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Auf dem Foto Jesper Koll |
Der am Montag dieser
Woche veröffentlichte Bericht zum
japanischen Bruttoinlandsprodukt
(BIP) war aus zwei Gründen
außergewöhnlich: erstens, weil er
aufgrund eines Rückgangs von 6,3
Prozent gegenüber den Erwartungen
von 3,8 Prozent schlimmer ausfiel
als erwartet. Zweitens, weil es
keine Frage ist, was diesen Rückgang
erzwungen hat. Ja, es war die
Erhöhung der Mehrwertsteuer von 8
auf 10 Prozent mit Wirkung vom 1.
Oktober vergangenen Jahres. Dass
Ursache und Wirkung so klar zum
Ausdruck treten, das liest man in
Makroberichten eher selten.
Die gute Nachricht ist, dass der
Bericht auch bestätigt, dass die
positiven Trends in Japan
fortdauern. Konkret: Während der
Konsum um 11 Prozent bzw. 7,4
Billionen Yen einbrach, stiegen die
Arbeitsunfallentschädigungen um 1,4
Prozent, also um 1,2 Billionen Yen,
was mit dem seit etwa drei Jahren
anhaltenden vierteljährlichen
Aufwärtstrend von 1 bis 1,5 Prozent
übereinstimmt. Es gibt starke Gründe
für die Annahme, dass die
Entschädigungen und das
Einkommenswachstum ihren
Aufwärtstrend fortsetzen werden -
Japans demographischer Wandel schürt
einen sich ständig verstärkenden
Wettkampf um Talente. Die
Aufmerksamkeit sollte den
diesjährigen Lohnverhandlungen
gelten, die ein Basislohnwachstum
von 2,5 bis 3 Prozent bringen
dürften. Sofern dies der Fall ist,
dürfte der Rückschlag bei den
Verbraucherausgaben stark,
möglicherweise sogar sehr stark
ausfallen.
Wann wird das sein? Offensichtlich
werden die derzeitigen durch das
Coronavirus hervorgerufenen Ängste
eine zusätzliche Verzögerung des
Wachstums verursachen. Zum jetzigen
Zeitpunkt ist es deshalb ratsam,
einen weiteren Rückgang der
Verbrauchernachfrage im laufenden
Quartal anzukündigen. Eine
technische Rezession über zwei
negative Quartale in Folge, das ist
in Japan sehr wahrscheinlich. Die
Kräfte der Angst halten die
Brieftaschen Watanabes, des
sprichwörtlichen Menschen von der
Straße, geschlossen und dicht, bis
sich der Höhepunkt der
Coronavirus-Ausbreitung bestätigt
hat.
Mehr Gewissheit bringt die
staatliche Finanzpolitik. Das „Team
Abe" hat bereits den durch die
Steuererhöhung verursachten, tiefer
als erhofft reichende
Nachfragerückgang erkannt und ein
Rekordpaket mit zusätzlichen
Ausgaben in Höhe von 24 Billionen
Yen (fast 5 Prozent des BIP)
geschnürt und ratifiziert. Die
ersten Auswirkungen des zusätzlichen
fiskalischen Anschubs dürften ab
Ende Februar/Anfang März die
Inlandsnachfrage ankurbeln und bis
zum April-Juni-Quartal die
Inlandsnachfrage um bis zu 0,6-0,8
Prozent steigern.
Unterm Strich wird Japans
Steuererhöhung vom Oktober 2019 als
politisches Missgeschick in die
Geschichte eingehen, wobei das durch
das Coronavirus forcierte Unglück
dem Ganzen einen prozyklischen
Abwärtsimpuls hinzufügen. Der Fehler
wurde jedoch bereits erkannt und
erzwang eine starke Gegenmaßnahme,
die in den kommenden Monaten
kumulativ positive Impulse entfalten
wird. Falls die Coronavirus-Epidemie
zurückgeht, ist ein stärker als
derzeit erwarteter positiver Impuls
für Japans Wirtschaft in Sicht,
wobei ein Anstieg der jetzt noch
aufgestauten Verbrauchernachfrage
die fiskalischen Anreize noch
verstärken dürfte. Unter
Berücksichtigung all dieser Aspekte
ist eine Wachstumserholung von 4-6
Prozent bis zum Sommer dieses Jahres
möglich.
Kommentar zur japanischen Wirtschaft
von Japan-Kenner Jesper Koll
Meldung: WisdomTree
Investments, New York