"Die Treibstoffkrise verdeutlicht
das Risiko von Versorgungsengpässen
bei zahlreichen Waren, von
Treibstoff bis hin zu Getränken oder
Spielzeug", so Dr. Lucker. "Die
Herstellung und Lieferung dieser
Produkte erfolgt mit Hilfe
kosteneffizienter Lieferketten, die
auf ein stabiles Nachfrage- und
Angebotsverhältnis ausgerichtet
sind. Wenn eines von beiden gestört
wird, wie es bei der derzeitigen
Nachfrage nach Benzin der Fall ist,
sind Produktengpässe unvermeidlich,
und der Preiswettbewerb lässt nur
wenig Spielraum.
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Tankstelle
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Der konkrete
Fall der Kraftstoffe zeigt, wie das
Verbraucherverhalten die
Versorgungsprobleme verschärfen
kann. Durch Panikkäufe wird einfach
die Menge an Treibstoff reduziert,
welche denjenigen zur Verfügung
steht, die ihn dringend brauchen:
ein ähnliches Muster, wie wir es zu
Beginn der Pandemie bei
Toilettenpapier beobachtet haben.
Leider führen diese Panikkäufe zu
einer erheblichen Verzerrung, da
diese 'falsche' Nachfrage ihren Weg
entlang der Versorgungskette bis zu
den Raffinerien findet. Die
Raffinerien erhöhen dementsprechend
ihre Produktionsleistung und sind
aufgrund der Verarbeitungszeiten
nicht in der Lage, diese
zusätzlichen Kapazitäten abzubauen,
wenn sich die Nachfrage wieder
normalisiert. Als Folge entsteht ein
Überangebot an Kraftstoffen, und die
Kosten für diese Ineffizienz werden
in der Regel auf die Kunden
abgewälzt."
Transparenz ist
der Schlüssel zur Krisenlösung
"Der
Aufbau von Vertrauen in die
politischen Entscheidungsträger und
die Kraftstofflieferanten, um die
Versorgungsprobleme zu lösen, wird
die Menschen dazu anregen,
Panikkäufe einzustellen", so Dr. Lucker. "Ein besserer
Informationsaustausch und mehr
Vertrauen zwischen allen Beteiligten
wäre ebenfalls von großem Vorteil.
Das bedeutet, dass die
Tankstellenbetreiber den Raffinerien
die tatsächliche Nachfrage melden
sollten. Die gängige Praxis, die
Nachfrage bei den Raffinerien zu
übertreiben, mag den
Tankstellenbetreibern kurzfristig zu
mehr Lieferungen verhelfen, schadet
aber langfristig der Lieferkette.”
Warum Benzin
ein besonders schnelllebiges
Konsumgut ist
"Wir können die
Benzinversorgungssituation auf zwei
Ebenen analysieren". Erstens ist
Benzin ein schnelllebiges Gut und
wird nicht in großen Mengen an jeder
Zapfsäule gelagert. Zweitens hat ein
Autobesitzer keinen Ersatz. Zusammen
genommen bedeutet es, dass jeder
Hinweis auf eine Verknappung, aus
welchem Grund auch immer, zu
Panikkäufen der Autobesitzer führen
wird, was bestenfalls zu Engpässen
führt. Auf einer höheren Ebene ist
jedoch aus diesen Engpässen – sei es
durch Covid, Quarantänen oder die
durch den Brexit verursachten
Ungewissheiten - ganz klar
ersichtlich, dass der Fahrermangel
auf andere Sektoren übergreift, und
das ist kein gutes Zeichen. Die
befristete Visaregelung der
Regierung kann die Situation
entweder verbessern oder
verschlechtern, da es sich um eine
Notlösung handelt", so Manmohan
Sodhi, Professor für Operations and
supply chain management an der Bayes
Business School.
„Sie kann die
Wirtschaft entlasten, indem sie es
den Unternehmen ermöglicht, selbst
Arbeitskräfte zu finden, egal woher
sie kommen und zu welchem Lohn.
Umgekehrt kann sie die
Unsicherheiten, die Arbeitnehmer vom
Arbeitsmarkt fernhalten, zusätzlich
verstärken. Sicher, die Regierung
kann sich den Niedriglohnländern
zuwenden und Visa für LKW-Fahrer
anbieten, aber was passiert nach
drei Monaten? Eine bessere
Übergangslösung wäre es, die
Menschen dazu aufzufordern, einige
Tage lang Kraftstoff zu sparen und
überflüssige Fahrten zu reduzieren.
Dies würde den Ölgesellschaften Zeit
und Raum geben, um ihre
Lagerbestände zu ordnen. Weniger ist
in der Tat mehr, wenn es um die
Wirksamkeit geht. Der Mangel an
Waren und Arbeitskräften, der sich
aus der Wiederbelebung der
Wirtschaft nach einem Nachfragestau
ergibt, wird einige Zeit in Anspruch
nehmen. Die Regierung muss die mit
dem Brexit verbundenen
Unsicherheiten abbauen und einen
reibungslosen Warenverkehr
sicherstellen, aber leider ist dies
nur dann möglich, wenn die
EU-Partner die gleiche Dringlichkeit
an den Tag legen.“
Kommentare stammen von Dr.
Florian Lucker [3], Senior Lecturer
in Supply Chain Management, und
Manmohan Sodhi [4], Professor für
Operations und Supply Chain
Management an der Bayes Business
School [2] (ehemals Cass)
Foto (c) Kulturexpress,
Meldung:
Ida Junker, PPOOL
media communications, Paris
[1]
https://www.city.ac.uk/news-and-events/news/2021/09/petrol-crisis-requires-mutual-trust-between-policymakers-consumers-and-suppliers
[2]
https://www.bayes.city.ac.uk/
[3]
https://www.bayes.city.ac.uk/faculties-and-research/experts/florian-lucker
[4]
https://www.bayes.city.ac.uk/faculties-and-research/experts/manmohan-s-sodhi