
Verfahren vor dem Oberlandesgericht
München (V ZR 225/19) und vor dem
Oberlandesgericht Bamberg (V ZR
8/20) jeweils Erfolg. Der Kläger hat
mit seiner Revision die drei für ihn
nachteiligen Urteile angegriffen und
seinen Feststellungsantrag bzw.
seinen Antrag auf Abweisung der
Widerklage weiterverfolgt, in dem
Verfahren des OLG Karlsruhe wollte
der Beklagte mit seiner Revision
erreichen, dass die Klage abgewiesen
wird
Entscheidung des Senats
Der Bundesgerichthof hat die vier
Berufungsurteile aufgehoben und die
Sachen an die jeweiligen OLG's zur
neuen Verhandlung und Entscheidung
zurückverwiesen. Dem liegen folgende
Erwägungen zu Grunde:
Der Eigentumserwerb der jeweiligen
Beklagten setzt u.a. voraus, dass
die Module zum Zeitpunkt der
Übereignung sonderrechtsfähig, d.h.
weder wesentliche Bestandteile des
Grundstücks (§ 94 Abs. 1 BGB) noch
der Photovoltaikanlage (§ 93 BGB
oder § 94 Abs. 2 BGB) waren.
Die Berufungsgerichte gehen
übereinstimmend rechtsfehlerfrei
davon aus, dass die
Photovoltaikanlage selbst – und
damit die Module als Teile dieser –
nicht nach § 94 Abs. 1 BGB
wesentliche Bestandteile des
Grundstücks sind, weil die Anlage
mit diesem nicht fest verbunden oder
jedenfalls als Scheinbestandteil
i.S.v. § 95 BGB anzusehen ist, da
sie aufgrund eines Nutzungsvertrages
errichtet wurde, der ihren Abbau zum
Ende der Vertragslaufzeit vorsieht.
Die Module gelten nicht als
wesentliche Bestandteile der Anlage,
weil diese als Gebäude i.S.v. § 94
Abs. 2 BGB anzusehen wäre, in das
die Module zur Herstellung eingefügt
wurden. Gebäude im Sinne dieser
Vorschrift sind zwar auch andere
größere Bauwerke, deren Beseitigung
eine dem (Teil-)Abriss eines
Gebäudes im engeren Sinne
vergleichbare Zerschlagung
wirtschaftlicher Werte bedeutete.
Ein Bauwerk setzt in diesem
Zusammenhang aber regelmäßig etwas
mit klassischen Baustoffen
"Gebautes" von solcher Größe und
Komplexität voraus, dass die
Beseitigung die Zerstörung oder
wesentliche Beschädigung und den
Verlust der Funktionalität der Sache
zur Folge hätte. Eine
Freiland-Photovoltaikanlage stellt
jedenfalls dann, wenn sie – wie hier
– aus einer gerüstähnlichen
Aufständerung aus Stangen oder
Schienen sowie darin eingesetzten
Photovoltaikmodulen besteht, kein
Gebäude i.S.v. § 94 BGB dar.
Die Module könnten aber nach § 93
BGB wesentliche Bestandteile der
Gesamtanlage sein. Ob ein
Bestandteil im Sinne dieser
Vorschrift wesentlich ist, bestimmt
sich nach den Verhältnissen im
Zeitpunkt der Verbindung, wenn es
darauf ankommt, ob an dem
Bestandteil bestehende Rechte
Dritter infolge der Verbindung
untergegangen sind. Ist dagegen –
wie hier – zu beurteilen, ob Rechte
Dritter an einem Bestandteil
begründet werden können, der bereits
in eine zusammengesetzte Sache
eingefügt ist, kommt es auf die
Verhältnisse bei Entstehung des
Rechts und darauf an, welche Folgen
der gedachte Ausbau in diesem
Zeitpunkt gehabt hätte. Hätten die
Module bei der Übereignung im Falle
der Trennung noch durch zumindest
vergleichbare, auf dem Markt
verfügbare Modelle ersetzt und
ihrerseits in anderen Anlagen
verwendet werden können, wären sie
sonderrechtsfähig gewesen. Hiervon
kann angesichts der kurzen
Zeitspanne zwischen der Errichtung
der Anlage und Übereignung der
Module an die Anleger ausgegangen
werden, wenn der Kläger nicht etwas
Anderes darlegt und ggf. beweist.
