Einst war eine Filmvorführung ein
flüchtiges Ereignis, das außer
schönen Erinnerungen im Gedächtnis
des Publikums keine Spuren
hinterließ. Heute, im Zeitalter des
Streaming, setzt jeder Film einen
digitalen Fußabdruck im Reich der
Daten. Und nicht nur das: Der Film
selbst hat sich mit der digitalen
Transformation grundlegend verändert
und neue Formen und Formate
entwickelt. Diese Umbrüche stellen
das kleine Fach Filmwissenschaft vor
große Herausforderungen – und bieten
zugleich neue Chancen für Forschung
und Lehre. In den kommenden fünf
Jahren wird ein Team aus
Filmwissenschaftlerinnen und
Filmwissenschaftlern der
Universitäten Marburg, Mainz und
Frankfurt im „Digital Cinema-Hub“ (DiCi-Hub)
erforschen, wie diesen
Herausforderungen und Chancen
begegnet werden kann. Das Projekt
wird von der VolkswagenStiftung im
Rahmen der Förderlinie „Weltwissen –
Strukturelle Stärkung Kleiner
Fächer“ mit 1 Million Euro
gefördert.
Jahrespressekonferenz
im Deutschen Filmmuseum am 23.
Januar 2020
Für die
Filmwissenschaft stellt der Übergang
zur digitalen Filmproduktion und
-distribution in Verbindung mit der
Emergenz digitaler
Kommunikationsnetzwerke einen
bedeutsamen Umbruch dar. Zunehmend
erreichen Forscherinnen und Forscher
ihre Gegenstände und Quellen in
digitaler Datenform, oft verknüpft
mit hoch entwickelten Metadaten.
Auch das Internet bietet
reichhaltige Datenschätze, die mit
entsprechenden Werkzeugen geerntet
und genutzt werden können. Bisher
sind filmwissenschaftliche Daten –
ihre Strukturen, Verknüpfungen und
Möglichkeiten – von der Forschung
wenig bearbeitet worden. Das
Verbundprojekt DiCi-Hub der
Universitäten Marburg, Mainz und
Frankfurt will dies nun ändern.
„Um
der zeitgenössischen Vielfalt der
Netzwerke, Formate und Märkte von
Bewegtbildern, ihrer globalen
Herkunft und ihrer globalen
Zirkulation angemessen Rechnung zu
tragen, muss die Film- und
Medienwissenschaft ihr
Methodenspektrum, aber auch ihre
Arbeitsweise anpassen“, so Prof. Dr.
Malte Hagener von der Universität
Marburg, einer der Antragsteller.
Das kooperativ vorgehende
Strategiekonzept zielt auf die
Entwicklung neuer konzeptueller
Grundlagen und Methoden für das
„kleine Fach“ Filmwissenschaft:
Etablierte (post-)hermeneutische
Methoden sollen mit neuen digitalen
Forschungsinstrumenten und Methoden
verbunden werden. DiCi-Hub stellt
drei Schlüsselbereiche der
Filmkultur ins Zentrum - nämlich
Netzwerke (Philipps-Universität
Marburg), Formate (Johannes
Gutenberg-Universität Mainz) und
Märkte (Goethe-Universität Frankfurt
am Main).
„Die
digitalen Tools und Methoden, die
wir in enger Kooperation mit
IT-Fachleuten entwickeln, werden
dazu beitragen, ein neues
Verständnis der Entwicklung und
Dynamik von transnationalen
Netzwerken der historischen und
aktuellen Film- und Kinokultur zu
gewinnen“, so Prof. Dr. Yvonne
Zimmermann, die in Marburg zusammen
mit Hagener für den Teilbereich
„Netzwerke“ zuständig ist. Prof. Dr.
Alexandra Schneider wird in Mainz
den Teilbereich „Formate“ leiten.
„Formate haben einen erheblichen
Einfluss auf die ästhetischen
Eigenschaften eines Films sowie
wichtige Konsequenzen für die Modi
des Zugangs, der Distribution aber
auch für den ökologischen Fußabdruck
von Medien – alles Phänomene, zu
denen wir mithilfe von digitalen
Methoden neue Zugänge gewinnen
können“, sagt Schneider. In
Frankfurt widmet sich Prof. Dr.
Vinzenz Hediger dem Teilbereich
Märkte. „Mit digitalen Methoden kann
es uns gelingen, ein genaueres Bild
von der Zirkulation von Filmen und
den Präferenzen des Publikums
jenseits der etablierten
Institutionen wie Kinos, Festivals
und Filmmuseen zu gewinnen“, sagt
Hediger.
An
allen drei Standorten sollen die
entwickelten Methoden in die Lehre
implementiert und Infrastrukturen
weiterentwickelt werden. Die
Universitäten arbeiten darüber
hinaus im übergreifenden Modul Data
Criticism/Data Literacy zum Thema
Verlässlichkeit, Herkunft,
Validität, Integrität und Dichte von
Forschungsdaten zusammen. Dabei
profitiert das Projekt von bereits
bestehenden Forschungsprojekten an
den drei Standorten und
einschlägigen Forschungsverbünden,
wie beispielsweise dem kürzlich
gegründeten Marburg Center for
Digital Culture and Infrastructure (MCDCI)
der Philipps-Universität, das den
digitalen Wandel aus geistes- und
sozialwissenschaftlicher Perspektive
erforscht. Die Projektleiterinnen
und Projektleiter kooperieren
darüber hinaus unter anderem seit
2017 im Rahmen des
DFG-Graduiertenkollegs 2279
„Konfigurationen des Films“, dessen
Doktorandinnen und Doktoranden von
der Kooperation innerhalb von
DiCi-Hub ebenfalls profitieren
sollen.
Das
Projekt wird durch die
VolkswagenStiftung mit 1 Million
Euro gefördert; dazu kommen
Eigenleistungen der drei beteiligten
Universitäten, so dass insgesamt 1,3
Millionen Euro zur Verfügung stehen.
Über einen Zeitraum von fünf Jahren
wird ein Team aus
Filmwissenschaftlerinnen und
Filmwissenschaftlern mit IT-Experten
Werkzeuge, Module und Tools
entwickeln, die ebenso der Lehre wie
der Forschung dienen sollen.
Meldung: Goethe-Uni
Frankfurt