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Holzschnitt nach Ludwig Richter (1803
-1884)
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Es waren einmal drei Brüder, von
denen hieß der älteste Jacob, der
zweite Friedrich und der dritte und
jüngste Gottfried. Dieser jüngste
war das Stichblatt aller Neckereien
seiner Brüder und der gewöhnliche
Ablenker ihres Unmuths. Wenn ihnen
Etwas quer über den Weg lief, so
mußte Gottfried es entgelten und er
mußte sich das Alles gefallen
lassen, weil er von schwächlichem
Körperbau war und sich gegen seine
stärkeren Brüder nicht wehren
konnte. Dadurch wurde ihm das Leben
sauer gemacht und er sann Tag und
Nacht darauf, sein Schicksal
erträglicher zu machen. Als er einst
im Walde war, um Holz zu sammeln,
und bitterlich weinte, trat ein
altes Weiblein zu ihm, das fragte
ihn um seine Noth und er vertraute
ihr all' seinen Kummer. "Ei, mein
Junge," sagte das Weiblein darauf,
"ist die Welt nicht groß? Warum
versuchst Du nicht anderswo Dein
Glück?" Das nahm sich Gottfried zu
Herzen und verließ eines Morgens
frühe das väterliche Haus und machte
sich auf den Weg in die weite Welt,
um, wie das Weiblein gesagt hatte,
sein Glück zu suchen. Aber der
Abschied von dem Ort, wo er geboren
worden war und wenigstens eine kurze
glückliche Kindheit verlebt hatte,
ging ihm doch nahe und er setzte
sich auf einen Hügel nieder, um noch
einmal recht das heimathliche Dorf
zu betrachten. Siehe, da stand das
Weiblein hinter ihm, schlug ihn auf
die Schulter und sprach: "Das hast
Du einmal gut gemacht, mein Junge!
Aber was willst Du nun anfangen?" -
Gottfried dachte jetzt erst daran,
was er denn nun beginnen solle? Er
hatte bis jetzt geglaubt, das Glück
müsse ihm wie eine gebratene Taube
in den Mund fliegen. Das Weiblein
mochte seine Gedanken errathen,
lächelte grinsend und sagte: "Ich
will Dir sagen, was Du anfangen
sollst. Warum? weil ich Dich lieb
habe, und weil ich glaube, daß Du
auch mich nicht vergessen wirst,
wenn Du dem Glücke im Schooß
sitzest." Gottfried versprach dieß
mit Hand und Mund; die Alte fuhr
fort: "Heute Abend, wenn die Sonne
untergeht, gehe an den großen
Birnbaum, der dort am Kreuzweg
steht. Darunter wird ein Mann liegen
und schlafen, an den Baum aber wird
ein großer wunderschöner Schwan
gebunden sein; den Mann hütest Du
Dich aufzuwecken und Du mußt
deswegen gerade mit Sonnenuntergang
kommen, den Schwan aber knüpfst du
los und führst ihn mit Dir fort. Die
Leute werden in seine schönen Federn
vernarrt sein und Du magst ihnen
erlauben, davon eine auszurupfen.
Wenn aber der Schwan berührt wird,
so wird er schreien und wenn Du dann
sagst: Schwan, kleb an! so wird dem,
der ihn berührt, die Hand fest
ankleben und nicht eher wieder
loswerden, bis Du sie mit diesem
Stöcklein antippst, das ich Dir
hiermit zum Geschenk mache. Wenn Du
nun so einen weidlichen Zug
Menschenvögel gefangen hast, so
führe sie nur immer grad aus. Da
wirst Du an eine große Stadt kommen,
da wohnt eine Königstochter, die
noch nie gelacht hat. Bringst Du sie
zum Lachen, so ist Dein Glück
gemacht; aber dann vergiß auch mich
nicht, mein Junge!" Gottfried gab
nochmals das Versprechen und war mit
Sonnenuntergang richtig an dem
bezeichneten Baum. Der Mann lag da
und schlief und eilt großer schöner
Schwan war mit einem rothen Bande an
den Baum gebunden. Gottfried knüpfte
den Vogel beherzt los und führte ihn
davon, ohne daß der Mann erwachte.
Nun traf es sich, daß Gottfried mit
seinem Schwan an einer Baustätte
vorüber kam, wo einige Männer mit
aufgestreiften Beinkleidern Lehm
kneteten; die bewunderten die
schönen Federn des Vogels und ein
vorwitziger Junge, der über und über
voll Lehm war, sagte laut: "Ach,
wenn ich doch nur eine solche Feder
hätte!" - "Zieh Dir eins aus! "
sprach Gottfried freundlich ; der
Junge griff nach dem Schweife des
Vogels, der Schwan schrie; "Schwan,
kleb an!" sprach Gottfried und der
Junge konnte nicht wieder los
kommen, er mochte anfangen, was er
wollte. Die Andern lachten, jemehr
der Junge schrie, bis von dem nahen
Bache eine Magd herzu gelaufen kam,
die mit hoch aufgeschürztem Rocke
dort gewaschen hatte. Die fühlte
Mitleid mit dem Jungen und reichte
ihm die Hand, um ihn loszumachen.
