Zu diesem Resultat
kam ein Forschungsteam der MedUni
Wien um den Allergologen und
Immunologen Rudolf Valenta vom
Zentrum für Pathophysiologie,
Infektiologie und Immunologie. Es
zeigte sich in einer Studie, dass
der entscheidende Immunschutz, der
das Andocken und Eindringen in die
Körperzellen verhindert, nur dann
entsteht, wenn man Antikörper
speziell gegen die gefaltete
Rezeptorbindungsdomäne (RBD) des
Spikeproteins bilden kann. Diese
Andockstelle ändert sich auch bei
Virusmutanten nicht wesentlich.
Manchen Menschen ist das jedoch aus
unterschiedlichen Ursachen nicht
möglich. Abhilfe könnte ein
Antigen-basierter, auf RBD
abzielender Impfstoff schaffen, der
aber noch nicht zur Verfügung steht.
Die Studie wurde im Top-Journal „Allergy“ publiziert.
Vor einem Jahr untersuchte ein
Forschungsteam um den Studienleiter
Rudolf Valenta und Winfried F. Pickl
vom Zentrum für Pathophysiologie,
Infektiologie und Immunologie der
MedUni Wien anhand einer ersten
Kohorte genesener
COVID-19-PatientInnen mit mildem
Krankheitsverlauf den Status ihrer
Immunität. Damals zeigte sich unter
anderem, dass ein beträchtlicher
Teil der Infizierten keine
schützenden Antikörper gegen
SARS-CoV-2 bilden konnte.
In der nun publizierten Folgestudie
analysierten Valenta und sein Team
die Antikörperantwort einer größeren
Kohorte nach milder und schwerer
SARS-CoV-2 Infektion. Die Studie
erfolgte mit Hilfe der an der MedUni
Wien entwickelten Mikroarray (Chip)-Technologie,
wobei eine Vielzahl an
Virus-Antigenen auf einen Chip in
mikroskopischer Größe maschinell
aufgebracht werden. Zusätzlich
wurden überlappende
Eiweißbruchstücke (Peptide) dieser
Virusantigene darauf fixiert, die
das ganze Spikeprotein abdecken, auf
dem die Rezeptorbindungsdomäne (RBD)
sitzt. Mit dieser bindet das
SARS-CoV-2-Virus an den
ACE2-Rezeptor der menschlichen
Zellen.
Die Erwartung der ForscherInnen war,
dass eine Immunreaktion auf die
Peptide erfolgen würde, jedoch kam
es nur gegenüber dem intakten,
dreidimensional gefalteten
Spikeprotein zu Antikörperbildung.
Proteine erhalten ihre
dreidimensionale Gestalt nämlich
durch den physikalisch bedingten
Prozess der Eiweiß-Faltung. Das
SARS-CoV-2-Virus benötigt zum
Andocken an die Körperzellen
offenbar das dreidimensional
gefaltete Protein. Ausschließlich
eine Antikörper-Antwort gegen das
gefaltete Protein, nicht aber gegen
Teile davon, schützt gegen die
Infektion.
Daraus ergibt sich eine wesentliche
Schlussfolgerung: Hohe
Antikörperspiegel gegen das
gefaltete Spikeprotein und
insbesondere gegen die darin
enthaltene RBD verhindern die
Bindung des Virus an die
menschlichen Körperzellen. Wenn
jemand jedoch keine Antikörper gegen
die gefaltete RBD bilden kann, ist
er wenig geschützt. Die
ForscherInnen zeigten auch, dass nur
die gefaltete RBD, nicht aber
ungefaltete RBD bei Immunisierung
einen Immunschutz erzeugt. Da die
derzeit in Verwendung stehenden
genetischen Impfstoffe eine
Infektion nachahmen, ist es daher
möglich, dass Impfdurchbrüche durch
mangelnde Entwicklung von
Antikörpern gegen gefaltetes RBD
erklärbar sind.
Zusammenfassend lässt sich somit
festhalten, dass Menschen, die in
ausreichender Menge Antikörper gegen
die gefaltete RBD bilden, gegen
SARS-CoV-2 Infektionen geschützt
sind. Diese Antikörper sind im Blut
durch Neutralisationstests gut
messbar. Leider funktioniert die
Produktion dieser Antikörper bei
zwanzig Prozent der Genesenen - und
wahrscheinlich auch Geimpften -
nicht. Valenta: „Die Entwicklung
eines mittels Helfer-Eiweißes
verstärkten, auf RBD basierenden
Antigen-Impfstoffes ist dringend
erforderlich. Dieser würde in großer
Effektivität RBD-spezifische und
damit neutralisierende Antikörper
induzieren, deren Spiegel durch
Auffrischungsimpfungen hochgehalten
werden könnte.“ So ließe sich auch
die „Achillesferse“ des Virus
ausnützen, dessen Andockstelle sich
bei Mutationen nicht wesentlich
ändere, so Valenta weiters.
Service: Allergy
“Neutralization of SARS-CoV-2
requires antibodies against
conformational receptor-binding
domain epitopes.” Pia Gattinger,
Katarzyna Niespodziana, Karin
Stiasny, Sabina Sahanic, Inna
Tulaeva, Kristina Borochova, Yulia
Dorofeeva, Thomas Schlederer, Thomas
Sonnweber, Gerhard Hofer, Renata
Kiss, Bernhard Kratzer, Doris Trapin,
Peter A.Tauber, Arno Rottalg, Ulrike
Körmöczi, Melanie Feichter, Milena
Weber, Margarete Focke-Tejkl, Judith
Löffler-Ragg, Bernhard Mühl, Anna
Kropfmüller, Walter Keller, Frank
Stolz, Rainer Henning, Ivan
Tancevski, Elisabeth
Puchhammer-Stöckl, Winfried F. Pickl,
Rudolf Valenta.
Allergy. 2021 Aug 28.
doi:10.1111/all.15066
Meldung:
Medical University of Vienna