Warum Versicherer keine Anwälte ihrer Kunden sind? „Panik-Professor: Das Virus braucht einen Wirt. Also schließen wir alle Wirtschaften: Basta !“
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Auf dem Foto Peter A. Schramm |
Ist der Vergleich
mit Versicherer (VR) über
die Betriebsschließungsversicherung
(BSV) unwirksam?
Eine renommierte Kanzlei für
Versicherungsrecht und ein
fachlicher Professor meinten
03/2021: „Der VR handelt treuwidrig,
wenn er seine überlegene Sach- und
Rechtskenntnis zum Nachteil des VN
ausnutzt (so schon BGH v. 07.02.2007
- IV ZR 244/03). Der VR handelt
folglich treuwidrig, wenn er bei
einer BSV nicht auf die völlig
unklare Rechtslage und die
strittigen Punkte hinsichtlich des
Deckungsschutzes hinweist. So auch
LG Flensburg v. 17.12.2008 - 4 O
143/20Rn.
Die VU haben sehr wohl
darauf hingewiesen, dass nach ihrer
Meinung aus mehreren Gründen kein
Versicherungsschutz bestünde. Sie
haben aber nicht darauf hingewiesen,
dass dieser Befund keinesfalls
objektiv feststand. Sie haben also
bei den VN den Eindruck erweckt, es
bestünde objektiv kein
Versicherungsschutz, obwohl sie
genau wussten, dass diese Frage
weder in Rechtsprechung noch in
der Literatur endgültig geklärt war und
ist. Im bestmöglichen Interesse der
Kunden hätte es gelegen, ihnen
keinen Vergleich sondern eine echte
Kulanzzahlung anzubieten. Im
bestmöglichen Interesse hätten die VU dann gehandelt, wenn sie 15
Prozent ohne Wenn und Aber
gezahlt hätten und den Kunden die
Möglichkeit eröffnet hätten, im
Rahmen von Rechtsstreiten eine
höhere Leistung durchzusetzen. Bei
fehlerhafter Beratung entsteht
Schadensersatz nach § 6 Abs. 5 VVG.
Bei fehlerhafter Mitwirkung in der
Schadenbearbeitung – wie hier –
folgt der Schadenersatzanspruch aus
§ 280 Abs. 1 BGB. Es fehlt auch am
Verschulden des Maklers, der
jedenfalls nicht klüger sein kann
als die geballte Kompetenz der
Staatsregierung und der beteiligten
Verbände“.
Quellen:
www.pfefferminzia.de/gutachten-von-hans-peter-schwintowski-die-bayerischeloesung-
zur-bsv-ist-unwirksam/
Vergleiche
mit VR einer BSV sind in der Regel
nicht angreifbar
Wenn ein VR einen
Vergleichsvorschlag unterbreitet –
ohne eigene Beratung des
Versicherungsnehmers (VN) und ohne
„Einwirkung auf die tatsächliche
Schadensbearbeitung“ – so sind
entsprechende (Vergleichs-)Verträge
regelmäßig nicht anfechtbar. Im
Wirtschaftsleben darf in aller Regel
jeder seine eigene Rechtsmeinung
kundtun, ohne Hinweis darauf, daß
die Wahrheit oder Rechtswirklichkeit
auch anders gesehen werden kann.
Auch der Versicherer steht in seinem
Lager und nicht dem des einzelnen
VN. Das Handeln des VRs im
bestmöglichen Interesse wird hier
überzogen. Dieses könnte "kollektiv"
gesehen werden, im Sinne der
Versicherungsgemeinschaft -
Einzelnen zu nützen, indem die
anderen zu spät Kommenden dann die
Nachteile tragen müssen, ist damit
sicher gar nicht gemeint. Jedem VN
ist im Allgemeinen klar, dass er bei
Zweifeln, weil er die Frage wie hier
nicht selbst beurteilen kann, einen
Anwalt fragt - und der hätte doch
sicher gemerkt, dass man die Sache
auch anders sehen kann? In der
Praxis müssen Anwälte und Makler
bereits Gutachter bzw.
Sachverständige zuziehen, um die
Höhe des Schadens zu ermitteln –
Vergleiche mit dem VR im Blindflug
vernichten den Berater halt.