Der Vogel schrie; "Schwan, kleb an!"
sprach Gottfried, und die Magd war
ebenfalls gefangen. Als Gottfried
mit seiner Beute eine Strecke
gegangen war, begegnete ihm ein
Schornsteinfeger, der lachte über
das sonderbare Gespann und fragte
die Magd, was sie denn da triebe ?
"Ach herzliebster Hans," antwortete
die Magd kläglich, "gieb mir doch
Deine Hand und mach' mich' doch von
dem verteufelten Jungen los." -
"Wenn's weiter nichts ist!" lachte
der Schornsteinfeger und gab der
Magd die Hand; der Vogel schrie;
"Schwan, kleb an!" sprach Gottfried
und der schwarze Mensch war
ebenfalls behext. Sie kamen nun in
ein Dorf, wo eben Kirchweih war;
eine Seiltänzergesellschaft gab dort
Vorstellungen und der Bajazzo machte
eben seine Narretheidinge. Der riß
Mund und Nase auf vor Verwunderung,
als er das seltsame Kleeblatt sah,
das an dem Schweife des Schwan's
fest hing. "Bist Du ein Narr
geworden, Schwarzer ?" lachte er. -
"Da ist gar nichts zu lachen!"
antwortete der Schornsteinfeger.
"Das Weibsbild hält mich so fest,
daß meine Hand wie angenagelt ist.
Mach' mich los, Bajazzo ; ich thu
Dir einmal einen andern
Liebesdienst." Der Bajazzo faßte die
ausgestreckte Hand des Schwarzen,
der Vogel schrie; "Schwan, kleb an!"
sprach Gottfried und der Bajazzo war
der Vierte im Bunde. Nun stand in
der vordersten Reihe der Zuschauer
der stattlich wohlbeleibte Amtmann
des Dorfes, der machte ein gar
ernsthaftes Gesicht dazu und er
ärgerte sich höchlich über das
Blendwerk, das nicht mit rechten
Dingen zugehen könne. Sein Eifer
ging so weit, daß er den Bajazzo an
der ledigen Hand faßte und ihn
losreißen wollte, um ihn dem Büttel
zu übergeben; da schrie der Vogel,
und "Schwan, kleb an!" sprach
Gottfried und der Amtmann theilte
das Schicksal der Vorgänger. Die
Frau Amtmannin, eine lange dürre
Spindel, entsetzte sich über das
Mißgeschick ihres Eheherrn und riß
mit Leibeskräften an dem freien Arm
desselben; der Vogel schrie;
"Schwan, kleb an!" sprach Gottfried
und die Frau Amtmännin mußte trotz
ihres Geschreis folgen. Hinfort
hatte Niemand mehr Lust, die
Gesellschaft zu vergrößern.
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Holzschnitt nach Ludwig Richter
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Gottfried sah schon die Thürme der
Hauptstadt vor sich; da kam ihm eine
glänzende Equipage entgegen, in der
eine wunderschöne junge, aber ernste
Dame saß. Als diese den bunten Zug
erblickte, brach sie jedoch in
lautes Gelächter aus und ihre
Hoffräuleins und ihre Dienerschaft
lachten mit. "Die Königstochter hat
gelacht! " rief Alles voller
Freuden. Sie stieg aus, betrachtete
sich die Sache noch genauer und
lachte immer mehr bei den Capriolen,
welche die Festgebannten machten.
Der Wagen mußte umwenden und fuhr
langsam neben Gottfried nach der
Stadt zurück. Als der König die
Kunde vernahm, daß seine Tochter
gelacht habe, war er voll Entzücken
und nahm selbst Gottfried, seinen
Schwan und dessen wunderliches
Gefolge in Augenschein, wobei er
selbst lachen mußte, daß ihm die
Thränen in den Augen standen. "Du
närrischer Gesell," sprach er zu
Gottfried, "weißt Du, was ich Dem
versprochen habe, der meine Tochter
zum Lachen bringt?" - "Nein", sagte
Gottfried. - "So will ich Dir's
sagen," antwortete der König.
"Tausend Goldgulden oder ein schönes
Gut. Wähle Dir zwischen den beiden."
Gottfried entschied sich für das
Gut. Dann berührte er den Buben, die
Magd, den Schornsteinfeger, den
Bajazzo, den Amtmann und die
Amtmännin mit seinem Stäbchen und
Alle fühlten sich frei und liefen
davon, als brenne die Hölle hinter
ihnen der, was neues
unauslöschliches Gelächter
verursachte. Da wurde die
Königstochter bewegt, den schönen
Schwan zu streicheln und sein
Gefieder zu bewundern. Der Vogel
schrie; "Schwan, kleb an!" sprach
Gottfried, und so gewann er die
Königstochter. Der Schwan aber erhob
sich in die Lüfte und verschwand in
den blauen Horizont. Gottfried
erhielt nun ein Herzogthum zum
Geschenk; er erinnerte sich aber
auch des alten Weibleins, das Schuld
an seinem Glücke war und berief sie
als seine und seiner auserwählten
Braut Haushofmeisterin in sein
stattliches Residenzschloß.
Quelle:
Deutsches Märchenbuch 1847, Ludwig
Bechstein (1801-1860)