Architektur
wahrnehmen ist ein Werk, das
inhaltlich zum erweiterten
Verständnis im Umgang mit
Architektur beiträgt. Hierbei werden
grundlegende Umgangsformen
angesprochen, um Gebäude aus der
Umgebung baulich einzuordnen. Dafür
ist Bewusstseinsarbeit notwendig.
Manchmal nicht einfach, besonders
wenn Gleichgültigkeit gegenüber
seiner Umwelt dominiert.
Voraussetzung für Bewusstseinsarbeit
ist die eigene Wahrnehmung und einer kognitiven
Erfahrbarkeit dessen. Das kann auf
unterschiedliche Weise vor sich
gehen. Der Band aus dem transcript
Verlag versucht auf tiefgehende
Weise zu erläutern, wie der Architektur
mit sprachlichen Mitteln näher zu
kommen ist. Das heißt, Gebäude und
ihre Bauweise verstehen zu lernen.
Der Kriterienkatalog hierfür ist
groß. Viele Begriffe werden
notwendig, die dazu beitragen, ein Verhältnis zur
gebauten Umwelt aufzubauen und dem über
die eigene Wahrnehmung hinaus auch eine sinnerfüllte Bedeutung
beizumessen. Hierfür stehen
sprachliche Instrumente zur
Verfügung, welche die
Raum-Volumen Kontingente aufgreifen,
die ein bewusstes Erkennen der
Architektur im täglichen Leben
erleichtern sollen.
'Architektur wahrnehmen' ist bereits
in der zweiten
Auflage erschienen und nimmt sich
vor eine noch größere Leserschaft zu
gewinnen. Eine Sprache die
einlädt, sich auf Gedankenpfade zu
begeben. Ergebnis ist eine Annäherung
an zahlreiche Fragestellungen, die
sich einem durch Begegnung mit
der Architektur in den Weg stellen und
mit Wahrnehmung zu tun haben. Damit
haben sich die Autoren der Stärkung
von Bewusstseinsarbeit
entschieden. Denn Architektur als
solche wahrzunehmen, scheint ein
Mangel in der heutigen Zeit zu sein
in der Städte immer mehr
expandieren. Architektur wahrnehmen
hat dennoch seine Wirkung hinterlassen.
Die vielfältigen Beschreibungen und
Texte wirken
nicht aufgesetzt, sondern sie
verfügen über Realitätssinn. Auf unnötige
Redundanzen innerhalb der
Satzstrukturen wurde weitestgehend
verzichtet. Zumindest sind diese auf
eine erträgliche Menge reduziert
worden.
Die Publikation beruht auf der
Ringvorlesung mit dem
Titel Architektur WAHRnehmen, zu der
die Professur Bauformenlehre an der
Bauhaus-Universität Weimar im
Wintersemester 2015/2016 eingeladen
hatte.
In diesem Sinne fordert das Kapitel
Architektur
und Aufmerksamkeit von Alexandra
Abel als Einleitung in die
nachfolgenden Inhalte auf: Werden
Sie Wahrnehmer! Das ist die erste
Aufforderung, natürlicherwiese
bestehen gravierende Unterschiede in
der Wahrnehmung von Architektur.
In seinem Kapitel Die Sprache des
Raums beschreibt Axel Buether
den
Raum als System unserer
Welterkenntnis, unserer
Weltbeschreibung,
unserer Weltvermittlung und unserer
Weltgestaltung. Durch die
aufgezeigte Parallele zwischen
Raumwahrnehmung und Spracherwerb
wird die Bedeutung der
Raumwahrnehmung für unsere gesamten
nie abgeschlossenen und stets
generationsübergreifenden Lern- und
Denkprozesses nachvollziehbar. Die
Bedeutung der Raumgestaltung
folgt daraus von selbst.
Das Kapitel Von Ästen zu Stöcken
von
Bernd Rudolf beschreibt den
Weg zur Ausbildung einer
grundlegenden Wahrnehmungskompetenz,
die zu Beginn des
Architekturstudiums vermittelt wird.
Dieser
Weg führt, inspiriert durch den
Medienphilosophen Vilém Flusser,
zunächst durch den Wald, dann aus
ihm hinaus zu einer Reihe
phänomenologischer Archetypen und
Urbilder. Die Unterscheidung
zwischen Gegebenem und zu Machendem,
Natur und Kultur, zwischen Ast und
Stock, wird zur Basis einer
Wahrnehmung, die auf das
Entwerfen zielt. So bietet dieses
Kapitel nicht nur einen Einblick in
die universitäre Lehrmethodik,
sondern auch eine Chance für
Nicht Architekten, der Wahrnehmung
der Architekten zu folgen.
Im Sinne einer ebenso vorsichtigen
wie respektvollen Annäherung
fragt Axel Seyler vor dem
Hintergrund der Gestaltpsychologie:
Was
ist Schönheit? Gibt es gewisse
Beschaffenheiten unserer visuellen
Umwelt, die eine bejahende, positiv
gestimmte Wahrnehmung bei
fast allen Menschen unterstützen?
Förderer der Schönheit ist der Titel
seines Kapitels. Zu eben jener
Förderung anregen, wollen die ganz
grundlegenden Erkenntnisse, die der
Autor jenseits von jeder
stilistischen Dogmatik aufzeigt.
Eine Buchrezension von
Kulturexpress