Seit Anfang 2020 besteht eine noch
nie da gewesene weltweite Krise. Der
sachgemäße Umgang mit der
Corona-Pandemie steht noch völlig
offen. Selbst bei Erscheinen dieses
Bandes im November 2020 waren die
Herausgeber weit davon entfernt, das
bisher Erlebte einzuordnen. So viel
ist sicher, selbst in Jahrzehnten
wird kaum möglich sein, das Erlebte
und den aktuellen Umgang mit dieser
Krise richtig verstehen und
bewerten zu können. Ein Anliegen
dieses Buches aus dem Münchener oekom Verlag ist jedoch viel
gravierender, der Inhalt des Buches
beschäftigt sich mit nachhaltiger
Armutsbekämpfung, was mit anderen
Worten ein absolutes Brennpunktthema
ist, das bald die gesamte Welt und
mit ihr die Menschheit beherrschen
wird. Ist es also ein zu viel des
Guten, was sich Herausgeber und
Autor*innen vorgenommen haben? Immerhin
haben sie sich jetzt schon Gedanken
darüber gemacht, obwohl erst mit dem
Entstehen des Bandes während der
weltweiten Pandemie deutlich wurde,
welcher Aufgabe sie sich damit
stellen. Wobei die aktuelle
Corona-Infektionswelle überhaupt
erst der Auslöser war, warum sich
Autor*innen und Herausgeber
zusammengetan und kennen gelernt
haben. Gemeinsam gehen sie dabei von
der konkreten Annahme aus, dass von
Anfang an, seit Beginn der Pandemie
mit unterschiedlichem Gepäck gereist
und mit unterschiedlichen
Voraussetzungen vorgegangen wird.
Fest steht, nur die wenigsten reisen
mit der ersten Klasse. Hieraus folgt
ein gesellschaftliches
Ungleichgewicht, das aufzufangen,
alle zunächst vor eine unlösbare
Diskrepanz stellt.
Dennoch eint die
Gesellschaft, dass ein Ausstieg aus
dem Dilemma der Pandemie jetzt
sofort nicht einfach möglich ist.
Auch die Reicheren müssen lernen,
dass sie sich nur begrenzt bewegen
dürfen. Eine Erfahrung, mit der
umzugehen, gar nicht so einfach ist
und die viele erst handhaben müssen.
Nicht reisen zu können oder
Restaurants und
Kulturveranstaltungen nicht zu
besuchen, ist andererseits für viele schon lange
die gelebte Normalität, da keine
finanziellen Spielräume vorhanden
sind. Jetzt lässt ein Virus alle,
auch die Reichen, diese Erfahrung
der sozialen Isolation notgedrungen
mitmachen. Aus diesem gemeinsamen
Erleben heraus ergeben sich aber
auch Chancen der Solidarität und des
gemeinsamen Handelns, um einer
Heilung von der Pandemie so schnell
wie möglich entgegenblicken zu
dürfen, was ja keineswegs
wissenschaftlich wie politisch
abgesichert ist.
Leseprobe...
In den illustrierten Texten von
Autor*innen scheinen die
vielfältigen Auswirkungen der Krise
wie das Spiel mit einem unsichtbaren
Feuer. Ein in vielerlei Hinsicht
facettenreiches Zeitdokument das
neue Betrachtungsweisen eröffnet mit
dem Ziel einer solidarischen und
gerechteren Welt. Am Sonntag, dem
13. September 2020, wurden die
letzten redaktionellen Arbeiten zu
diesem Buch beendet.
Gewinnbeteiligungen, so heißt es,
sollen gespendet werden, um sich
besser aufzustellen im Kampf
gegen Corona und Armut.
So war es dem Herausgeber
zunächst wichtig, einen Kenner der
Armutsforschung zu finden, Christoph
Butterwegge kam dafür in Frage.
Skepsis und Bedenken waren die
ersten Reaktionen auf das Vorhaben, die
erst in einem
längeren Telefongespräch nach und
nach beseitigt
werden konnten. Was nicht nur für
die inhaltliche Anreicherung des
Buches ein Glücksfall war, sondern
auch für die Gewinnung zwei weiterer
Autoren, die notwendige und
wesentliche Beiträge zur Abdeckung
der Breite des Themenfeldes ,Corona-
Armut' leisteten. Stephan Hebel
bringt unter dem metaphorischen
Stichwort ,lnfodemie' eine kritische
Reflexion der
Medienberichterstattung in Zeiten
von Corona ein. Gerhard Trabert, der
durch Vermittlung von Christoph
Butterwegge dazukam, leistet vor dem
Hintergrund seiner Kenntnisse als
Notfallmediziner und Sozialpädagoge
einen spannend-informativen Beitrag
zum notwendigen Brückenschlag
zwischen medizinischer und sozialer
Einordnung des aktuellen Geschehens
- nah orientiert an der
Alltagswirklichkeit der Ärmsten im
Land.
Überdies konnten Stefani Kessler
und Benedikt Eichhorn gewonnen
werden. Erstere nimmt als erfahrene
Praktikerin im Feld der
Schuldnerberatung die Expert*innenperspektive
ein, er dagegen ist exzellenter
Musiker und Kabarettist und steht
für die Betroffenenperspektive.
Llewellyn Reichman ist eine
talentierte Nachwuchsschauspielerin.
Sie bringt sehr persönliche
Betrachtungen ein, wie sich die
aktuelle Situation für
Kulturschaffende darstellt. So auch
der Beitrag von Steffen Kraft alias
lconeo, dessen originelle
Illustrationen das aktuelle
Corona-Geschehen pointiert. Daniela
Daub lieferte die einfühlsamen
Gedichte zum Text.
Das Buch will sich ausdrücklich
nicht am Ringen um die
Deutungshoheit zur Corona-Krise
beteiligen. Will nicht an
wechselseitigen Bezichtigungen
teilnehmen und will nicht
verharmlosen. Kollateralschäden des
Lockdowns haben zwei Gesichter,
einerseits stehen sich hier
Befürworter und anderseits Gegner
von Angesicht zu Angesicht
gegenüber. Beide Seiten haben
durchaus glaubwürdige
Berechtigung. Ein
abschließendes Urteil kann nicht
getroffen werden. Die vorliegenden
Autor*innen sind im übrigen auch
geteilter Meinung und spiegeln ein
eigenes aber einzigartiges
Gesamtbild der Situation wider stets
um Aufarbeitung der Problematik
bemüht.
Autor*innen sind: Uwe Kemmesies,
Regina Ammicht Quinn, Christoph
Butterwegge, Hanna Christiansen,
Ricarda Steinmayr, Kevin Dolan,
Dominik, Benedikt Eichhorn, Ulrike
Fröhlich, Titus Grab, Edgar Grande, Swen Hutter, Miriam Groß, Jakob
Hayner, Stephan Hebel, Sefanie
Kessler, Steffen Kraft, Erich Marks,
Christoph Quarch, Llewellyn Reichman,
Hans Sander, Pamela Schobeß, Antonis
Schwarz, Thie, Gerhard Trabert,
Ulrich Wagner, Heidemarie
Wieczorek-Zeul und Daniela Daub
1. Auflage, 2020
Softcover, 320 Seiten, zahlr.
farbige Abb.