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Wilhelm Morgner (1891–1917), Astrale
Komposition VI (1912), Öl auf Malkarton, auf
Hartfaserplatte aufgezogen |
Das Städel Museum
konnte durch großzügiges
mäzenatisches Engagement zwei
bedeutende Werke des deutschen
Expressionismus erwerben: das
Gemälde Astrale Komposition VI
(1912) von Wilhelm Morgner für die
Sammlung Moderne und die Druckgrafik
Männerbildnis (1919) von Erich
Heckel für die Graphische Sammlung.
Beide Werke konnten mit Mitteln von
Volker Westerborg für das Städel
Museum und den Städelschen
Museums-Verein angekauft werden.
Das Gemälde von Wilhelm Morgner ist
im Sammlungsbereich Moderne des
Städel für die Besucherinnen und
Besucher ausgestellt. Die Grafik von
Heckel war in der Ausstellung
„Geheimnis der Materie. Kirchner,
Heckel und Schmidt-Rottluff“ (26.
Juni – 13. Oktober 2019) zu sehen
und ist in der Digitalen Sammlung
zugänglich. Mit diesen
Neuerwerbungen kann das Museum
seinen Sammlungsbestand an
expressionistischer Kunst um
wichtige Werke ausbauen: Mit Heckels
Druckgrafik wird der Schwerpunkt an
Werken der „Brücke“-Künstler
gestärkt, mit Morgners Gemälde
gelangt eine wichtige Position des
sogenannten Westfälischen
Expressionismus in die Sammlung des
Museums. Der zu Lebzeiten
erfolgreiche Künstler geriet nach
seinem frühen Tod im Ersten
Weltkrieg zunehmend in
Vergessenheit. 1937 wurden seine
Werke in deutschen Museumssammlungen
als „entartet“ beschlagnahmt. Seit
einigen Jahren wird Morgners Beitrag
zur Entstehung des deutschen
Expressionismus verstärkt gewürdigt.
Mit insgesamt vier Gemälden und drei
Zeichnungen präsentierte das Städel
zuletzt Werke des Künstlers in der
Ausstellung „MAKING VAN GOGH.
Geschichte einer deutschen Liebe“
(23. Oktober 2019 – 16. Februar
2020).
„Das Städel Museum wird für seinen
außerordentlichen reichen Bestand an
expressionistischer Kunst nicht nur
in Fachkreisen geschätzt. Die Werke
der ‚Brücke‘- Künstler und anderer
Expressionisten zählen zu den
Lieblingen unserer Besucherinnen und
Besucher. Ich freue mich, dass wir
nun diesen Sammlungsbereich mit zwei
bedeutenden Werken von Wilhelm
Morgner und Erich Heckel vergrößern
Seite 2/3 konnten. Es sind die
Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt,
die solche Neuerwerbungen möglich
machen. In diesem Fall gilt unser
besonderer Dank dem Mäzen Volker
Westerborg für sein großzügiges
Engagement“, so Philipp Demandt,
Direktor des Städel Museums.
Wilhelm Morgners (1891–1917)
Gemälde zählt zu einer Reihe von 26
Ölgemälden und zahlreichen
Papierarbeiten, die der Künstler als
„Astrale Kompositionen“ bezeichnet
und in der kurzen Zeitspanne
zwischen 1912 bis 1913 geschaffen
hat. Formal zeugt die Astrale
Komposition VI (1912) von einem
entscheidenden Wandel in der Malerei
Morgners: Innerhalb kürzester Zeit
legte er seinen in den Jahren ab
1910 entwickelten
figürlich-ornamentalen Bildaufbau
aus streng konturierten Flächen ab,
um der reinen Farbe größere
Eigenständigkeit einzuräumen. Zudem
wollte Morgner sich vom Naturvorbild
stärker lösen und in seiner Malerei
innere Vorgänge abbilden. Der
Künstler vollzog diesen Prozess
anhand seines zentralen
Themenkomplexes, des arbeitenden
Menschen auf dem Feld. Seine
Figuren, die meist in gebeugter
Haltung vor dem weiten Horizont der
Soester Börde erscheinen,
verschmelzen sukzessive mit dem
umgebenden Raum und verbildlichen so
das metaphysische „Einswerden“ von
Mensch und Natur. Astrale
Komposition VI zeigt eine
fortgeschrittene Entwicklungsstufe
in diesem Prozess, wenngleich die
schemenhafte Silhouette einer
Gestalt im Mittelgrund noch
erkennbar ist. Die beschreibende
Kontur ist jedoch verschwunden und
einem systematisierten Farbauftrag
aus kurzen, parallel gesetzten
Pinselstrichen nach dem Vorbild
Vincent van Goghs (1853–1890)
gewichen, womit das Gemälde in eine
rhythmische Schwingung versetzt
wird. Das Werk verdeutlicht
überzeugend den Schwebezustand
zwischen Figuration und Abstraktion,
durch den Morgner eine
Sonderstellung im deutschen
Expressionismus einnimmt.
Werkangaben
Wilhelm Morgner (1891–1917)
Astrale Komposition VI (1912)
Öl auf Malkarton, auf
Hartfaserplatte aufgezogen
Erworben 2019 mit Mitteln von Volker
Westerborg Eigentum des Städelschen
Museums-Vereins e.V.
Inv.-Nr. 2525
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Erich Heckel
(1883–1970)
Männerbildnis (1919) Farbholzschnitt von
zwei Stöcken, 2. Zustand (von 3), Probedruck
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Der Mitbegründer der Künstlergruppe
„Brücke“, Erich Heckel
(1883–1970) schuf im Jahr 1919,
vermutlich während seines ersten
Aufenthalts in Osterholz an der
Flensburger Förde nach der Rückkehr
aus Flandern, sein vielleicht
eindringlichstes Selbstbildnis im
Holzschnitt. In reduzierten Linien
und Flächen hat er sein Gesicht
dargestellt, nicht naturalistisch,
sondern in tragischer Gestimmtheit
übersteigert: In einer Geste des
Nachdenkens sind die Hände gefaltet
ans Kinn geführt, der Blick geht
Seite in sich gekehrt am Betrachter
vorbei, die hohe Denkerstirn und die
schmalen Wangen sind durch wenige
schartige Linien wie ein Fels
zerfurcht. Die Ruhe des Ortes,
schrieb Heckel dem befreundeten
Lyonel Feininger (1871–1956), lasse
die Ereignisse des Krieges wieder
wach werden, und so mag das
Männerbildnis (1919) jenes Erinnern
zum eigentlichen Thema haben. Auch
ohne dieses Wissen wirkt das Bildnis
introspektiv, traurig und angespannt
in gleichem Maße, eine Wirkung, die
bei den farbigen Abzügen durch den
Kontrast von Blau, Grün und Ocker
noch gesteigert wird. Heckel hat für
die regulären Abzüge die Flächen
großzügig eingefärbt und darüber
dann den Zeichnungsstock in Schwarz
gedruckt; allein bei einzelnen
Probedrucken, wie diesem, der sich
in seinem Nachlass erhalten hat,
liegt der Farbakkord über der
Zeichnung, in dunklerem Kolorit,
sodass sich zwischen Betrachter und
das in Gedanken verlorene Gesicht
kühn eine weitere Ebene schiebt.
Werkangaben
Erich Heckel (1883–1970)
Männerbildnis (1919) Farbholzschnitt
von zwei Stöcken, 2. Zustand (von
3), Probedruck
Erworben 2019 mit Mitteln von Volker
Westerborg
Inv.-Nr. 67961
Meldung: Städel
Museum, Frankfurt am Main