Mit dem vom 25. März
veröffentlichtem Beschluss hat der
Zweite Senat des
Bundesverfassungsgerichts das Gesetz
zur Mietenbegrenzung im
Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG
Bln) mit dem Grundgesetz unvereinbar
und deshalb nichtig erklärt.
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Foto (c) Visit Berlin
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Regelungen zur Miethöhe für frei
finanzierten Wohnraum, der auf dem
freien Wohnungsmarkt angeboten
werden kann (ungebundener Wohnraum),
fallen in die konkurrierende
Gesetzgebungszuständigkeit. Die
Länder sind nur zur Gesetzgebung
befugt, solange und soweit der Bund
von seiner Gesetzgebungskompetenz
keinen abschließenden Gebrauch
gemacht hat (Art. 70, Art. 72 Abs. 1
GG). Da der Bundesgesetzgeber das
Mietpreisrecht in den §§ 556 bis 561
BGB abschließend geregelt hat, ist
aufgrund der Sperrwirkung des
Bundesrechts für die
Gesetzgebungsbefugnis der Länder
kein Raum. Da das MietenWoG Bln im
Kern ebenfalls die Miethöhe für
ungebundenen Wohnraum regelt, ist es
insgesamt nichtig.
Sachverhalt:
Das MietenWoG Bln trat – mit
Ausnahme des § 5 MietenWoG Bln – am
23. Februar 2020 in Kraft. Der
„Berliner Mietendeckel“ besteht für
die von seinem Anwendungsbereich
erfassten Wohnungen im Wesentlichen
aus drei Regelungskomplexen: einem
Mietenstopp, der eine Miete
verbietet, die die am 18. Juni 2019
wirksam vereinbarte Miete
überschreitet, einer
lageunabhängigen Mietobergrenze bei
Wiedervermietungen, wobei gebäude-
und ausstattungsbezogene Zuschläge
sowie bestimmte
Modernisierungsumlagen erlaubt sind,
sowie einem gesetzlichen Verbot
überhöhter Mieten. Auf Neubauten,
die ab dem 1. Januar 2014 erstmalig
bezugsfertig wurden, finden die
Vorschriften des MietenWoG Bln
dagegen keine Anwendung.
Die Antragsteller im Verfahren der
abstrakten Normenkontrolle (2 BvF
1/20) – 284 Abgeordnete des
Deutschen Bundestages der Fraktionen
von CDU/CSU und FDP – halten das
MietenWoG Bln für unvereinbar mit
der grundgesetzlichen Verteilung der
Gesetzgebungskompetenzen (Art. 70
ff. GG). Die beiden Richtervorlagen
(2 BvL 4/20 und 2 BvL 5/20)
betreffen die Vereinbarkeit von § 3
MietenWoG Bln mit dem Grundgesetz.
Wesentliche
Erwägungen des Senats:
Das MietenWoG Bln ist mit Art. 74
Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Art.
72 Abs. 1 GG unvereinbar und
nichtig.
Das Grundgesetz geht von einer in
aller Regel abschließenden
Verteilung der
Gesetzgebungskompetenzen zwischen
Bund und Ländern aus. Abgrenzung und
Inhalt der Gesetzgebungsbefugnisse
von Bund und Ländern richten sich
dabei ausschließlich nach Art. 70
ff. GG. Die Gesetzgebungskompetenzen
werden insbesondere mittels der
Kataloge der Art. 73 und Art. 74 GG
durchweg alternativ voneinander
abgegrenzt. Doppelzuständigkeiten
sind dem Grundgesetz in der Regel
fremd. Der Bund hat demnach das
Recht zur Gesetzgebung, soweit das
Grundgesetz ihm dieses ausdrücklich
zuweist. Der Kompetenzbereich der
Länder wird daher grundsätzlich
durch die Reichweite der
Bundeskompetenzen bestimmt, nicht
umgekehrt. Eine
Zuständigkeitsvermutung zugunsten
der Länder kennt das Grundgesetz
nicht. Öffnungsklauseln in
Bundesgesetzen sind zwar zulässig,
gewähren den Ländern aber keine über
die Öffnung hinausgehenden
Spielräume.
Regelungen zur
Miethöhe für ungebundenen Wohnraum
fallen als Teil des sozialen
Mietrechts in die konkurrierende
Gesetzgebungszuständigkeit für das
bürgerliche Recht im Sinne von Art.
74 Abs. 1 Nr. 1 GG.
Nach dem durch Staatspraxis und
Regelungstradition seit nunmehr 150
Jahren geprägten Rechtsverständnis
umfasst das bürgerliche Recht die
Gesamtheit aller Normen, die
herkömmlicherweise dem Zivilrecht
zugerechnet werden. Entscheidend
ist, ob durch eine Vorschrift
Privatrechtsverhältnisse geregelt
werden, also die Rechtsverhältnisse
zwischen Privaten und die sich aus
ihnen ergebenden Rechte und
Pflichten. Das Recht der
Mietverhältnisse ist seit dem
Inkrafttreten des Bürgerlichen
Gesetzbuchs am 1. Januar 1900 in den
§§ 535 ff. BGB geregelt und –
ungeachtet zahlreicher Änderungen –
ein essentieller Bestandteil des
bürgerlichen Rechts. Das gilt auch
für die Mietverhältnisse über
Wohnungen (§ 549 BGB).
Spätestens mit
dem Mietrechtsnovellierungsgesetz
hat der Bund die Bemessung der
höchstens zulässigen Miete für
ungebundenen Wohnraum abschließend
geregelt. In den vergangenen sechs
Jahren hat er mit den vier
genannten, teils umfangreichen
Gesetzen auf die sich verschärfende
Wohnungssituation in den
Ballungsgebieten reagiert und
versucht, mit detaillierten
Regelungen einen Ausgleich zwischen
den grundrechtlich geschützten
Interessen der Vermieter und der
Mieter zu gewährleisten und
hierdurch die Mietpreisentwicklung
in angespannten Wohnungsmärkten zu
dämpfen.
Da der Bundesgesetzgeber von seiner
konkurrierenden Kompetenz jedenfalls
im Hinblick auf die Festlegung der
höchstzulässigen Miete bei
ungebundenem Wohnraum abschließend
Gebrauch gemacht hat, sind die
Länder von Regelungen der Miethöhe
in diesem Bereich ausgeschlossen
(Art. 72 Abs. 1 GG). Der „Berliner
Mietendeckel“ und die
bundesgesetzliche Mietpreisbremse
regeln im Wesentlichen denselben
Gegenstand, nämlich den Schutz des
Mieters vor überhöhten Mieten für
ungebundenen Wohnraum.
Meldung:
Bundesverfassungsgericht, Karlsruhe
Bundesverfassunggericht - Gesetz zur
Mietenbegrenzung im Berliner
Wohnungswesen nichtig