Sie
wollte ein Herz – und ich gab ihr meins |
Zum Gedenken an Olifr M. Guz, den
Chartbreaker der Herzen |
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Label:
Ritchie Records (Swamproom)
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Vielleicht waren die
Aeronauten die sympathischste Band
der Welt, bestimmt aber die
charmanteste der Ostschweiz: 1991
wurde die Gruppe gegründet. Das
erste Konzert spielten sie in Basel
vor Alan Jenkins‘ Chrysanthemums.
Elf Alben und viele Singles währte
die Geschichte der Aeronauten, die
aus Romanshorn via Schaffhausen
aufgebrochen waren, die Herzen der
Menschen zu erobern. Und das
funktionierte – zumindest bei
manchen: Was nicht verwundern muss,
denn diese Schrammel-Gitarren und
Blechbläsersätze, dieser
hemdsärmelige Gesang, diese
melancholischen Lieder bringen
selbst Steine zum Heulen. Und die
Texte leuchten in schöner
Schlichtheit wie blankgeputzte
Sprachdiamanten.
Im Zentrum der Band stand stets
Oliver Maurmann alias Olifr M. Guz
an Gitarre, Gesang, Bass, Harmonium
und Orgel. GUZ war ein Mann, der nur
wenige Zeilen singen musste, um
erkennen zu lassen, dass das was er
tat, etwas wirklich Besonderes war.
Die Aeronauten steckten sich alles
in ihre großen Taschen. Surfmusik,
Ska, Blues, Punkrock, Country, Rock'
n' Roll, filmmusikalische
Instrumentals, ja sogar Swing, Rumba
und Calypso, die Bläser-Sätze der
Dexys Midnight Runners – vieles
klauten sie aus den Regalen der
Popgeschichte, um alles zusammen zu
schnoddrigem, mitreißendem Soul-Pop
hoch zu brodeln.
Das war die Musik. Doch was wäre sie
ohne die Texte von Maurmann? „Sie
wollte ein Herz und ich gab ihr
meins / Jetzt hat sie zwei und ich
hab keins” oder auch „Wir sehen in
den Fluss und denken ans Meer“, das
sind so typische Zeilen. Und erlebte
man die Band live, dann wollte man
dem Sänger, dem Aeronauten, der
gerne Modellflugzeuge bastelte, am
liebsten das eigene schenken. Denn
man hatte das Gefühl: Diesem Mann
kann man vertrauen. Er hatte die
lustigsten, traurigsten (und zumeist
auch kürzesten) Songs mit dabei.
„Keine Hütte, kein
lauwarme-Bier-verkaufender Keller,
wo wir nicht gewesen wären”,
erinnert sich Maurmann. Und weiter:
„In einer gerechten Welt”, so Guz,
wären 'Freundin', 'Ich wollt ich wär
tot, Bettina', 'Countrymusik' zu
Chartbreakern erster Güte geworden”.
Womit endgültig bewiesen wäre, dass
die Welt wirklich ungerecht ist.
Aber eigentlich wurden alle diese
Songs ja auch zu Chartbreakern!
Chartbreaker der Herzen.
Nicht zu vergessen Maurmanns
solistische Ausflüge, die auf 13 MCs,
EPs, CDs und Schallplatten
erschienen. „In GUZ we trust“ ist
ein solches Werk, das man mal wieder
hören sollte – eine Anthologie mit
längst vergriffenen Stücken aus den
Jahren 1984-95. „Der Ton ist
schlecht, die Musik ist gut“ – das
steht auf dem Cover von „In GUZ we
trust“. GUZ war das ewige
Soloprojekt des 1967 geborenen
Aeronauten-Sängers. Was machte den
Unterschied aus? Vielleicht das: Was
bei seiner Hauptband als
durchgebildeter Song im Ohr kitzelt,
kriecht bei GUZ unversehens ganz
direkt, als Skizze und Idee hinein.
Es rumpelt, poltert, fiept und
klingelt aus unzähligen Instrumenten
zum Beat billiger Rhythmusmaschinen.
Sehr spezielle Musik. Aus dem Keller
für den Keller.
Hören wir also die ganzen
Aeronauten-Hits, hören wir noch
einmal „Countrymusik“, „Bettina“,
„Schuldigung“, „Drogen nehmen und
rumfahren“ von Die Zukunft (Maurmann
mit Bernadette La Hengst und Knarf
Rellöm) oder das ganze GUZ-Album „We
Do Wie Du“. Tanzen wir zu diesen
Pop-Balladen, zu diesem Garagenbeat,
Blues, Rock’ n’ Roll und Boogie
Woogie.
Denken wir zurück an vergangene
Konzerte in längst verblichenen
Schuppen wie etwa der Hamburger
Meanie-Bar. In Hamburg liebte man
GUZ wie nirgendwo sonst in
Deutschland – 1997 gingen sie mit
Tocotronic auf große Tournee und
spielten in größeren Hallen. Die
Alben „Gegen Alles“ (1995), „Jetzt
Musik“ (1997) und „Honolulu“ (1998)
wurden bei dem Hamburger Label „L’age
d’Or“ veröffentlicht – zu einer
Zeit, als die beste deutschsprachige
Musik von der Elbe kam.
Im Jahr 2015 erschien das letzte
Album der Aeronauten. Weiterhin
beschäftigte sich Guz in den letzten
Jahren mit verschiedenen anderen
Soloprojekten und brillierte unter
anderem auch als Schauspieler in der
SRF-Serie „Güsel“, in der er einen
Abfalldetektiv spielte – was
irgendwie auch passte. Jetzt ist
Olifr M. Guz tot. Der Mann, der sein
Herz so gerne verschenkte, wurde nur
52 Jahre alt. Er starb an den Folgen
eines Herzleidens.
Im Jahr 2016 ist der Doku-Film „DIE
AERONAUTEN 16:9 die ersten 25 Jahre“
des ehemaligen Aeronauten-Bassisten
Hipp Mathis erschienen, der die
Geschichte der Band von den Anfängen
bis in die Gegenwart darstellt.
Autor: Marc Peschke
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