Das Jahr 2020 war für die
chemisch-pharmazeutische Industrie
von einem kräftigen Auf und Ab in
den vier Quartalen geprägt. Die
globale Coronakrise belastete viele
Unternehmen stark: Der Umsatz in
Deutschlands drittgrößter Branche
ging insgesamt um 6 Prozent auf
186,4 Milliarden Euro zurück. „Die
Belastungen für unsere
Mitgliedsunternehmen sind
erheblich“, sagt VCI-Präsident
Christian Kullmann. „Zugleich ist
unsere Branche insgesamt weniger
hart getroffen als andere
Wirtschaftszweige.“
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Am Rande des
Bankenviertels liegt die
Zentrale des Verbandes der
Chemischen Industrie (VCI)
in Frankfurt |
Unter dem
coronabedingten Auftragsmangel litt
das Auslandsgeschäft in nahezu allen
Exportmärkten (-6,5 Prozent) ebenso
wie der Umsatz im Inland (-5,5
Prozent). Infolge der schwächeren
Nachfrage ging die Produktion 2020
insgesamt um 3 Prozent zurück. Dabei
mussten sämtliche Sparten Einbußen
hinnehmen. Die Spannweite reichte
von einem nur geringen
Produktionsrückgang bei Pharma (-0,5
Prozent) bis zu einem Minus von 6,5
Prozent bei Polymeren.
Beschäftigung: Trotz der
schwachen Chemiekonjunktur blieb die
Zahl der Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter stabil bei 464.000
Personen.
Prognose
2021: Zum Ende dieses
Jahres ist die Nachfrage nach
chemischen Erzeugnissen weitgehend
stabil geblieben. Zugleich hat sich
laut ifo-Konjunk-turtest auch die
aktuelle Geschäftslage verbessert.
„Die Stimmung in unseren Unternehmen
ist nun mehrheitlich
zuversichtlich“, sagt Kullmann.
„Mehr als die Hälfte rechnet für das
nächste Jahr mit einem Umsatzplus im
In- und Ausland.“ Für 2021 geht der
VCI daher für die
chemisch-pharmazeutische Industrie
von einer Zunahme sowohl der
Produktion (+ 1,5 Prozent) wie auch
des Umsatzes (+ 2,5 Prozent) aus.
Bei der Beschäftigung rechnet der
VCI dagegen mit einem leichten
Rückgang um 1 Prozent, bedingt durch
den Strukturwandel in der Branche,
der durch die Coronakrise
beschleunigt wird.
Die aktuelle Mitgliederumfrage des
VCI zeigt zudem, dass die
Überwindung der Krise in vielen
Unternehmen noch einige Zeit
brauchen wird: Lediglich 17 Prozent
der Betriebe sind zuversichtlich, in
diesem Jahr das Vorkrisen-niveau
erneut zu erreichen. 25 Prozent
erwarten, den Rückgang bis Ende 2021
aufholen zu können. Die Mehrheit der
befragten Unternehmen – 47 Prozent –
geht davon aus, die Krise frühestens
im Jahr 2022 überwunden zu haben. 11
Prozent der Unternehmen wollten sich
dazu nicht festlegen.
Vom Green Deal zum Sustainable Deal
Nothilfen und Konjunkturprogramme
des Staates gegen die Coronakrise
können aus Sicht des VCI notwendige
Weichenstellungen in Brüssel und
Berlin für nachhaltige Investitionen
in Deutschland und der EU nicht
ersetzen. Die Aufgabe verlangt
vielmehr ein langfristig
orientiertes
Transformationsprogramm, das
Maßnahmen auf drei Ebenen
gleichzeitig in den Blick nehmen
muss: national, europäisch und
geopolitisch. Das EU-Projekt Green
Deal kann so zu einem Sustainable
Deal aufgewertet werden.
Als zentralen Baustein für einen
ökonomischen Aufbruch Deutschlands
und eine erfolgreiche Transformation
der gesamten Industrie hin zur
Treibhausgasneutralität erachtet der
VCI bezahlbare, erneuerbare Energie.