Unerheblich ist – entgegen der
Auffassung des Klägers –, ob die
gesamte Anlage durch den Ausbau
eines oder mehrerer Module die
bisherige Einspeisevergütung nach
dem Erneuerbare-Energien-Gesetz
(EEG) verloren und nur noch die
geringere Einspeisevergütung aus dem
Jahr der Übereignung an den
Beklagten erhalten hätte, weil für
sie dann ein neues
Fertigstellungsdatum i.S.d. EEG
gegolten hätte. Eine solche
Veränderung der rechtlichen und
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen
führte nicht dazu, dass die Module
zu wesentlichen Bestandteilen der
Anlage geworden wären.
Sollten die Module nach den
genannten Maßstäben als wesentliche
Bestandteile der Anlage anzusehen
sein, ergäbe sich ihre
Sonderrechtsfähigkeit nicht daraus,
dass sie Scheinbestandteile i.S.v. §
95 Abs. 1 BGB darstellten. Denn
diese Vorschrift, nach der zu den
Bestandteilen eines Grundstücks
solche Sachen nicht gehören, die nur
zu einem vorübergehenden Zweck mit
dem Grund und Boden verbunden sind,
ist auf Bestandteile einer
beweglichen Sache i.S.v. § 93 BGB
nicht entsprechend anwendbar. Die
Photovoltaikanlage ist eine
bewegliche Sache im Rechtssinne,
weil sie weder ein Gebäude noch
wesentlicher Bestandteil des
Grundstücks ist.
Sollten die Module nicht als
wesentliche Bestandteile der
Gesamtanlage anzusehen sein, werden
die Berufungsgerichte teilweise noch
ergänzende Feststellungen dazu zu
treffen haben, ob die jeweiligen
Module in den der Übereignung zu
Grunde liegenden Lageplänen
hinreichend deutlich gekennzeichnet
waren, da die dingliche Einigung nur
dann dem sachenrechtlichen
Bestimmtheitsgebot genügte. Zudem
sind ggf. ergänzende Feststellungen
zu der Übergabe der Module und der
Unterkonstruktion an die jeweiligen
Beklagten bzw. zu einer nach §§ 929
ff. BGB zulässigen Surrogation zu
treffen.
Vorinstanzen:
Die zugehörigen Vorschriften
hierzu lauten
§ 93 Wesentliche Bestandteile
einer Sache: Bestandteile einer
Sache, die voneinander nicht
getrennt werden können, ohne dass
der eine oder der andere zerstört
oder in seinem Wesen verändert wird
(wesentliche Bestandteile), können
nicht Gegenstand besonderer Rechte
sein.
§ 94 Wesentliche Bestandteile
eines Grundstücks oder Gebäudes
(1) Zu den wesentlichen
Bestandteilen eines Grundstücks
gehören die mit dem Grund und Boden
fest verbundenen Sachen,
insbesondere Gebäude, sowie die
Erzeugnisse des Grundstücks, solange
sie mit dem Boden zusammenhängen.
2Samen wird mit dem Aussäen, eine
Pflanze wird mit dem Einpflanzen
wesentlicher Bestandteil des
Grundstücks. (2) Zu den
wesentlichen Bestandteilen eines
Gebäudes gehören die zur Herstellung
des Gebäudes eingefügten Sachen.
§ 95 Nur vorübergehender
Zweck (1) Zu den
Bestandteilen eines Grundstücks
gehören solche Sachen nicht, die nur
zu einem vorübergehenden Zweck mit
dem Grund und Boden verbunden sind.
2Das Gleiche gilt von einem Gebäude
oder anderen Werk, das in Ausübung
eines Rechts an einem fremden
Grundstück von dem Berechtigten mit
dem Grundstück verbunden worden ist.
(2) Sachen, die nur zu einem
vorübergehenden Zweck in ein Gebäude
eingefügt sind, gehören nicht zu den
Bestandteilen des Gebäudes.
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Wind AG, Wiesbaden,
Meldung:
Pressestelle des Bundesgerichtshofs,
Karlsruhe
Siehe auch:
Bundesgerichtshof entscheidet über
die Sonderrechtsfähigkeit von
Modulen in
Freiland-Photovoltaikanlagen