Das Buch von Ralf
Liptau ist in zwei große Gruppen
geteilt. Zum einen dient das
Entwurfsmodell der Ansichtigkeit
eines Bauobjektes, das gerade in
Planung ist und wodurch das Objekt
nach ersten Skizzen in seiner
Gesamtheit auch haptisch erfasst
werden kann. Das ist wichtig, denn
durch die Erfindung des Architekturmodells entsteht eine besondere Form
der Imagination, indem Betrachter
versucht sind, das Gesehene in die
Realität in gebaute Architektur
umzusetzen. Der vorliegende Band
untersucht dabei Rolle und Funktion
von Architekturmodellen der 1950er
bis in die 1970er Jahre. Leitend ist
hierbei die These, dass das Modell
nicht nur wesentliches
Entwurfswerkzeug der
Nachkriegsmoderne gewesen ist,
sondern dass Modellierung als
Tätigkeit und das resultierende
Modell Einfluss auf die Entstehung
von Architektur nehmen.
Die andere Seite der
Medaille sieht im Modellbau einen
erhöhten Zugewinn an Plastizität und
rechnet die Arbeit am Entwurfsmodell
der Bildenden Kunst zu, indem
Modellbau und Bauwerk vergleichbar
mit der Entstehung einer Skulptur
sind. "Architektur bilden"
beschäftigt sich in seinen Beiträgen
überwiegend mit Knet- und
Würfelmodellen sowie der Frage nach
dem besonderen Erkenntniswert der
sich aus dem Entwurfsmodell für Betrachter
ergeben können.
Zu den im Buch vorgestellten
Gebäuden mit Ausformungen als
Knetmodell zählt das Festsaalgebäude
der Waldorfschule in Stuttgart. Die
bauliche Umsetzung durch den
Stuttgarter Architekten Rolf
Gutbrod (1910 - 1999) zeigt
diesen Festsaal als eine in
skulptural-monolithischer Form
modellierte Architektur. Die
Verwendung von Ton- und
Plastiliinmodellen im vorliegenden
Beispiel weist überdeutlich auf die
leitende Bedeutung bei der
Entwurfsfindung hin. Umgesetzt wurde
das Gebäude schließlich in
Sichtbeton, was den Umgang mit
Plastilin während des Modellbaus
erleichtert hat. Das Entwurfsmodell
der Fassade zur
Universitätsbibliothek in Köln wurde
vom gleichen Architekten um 1960
wiederum mit Holzstäbchen umgesetzt.
Carlfried Mutschler ist
skulptural mit dem Modell des
Gemeindezentrums in Mannheim aus dem
gleichen aufgeführt, das baulich
nicht die Realität umgesetzt wurde.
Den künstlerisch ausgebildeten und
in seinen Entwürfen stark skulptural
arbeitenden Nachkriegsarchitekten Gottfried
Böhm erwähnt der Buchautor gar
nicht, obwohl das skulpturale
Verständnis von Architektur als
Skulptur einer der beiden
Schwerpunkte der
Untersuchung bildet.
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