„Nichts dient dem Klimaschutz mehr,
als ein günstiger Preis für grünen
Strom“, betont VCI-Präsident
Kullmann. „Sowohl das aktuelle
Umlagen- und Abgabensystem in
Deutschland als auch der derzeitige
EU-Beihilferahmen sind ungeeignet,
die Transformation zu begleiten.“ Um
dauerhaft Schubkraft für die
Wirtschaft zu erzeugen, müssten
zudem Genehmigungsverfahren
effizienter gestaltet werden. Die
hohe Regulierungsdichte mache
besonders mittelständischen
Unternehmen zunehmend zu schaffen.
Kullmann: „Wenn das
Zulassungsverfahren für Impfstoffe
gegen das Coronavirus gefahrlos
beschleunigt werden kann, sollte es
auch an anderer Stelle möglich sein,
Genehmigungsverfahren für
Investitionen effektiver zu
gestalten und dabei ein hohes
Schutzniveau für Mensch und Umwelt
einzuhalten.“
Mit Blick auf den Green Deal der EU
fordert Kullmann, die anspruchsvolle
Reformagenda besser
auszubalancieren. „Es geht darum,
nicht nur den Umweltschutz
voranzubringen, sondern den Blick im
notwendigen Dreiklang auch auf
wirtschaftliches Wachstum und
Soziales zu legen. Wir müssen
Innovationen und Investitionen
beflügeln, sonst kann Europa in der
sich neu ordnenden Welt nicht
bestehen.“ Die Verschärfung des
Klimazieles von 40 auf 55 Prozent,
auf die man sich beim EU-Gipfel
verständigt hat, müsse zwingend
durch flankierende Maßnahmen
begleitet werden, damit
energieintensive Produkte weiter
wettbewerbsfähig in Europa
hergestellt werden können. In diesem
Zusammenhang warnt der VCI vor einer
Fehlsteuerung Brüssels durch
Einführung von Klimazöllen für
Importe von CO2-intensiven
Grundstoffen in die EU. Abgesehen
von mangelnder Kontrollierbarkeit
und handelspolitischen Konflikten
drohe auch ein Verlust an
Wettbewerbsfähigkeit in
nachgelagerten Wertschöpfungsstufen.
Der Chemie in Europa helfen nur
komplexere Ausgleichsmodelle. Vor
allem als Ersatz von bestehenden
Ausgleichsmaßnahmen für steigende
Klimaschutzkosten der europäischen
Unternehmen können Klimazölle nicht
dienen.
Der VCI plädiert stattdessen dafür,
Klimaschutzgrenzen abzubauen, indem
die EU auf einen globalen Preis für
CO2 hinwirkt.
Engere internationale Zusammenarbeit
nutzt dem Klimaschutz mehr als ein
Europa, das sich abschottet. Der
Ausgang der
US-Präsidentschaftswahlen, die neuen
Klimaschutzambitionen Chinas und das
Bekenntnis Kanadas zur
Klimaneutralität bis 2050 bieten
diesem Weg in den G20 wieder mehr
Aussicht auf Erfolg. „Es hat sich
eine Tür geöffnet, Klimaschutz
gemeinsam, global und mit
abgestimmten Regeln politisch
voranzubringen“, sagt Kullmann.
„Diese Chance darf nicht ungenutzt
bleiben.“
Das gilt auch für eine
Wiederbelebung der Gespräche mit der
Biden-Administration über
transatlantischen Freihandel. „Es
muss kein allumfassendes TTIP 2.0
sein. Aber Gespräche zwischen der EU
und den USA über ein
Freihandelsabkommen für
Industriegüter sind im besten
beiderseitigen Interesse.“ Der
Abschluss des asiatisch-pazifischen
Abkommens RCEP als größte
Freihandelszone der Welt mit 15
Staaten, die 30 Prozent der globalen
Wirtschaftsleistung umfassen, erhöht
aus Sicht des VCI auch für die EU
die Notwendigkeit von strategischen
Allianzen – in dieser Weltregion
ebenso wie in Südamerika und Afrika.
Daher appelliert der VCI an Brüssel,
die Handelsabkommen der EU mit den
ASEAN-Staaten, Australien und
Neuseeland mit Hochdruck weiter zu
verfolgen.
Meldung: Verband der
Chemischen Industrie (VCI) Frankfurt
am Main