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Haus Schloßstraße, Dezember 2018
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Warum die
Schloßstraße in Frankfurt-Bockenheim
ihren Namen trägt, weiß beinahe
niemand mehr, denn ein Schloss ist
hier, wie beinahe in der gesamten
Stadt, weit und breit nicht zu
finden. Frankfurt am Main war von je
her Freie Stadt, einem längst
vergangenen Status etwa vergleichbar
mit den Hansestädten des Nordens.
Mondän feudalistisch geprägte
Schlossanlagen fehlen deshalb
völlig, besonders solche die durch
eine langgestreckte symmetrische
Bauform auffallen, wie das aus
vielen Residenzstädten der Republik
sonst bekannt ist.
Der durch Kriegszerstörungen
verursachte Wiederaufbau in den
1950er und 60er Jahren lieferte dann
eine nur mehr an Banalität
angrenzende Tristesse auf der stark
befahrenen Schloßstraße, was darauf
hindeutet, dass die Strecke nicht
viel an Wohnlichkeit und
Lebensqualität vorhält und vielmehr
als Erweiterung des
Autobahnzubringers dient, der über
die Verlängerung der Ludwig-Landmann
Straße hinaus bis direkt in die von
Fahrzeugen stark frequentierte
Innenstadt reicht. Entsprechend
gefährlich kann die Verkehrslage auf
der vierspurigen Schloßstraße sein,
die besonders häufig von
Schulkindern auf dem Heimweg oder
zur Schule überquert wird. Das
Gleisbett in der Mitte der
Fahrbahnen wird nur selten von Zügen
genutzt, denn eine Straßen- oder
U-Bahnlinie mit Publikum fährt hier
nicht mehr. Dadurch erhält die
Autostraße an sich schon einen
Zuschub an Schnittigkeit, was
manchen, die an der Ampel stehen und
warten, fast unüberwindbar
erscheint, da jene Fußgängerampeln
ausgerechnet an den falschen oder an
zu wenigen Übergangsstellen
aufgestellt wurden und
ausschließlich autofahrerfreundlich
schalten. Einzige Abwechslung an der
langgestreckten Asphaltanlage ist
eine kleine Idylle, auch Von Bernus
Park genannt. Es handelt sich um
eine historische Parkanlage mit
hohem und altem Baumbestand, einem
Teich, Fußgängerwegen und
Kinderspielplatz. Der Park hat Tag
und Nacht geöffnet. Die
schmiedeeisernen Tore aus
historischem Bestand der ehemaligen
Schlossanlage befinden sich als
letztes Überbleibsel an Ein- und
Ausgang und sind stets offen.
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September 2018 |
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Die mit gerade mal anderthalb Hektar
nicht sehr große Anlage ist durch
Sandsteinmauern und mit Zäunen
begrenzt, nur erreichbar durch ein
altes Tor an der Schönhofstraße und
über weitere Zugänge an Werra-,
Salvador-Allende- und eben
Schloßstraße. Der Park wurde 1771
für das Schloss der Prinzessin
Henriette Amalie von Anhalt-Dessau
angelegt, das auch der Straße ihren
Namen gab. Der Barockbau selbst
wurde im September 1944 durch Bomben zerstört.
Doch die Grünanlage mit ihren
wertvollen Bäumen, einem Ententeich
mit einer steinernen Brücke ist
erhalten geblieben. 1952 kaufte die
Stadt Frankfurt den Park aus dem von Bernus'schen Besitz. Seitdem ist er
für die Öffentlichkeit zugänglich
und wird von Spaziergängern häufig
genutzt. Daneben finden sich
Kinderspielplätze im Park, der in
den Jahren 2014-15 saniert wurde.
Bemerkenswert für städtische
Verhältnisse ist auch die
vielfältige Tier- und Vogelwelt, die
im Park vorkommt und sich neben
vielen Insektenarten dort
angesiedelt hat.