Erkennbarkeit eines
Rechtsstandpunktes, wenn „Vergleich“
und nicht „Kulanz“ angeboten wurde
Bereits der Umstand, dass hier
keine Kulanz, sondern ein Vergleich
angeboten wurde, müsste dies
eigentlich für jeden erkennbar
machen. Indes könnten Makler haften,
wenn sie selbst sich dies ungeprüft
zu Eigen gemacht haben. Mindestens
aber hätte es nahegelegen, den
Versicherer dadurch in die Pflicht
zu nehmen, dass von ihm eine echte
Beratung verlangt wird, die er wenn
der Makler nicht dazu in der Lage
ist, ja gesetzlich leisten muss,
samt Dokumentation. Dann wäre
nämlich der VR wegen Falschberatung
in der Haftung. Oder der Makler
hätte auf die Inanspruchnahme eines
Rechtsanwaltes (RA) verweisen
müssen. Hat er solches unterlassen,
haftet er schon deshalb doch. Kein
Makler wird doch sich darauf
zurückziehen können, dass er nicht
klüger als der Versicherer ist, und
daher diesem alles erst einmal
glauben darf. Dass eine Kulanz-
statt einer Vergleichszahlung für
die VN besser gewesen wäre, ist zwar
klar. Indes können deshalb ja VR
nicht zu einer Kulanzzahlung mit
nachfolgendem Prozessrisiko
gezwungen werden, wenn sie es so
nicht wollen, und lieber einen
abschließenden Vergleich anbieten.
Wenn eine Kulanzzahlung deshalb
nicht möglich ist, dann natürlich
auch nicht als „Handeln im
bestmöglichen Interesse“ der VN.
Der Rat des
Maklers ohne Dokumentation führt bis
zur Beweislastumkehr zu seinem
Nachteil Der BGH
(BGH, Urteil vom 05.06.2014, III ZR
557/13) fordert vom
Versicherungsvermittler jeder Art,
seine Beratungen zu dokumentieren –
widrigenfalls es bis zur
Beweislastumkehr kommt. Wenn man
sich auf angebliche Experten der
Regierung beruft (bekanntlich gibt
es keine Qualifikation um Politiker
zu werden, nicht mal Küchenhilfe
muss man vorher gewesen sein) ist
dies untauglich. Manche politische
Lösung ist ein Kompromiss, um
Rechtsstreite mit ungewissem Ausgang
zu vermeiden. So bekommt jeder rasch
etwas, statt viel später am Ende
manche mehr und manche gar nichts –
darin zeigt sich politische
Kompetenz. Eine rechtliche Prüfung
des Einzelfalls ist damit gar nicht
verbunden – und auch vom Versicherer
nicht versucht, wenn er diesen
Kompromiss anbietet.
Seltene
Erkennbarkeit der
Beratungsbedürftigkeit des VN durch
den VR Der VR musste zudem wohl
nicht erkennen, dass der VN Beratung
braucht - bei Maklerkunden ohnehin
nicht. Und bei anderen hätte der
angeforderte Rat ggf. darin
bestanden, bei Zweifeln doch einen
RA zu fragen – darauf hätte jeder
aber auch ohne diese Beratung selbst
kommen können. Was dann zeigt, dass
sich ein solcher Beratungsbedarf
„ungefragt“ dem VR nicht gerade
aufdrängt. Dass VR einen
Rechtsanspruch nur dann vertreten
dürfen, wenn sie darauf hinweisen,
dass es auch anders sein könnte,
erscheint als Illusion. Sogar der
Ombudsmann hat einmal auf Vorhalt,
er würde Rechtsansichten als
feststehend vertreten, die manches
OLG anders sieht, gemeint, solange
der BGH dazu nichts entschieden hat,
würde er den VN nicht sagen, dass es
auch anders gesehen werden könnte,
und ihn damit zu zweifelhaften
Prozessen verleiten. Und dies meinte
er im Besten Interesse dieser
Versicherten.
Vergleichsabschluß aus
wirtschaftlichen Gründen? Und so
haben es auch manche Makler gesehen:
Besser, man erhält gleich die 15
Prozent
(also nimmt das Vergleichsangebot
an), als nichts oder nur sehr
ungewiss vielleicht mehr nach einem
langen teuren Prozess zu bekommen.
Den Maklern war - auch nachweislich
- bekannt, dass die Frage der
Leistungspflicht auch anders
entschieden werden könnte, von
Beginn der „Bayerschen Lösung“ an.
Wenn der Professor meint, sie hätten
sich auf das überlegene Wissen der
Staatsregierung und von Verbänden
verlassen, ist das schlicht eine
Verdrehung der Tatsachen - sie waren
weit besser informiert, und haften
ggf. auch daher (ob es wohl ein
Beratungsprotokoll dazu gibt?). Aber
eben nicht, wenn sie dennoch am Ende
aus rein wirtschaftlichen Gründen zu
den 15 Prozent als Spatz in der Hand statt
Taube auf dem Dach geraten haben.
