Klappaltar für zu
Hause und das Publikums
Postkartenset, das sind die
Mitbringsel aus der Böhm100
Ausstellung im Deutschen
Architekturmuseum DAM, die am 17.
Januar eröffnet wurde und eine
Laufzeit bis 26. April bietet.
Hinweis an dieser Stelle auf den
Katalog "Gottfried Böhm" (2006)
herausgegeben von Wolfgang Voigt im
Jovis Verlag, der zur Zeit jedoch
vergriffen und im Museum nicht
erhältlich ist. Die DAM Ausstellung
seinerzeit befasste sich mit Böhms
architektonischem Werk
ausführlicher. Die aktuelle
Ausstellung nimmt sich mit der
Wallfahrtskirche in Neviges nur ein
einziges Bauwerk vor, das anlässlich
des Jubilars näher vorgestellt
werden soll.
Das Foto mit Kirche und Häusern
zeigt den Pilgerweg, der vom
Wallfahrtsort aus eingeschlagen
wurde. Farblich angedeutet durch die
blaue und grüne Musterung an den
Außenwänden, was als Wegweiser auf
den Pilgerweg fungierte. Es stellt
sich die Frage, warum nicht einfach
die Gottfried Böhm Ausstellung von
2006 wiederholt wurde? Der Grund
ist, Neviges wird gerade saniert,
wobei die Finanzierung noch gar
nicht komplett gesichert ist. Der
Beton-Dom ist mit dem Architekten
Gottfried Böhm unmittelbar
verschränkt. Im Auditorium des DAM
befindet sich eine überlebensgroße
Fotowand mit Architekturfotografien
aus Neviges, die nicht als Montage
zu verstehen sind, aber aus mehreren
Fotos passend zusammengesetzt
wurden. Die verwendeten Aufnahmen
sind aus den Jahren 1968/ 69 und
wurden während der Baustellenzeit
aufgenommen. Diese Kulisse liefert
eindrucksvoll einen großformatigen
Hintergrund im Auditorium.
Die Erläuterungen durch die
Ausstellung vor Ort gaben Oliver
Elser und Miriam Kremser. Das
Marienbildnis, welches in Neviges so
sehr verehrt wird, stammt aus dem
Jahre 1681 und gilt als Mitauslöser
zur Gegenreformation. Die
Wallfahrtskirche in Neviges umfasst
insgesamt 8.000 Plätze, ist somit ein recht großes Gebäude,
obwohl derart große Kirchen seit
Jahrzehnten nicht mehr gebaut
werden. Ein Grund ist auch der
Mitgliederschwund bei den großen
Kirchen und die
Instandhaltungskosten, die durch
solche Monumentalbauten entstehen.
Den 1. Preis des
Architektenwettbewerbs seinerzeit
hatte gar nicht Gottfried Böhm
sondern Kurt Faber gewonnen, der
zeitgemäß mit einer 'Kiste'
aufwartete. Böhm gewann den 3.
Platz. Im Unterschied zu den anderen
hatte er aber eine Platzarchitektur
geschaffen. Wie kam es, dass Böhm
den Auftrag bekam? Erzbischof Frings
entschied eine Überarbeitungsphase.
Im 2. Teil des Wettbewerbs wurden
Plastilinmodelle entworfen. Es wird
davon ausgegangen, dass Böhms Modell
aus haptischen Gründen ausgewählt
wurde. Einer der Kardinäle, so heißt
es, selbst war blind und erfuhr das
Aussehen nur über die Haptik des
Modells. Auch Gottfried Böhm
propagierte eine haptische
Herangehensweise während der Arbeit.
1968 war der Baubeginn. Der Bau
erforderte erheblichen Körpereinsatz
und dazugehörige Kletterkünste der
Bauarbeiter. Im Vordergrund zur
Kirche entstand ein ausgedehntes
Pilgerheim, das 1973 gebaut wurde.
Die Stühle im Inneren der Kirche,
die wie eine riesige dunkle Höhle
wirkt, wurden ebenfalls von Böhm
entworfen. Die Fenster in hellrot
stehen als Sinnbild für Maria, zu
deren Verehrung die Kirche in
Neviges erbaut wurde. In der
DAM-Ausstellung sind mehrere
Zeichnungen zu den Fenstern
ausgestellt. In den Glasfenstern
wiederum sind Piktogramme mit Namen
Nahestehender eingebracht, nicht in
Blei gegossen, sondern mit einer
haltbaren Farbe aufgetragen. Welche
Bedeutung diese für den Bau haben,
ist nicht vollständig geklärt.
Verfeinert aber die Vorstellung über
die besondere Bedeutung des
Gebäudes. Der Kircheninnenraum ist
als öffentlicher Platz gedacht. Es
gibt eine Werkplanung im Maßstab
1:50, einige Zeichnungen hierzu sind
augestellt. Den Rest der Arbeit, was
nicht in den Plänen verzeichnet
werden konnte, führten die
Schalungsbauer aus, die sich durch
Sauberkeit bei der Betonverarbeitung
auszeichneten. Weiterer Bestandteil
der Kirche wie Abbildungen der
Ausstellung, sind differenzierte
Farbabstimmungen, die am sogenannten
Schlangenfenster vorgenommen wurden.
Kardinal Frings war kunstorientiert.
Böhm hat mehrere Kirchen in
Falttechnik in Köln gebaut. Frings
war am "Aschermittwoch der
Künste-Tag" in Köln beteiligt, so
kam wohl der Kontakt zustande.
Sprechende Formen waren gefordert.
Gegenwärtig wird der Bau in Neviges
noch saniert. Risse sind durch das
Eindringen von Wasser auf dem Dach
zurückzuführen. Ein
Epoxidharz-Anstrich soll die
Oberfläche abdichten. Neuerdings
ermöglicht die Textilbetontechnik
neue Herangehensweisen bei der
Sanierung maroder Betonteile an
baulich schwierigen Stellen. Der
Dachaufbau in Neviges ist
mehrschichtig. Eine äußere Schicht
gefolgt von einer Karbonmatte und
weiteren Schichten. Obwohl aus
grauem Beton erbaut, wirkte die
Kirche stets sandfarben. Auch dieses
Detail wurde bei der Sanierung
beachtet. Die Familie Böhm ist
während der Sanierungsarbeiten in
die Arbeit involviert, wobei Peter
Böhm die Leitung übernahm. Gezeigt
wurde während des Rundgangs auch ein
Bohrkern, der die verschiedenen
Schichten darlegt und etwas vom
Originalmaterial des Betons
mitgenommen hat. Die verschiedenen
übereinanderliegenden Schichten der
Dachoberfläche fangen zudem
Schwankungen auf, denen das Gebäude
kontinuierlich ausgesetzt ist. Der
Beton, wenn dieser in einfacher Lage
die Dachoberfläche belegen würde,
müsste auf Dauer bersten, so dass
Rissbildung die Folge wäre. Während
der Ausstellung kann im DAM auch der
87minütige Dokumentarfilm 'Die
Böhms. Architektur einer Familie'
(BRD/ CH 2014) von Maurizius
Staerkle Drux angeschaut werden.
Eine Ausstellungsrezension von
Kulturexpress