Die Frankfurter Investoren Ardi
Goldman und Ronny Weiner, denen
schon das benachbarte
zehngeschossige Wohnhochhaus gehört,
trafen sich mit dem Architekten
Stefan Forster. Ein vormals
gastronomisch genutzter Flachbau an
der Schloßstraße war schon länger im
Besitz der beiden Investoren und
stand schon länger leer. Goldmann
und Weiner beauftragten Forster, für
den vor allem wegen des angrenzenden
Parks attraktiven Standort ein
Wohnhaus zu planen. Als Besonderheit
kam noch hinzu: Mit diesem Haus
sollte auch Deutschlands erster
veganer Kinderladen einziehen. Die
privaten Betreiber waren auf Goldman
zugegangen. den das Konzept
überzeugte. Über Sinn und Unsinn
veganer Kitas zu diskutieren,
stellte sich nicht und wenn, erst an
anderer Stelle.
Ein rundherum leuchtendes Rot eines
sonst normalen Hauses, das sich mit
seinem traufständigen Satteldach
einfügt und die Bebauungslinien der
Nachbarhäuser aufnimmt bzw. zwischen
diesen vermittelt. Die durch und
durch rote Fassade gilt als
Markenzeichen des Architekten Stefan
Forster, der in dieser Weise in
charakteristischem Rot noch mehrere
Bauten in Frankfurt und andernorts
umsetzen ließ.
Die Fassaden des Wohnhauses nehmen
Bezug auf die städtebauliche
Situation, die im Nordosten durch
die stark befahrene Ausfallstraße
und im Südwesten durch den
beschaulichen Park dominiert wird:
Einfach-reduzierte Lochfassaden
gliedern die Straßen- und die beiden
Giebelseiten, während sich die
Rückseite mit bodentiefen Fenstern
und Loggien zum Kita-Garten und dem
Park hin öffnet. Die Verteilung der
Fensteröffnungen wirkt deshalb
gleichmäßig, fast auf ein Raster hin
verteilt gleichmäßig, was von Weitem
aus betrachtet eine Vorstellung von
den Grundrissen der Wohnungen nur
schwerlich zulässt. Auffällig sind
die großen Fenstergauben auf dem
Dach, deren Öffnungen größer sind
als Fensteröffnungen in der
Hauswand, wodurch leicht der
Eindruck des flächig vergrößerten Atelierfensters auf
dem Dach entsteht.
Das Erdgeschoss und ein Teil des
ersten Obergeschosses beherbergen
den Veggie-Kinderladen, über den
großen Rest verteilen sich 13
hochwertig ausgestattete Zwei- und
Drei-Zimmer-Wohnungen mit Größen
zwischen 50 und 90 Quadratmetern.
Die Mieten orientieren sich an der
ortsüblichen Preisskala - bei
Neuvermietungen liegt der
Durchschnittspreis inzwischen bei 18
Euro pro Quadratmeter, wie aus der
F.A.Z. zu erfahren war. Die
Wohnungen im Haus an der
Schloßstraße waren, wie dies auch
nicht anders zu erwarten war,
schnell belegt.
Das Wohnhaus zählte zu den
Nominierungen des diesjährigen
DAM-Preises und wurde in der
zugehörigen Publikation: Deutsches
Architektur Jahrbuch 2020 mit
Beitrag in Textform und mit
zahlreichen Bildern gewürdigt.
Foto (c)
Kulturexpress
www.dam-preis.de/de/81/dam-preis-2020/nominierungen
Architekturbüro
Stefan Forster Architekten
Carl-von-Noorden-Platz 5
60596 Frankfurt am Main
http://www.sfa.de
Anzahl Wohnungen: 13
(+ KiTa)
Geschossfläche: 1.600
m²
Baubeginn: 01/2017
Fertigstellung: 03/2018
Leistungsphasen: 1-5
Projektteam
Sonja Wollersheim, Projektleitung
Frank Baum, Mitarbeit
Ildikó Návay, Mitarbeit
Benjamin Metz, Mitarbeit
Bauherren
GbR Goldman/Weiner Ivo Nikolov,
Projektleitung
Beteiligtes Architekturbüro
Bauleitung: Dobberstein Architekten
Zum Gipfelhof 3
60594 Frankfurt am Main
http://www.dobberstein-architekten.de
Tragwerksplanung
Schwarzbart + Partner Ingenieure
Partnerschaftsgesellschaft mbB,
Frankfurt am Main
Haustechnik
Ingenieurbüro Auffenberg, Frankfurt
am Main
Landschaftsarchitektur
Bernhard RUDOLPH Garten- und
Landschaftsbau GmbH, Obertshausen