Denn jedenfalls die
Erfolgsaussichten im Einzelfall
konnten sie nicht beurteilen. Dass
der VN aber erst einmal auf Jahre
gar nichts bekommen würde, und
Prozesskosten vorzustrecken hat, war
dann klar. Das Regulierungsverhalten
betrachtend, kann dem
Geschäftsleiter so oder anders im
Konkurs noch Jahre lang die
persönliche Haftung drohen. Der
künftige Insolvenzverwalter wird
etwa meinen, daß das
Risikomanagement defizitär gewesen
sei – Pandemie-Pläne seien seit bis
zu mehr als 10 Jahren öffentlich
bekannt gewesen, und wie damit dann
die Regierungen konkret umzugehen
hätten.
Bedenkliche
Negierung einer Maklerhaftung?
Wenn hier ein Anwalt zudem Makler,
die ggf. haftbar sind, einlädt,
damit sie ihm Mandanten bringen und
ihnen erklären lässt, dass sie nicht
haften, ist das bedenklich. Er wird
ja dann sie verschonen, trotz
Erfolgsaussicht? Oder vielleicht
doch nicht, nachdem der Makler ihnen
den eigenen Prozessgegner gebracht
hat? Die Zuführung von Mandanten
durch (Mit-)Schuldige hat Tradition,
bei wenigen Kanzleien, und bisweilen
mit der Verabredung eines
Nichtangriffspaktes – dann ist es
eine sogenannte Kollision.
Offener
Ausgang von Prozessen gegen den
BSV-VR? Nach dem Abschluß eines
Vergleichsvertrages, zumal oft mit
anwaltlicher Begleitung, ist die Tür
also erst mal zu. Es wäre dann
naheliegend zu prüfen, ob die
eigenen Berater – Anwälte oder
Makler – zuvor korrekt aufgeklärt
hatten. Der Amerikaner spricht von
BATNA und WATNA, also dem besten und
schlechtesten Fall, wie die Sache
vor Gericht ausgehen könnte.
Auffällig geworden ist 2020 auch
eine Kanzlei für Versicherungsrecht,
welche traditionell nur VR vertritt,
mit dem Vorhalt gegenüber dem VN,
daß die Anordnung einer
Betriebsschließung rechtwidrig oder
(verfassungswidrig bzw.) nichtig
gewesen sei. Diesen Standpunkt
vertreten bis zu etwas mehr als ein
Promille der Berufsjuristen
offiziell – ein Argument, welches
sich hören lassen kann. Wenn diese
Rechtsmeinung zutrifft, hätte
niemand sein Hotel und seine
Gastwirtschaft schließen müssen.
Auch für ein „nur abgesagtes aber
nicht verbotenes Oktoberfest“ gäbe
es demnach keine Entschädigung vom
VR. Es gibt keinen Grund
irgendwelche BSV-VR dafür „bluten zu
lassen“, daß Betroffene sich scheuen
den Rechtsweg zu beschreiten;
nötigenfalls mit Unterstützung durch
welche Verbündete auch immer? Sogar
Lieschen Müller in Bayern hat
erfolgreich binnen weniger Tage beim
Verwaltungsgericht durchgesetzt, das
die Einschränkung ihrer
Freiheitsrechte rechtswidrig ist –
außer wegen Krankenhausbesuchen und
Gaststättenschließung, denn hier
konnte sie kein Rechtsinteresse
nachweisen, weil sie weder
Gastwirtin war, noch jemanden im
Krankenhaus besuchen wollte.
* von Dr.
Johannes Fiala, PhD, RA, MBA
Finanzdienstleistungen (Univ.), MM
(Univ.), Geprüfter Finanz- und
Anlageberater (A.F.A.), Bankkaufmann
www.fiala.de und Dipl.-Math.
Peter A. Schramm, Sachverständiger
für Versicherungsmathematik, Aktuar
DAV, öffentlich bestellt und
vereidigt von der IHK Frankfurt am
Main für Versicherungsmathematik in
der privaten Krankenversicherung
www.pkv-gutachter.de
Glossar Abk.
im Beitrag
VR - Versicherer
VU - Versicherungen
VVG - Versicherungsvertragsgesetz
BGB - Bürgerliches Gesetzbuch
VN - Versicherten
BSV -
Betriebsschließungsversicherung
BGH - Bundesgerichtshof
RA - Rechtsanwalt
ZR - Zivilrecht
OLG - Oberlandesgericht
BATNA - Best Alternative to
negotiate – also bester Ausgang des
Falles vor Gericht.
WATNA - Worst alternative to
negotiate – also schlechtester
denkbarer Fall einer
Gerichtsentscheidung