Seitenstarker 'Atlas des Möbeldesigns'
(1. Aufl. 2019) erschienen bei Vitra
Design
Die Vielfalt der Möbeldesigns aus
den letzten 200 Jahren scheint fast
unüberschaubar. Die Autoren haben
sich der Aufgabe gestellt, um die
Vielfalt zu erforschen und zu
deuten. Dieser Atlas erschließt die
umfassende Geschichte des
Möbeldesigns zu einer Vielzahl an
Einzelobjekten, die in Kurzessays
analysiert und in einen größeren
Zusammenhang eingeordnet wurden.
Mit Inhalten aus über 20 Jahren
Forschung und mehr als 1.000 Seiten
ist
er das
umfassendste Buch, das je zu diesem
Thema publiziert wurde. Dokumentiert
werden 1.740 Objekte von über 540
Designern und enthält mehr als 2.800
Abbildungen. Über 550 Texte liefern
detailgenaue Objektanalysen, Essays
zu vier großen historischen Epochen
beschreiben den soziokulturellen und
designhistorischen Kontext der
gezeigten Objekte. Hinzu kommt ein
umfangreicher Anhang mit
Designerbiografien,
Informationsgrafiken, Bibliografien
sowie Hersteller- und
Materialglossar. Die gebundene
Ausgabe umfasst 1028 Seiten. Die
erste Auflage der deutschsprachigen
Ausgabe wurde in 3500 gedruckten
Exemplaren publiziert. Es gibt auch
eine englischsprachige Version
'Atlas of Furniture Design' gleichen
Umfangs. Die Maße des gewichtigen
Buches betragen: 25,4 x 33,8 cm Höhe
mal Breite und einer seitenstarken
Dicke von 8,1 cm.
Mit dem 'Atlas des Möbeldesigns'
veröffentlicht das Vitra Design
Museum das neue Grundlagenwerk zur
Geschichte des modernen
Möbeldesigns. Der inhaltliche Bogen
der Publikation reicht von den
Anfängen der Industrialisierung bis
zum digitalen Zeitalter. Die
Herausgeber sind: Mateo Kries,
Jochen Eisenbrand, Henrike Büscher,
Janna Lipsky, Adrian Luncke und Nina
Steinmüller.
Immer wieder
ist zu hören, Designgeschichte sei
objektfixiert, doch wie in der Kunst
steht vor jeder Auseinandersetzung
das Verständnis des einzelnen Werks,
das durch und mit seinem Autor,
seinem Entwurf, seinen Materialien,
seiner Produktion, seiner Rezeption
und den vielen Einflüssen, die es
geprägt haben zur Geltung gelangt.
Neben den auf einzelne Möbelstücke
bezogenen Texten umfasst der Atlas
des Möbeldesigns Essays,
Informationsgrafiken,
Verweissysteme, Biografien und
Glossare, die Verbindungen zwischen
den Objekten aufzeigen und die
großen Entwicklungsstränge des
Möbeldesigns verdeutlichen. Basis
für den Atlas des Möbeldesigns ist,
wie nicht anders zu erwarten gewesen
wäre, die Sammlung des Vitra Design
Museums. Sie ermöglicht neben dem
visuellen Eindruck eine Forschung am
Objekt, die eine wesentliche
Voraussetzung für die Produktion
ist. Das geht bis in Details wie
Polsternähte, Stofftexturen,
Holzverbindungen oder
Herstellermarken. Andererseits
entwickelt sich die Aufstellung aus
dieser Vielzahl an Objekten schnell
zum Katalog, um nicht zu sagen zum
Produktkatalog. Lediglich die
ausgedehnten historisch belegten
Bezüge, welche die Herausgeber mit
ihren Forschungen präsentieren,
haben nicht das Produkt sondern das
Exponat im Blick.
Der Atlas des
Möbeldesigns veranschaulicht eine
Bandbreite an Gestaltern, Epochen,
Stilen, Herstellern, Materialien und
Entwurfshaltungen. Der Stuhl ist am
häufigsten vertreten, denn kein
anderes Möbel wurde von Designern,
Architekten und Künstlern so oft neu
gestaltet und interpretiert. Von
allen Möbeln wird der Stuhl am
häufigsten gebraucht, am stärksten
belastet und exponiert im
Raum aufgestellt. Oft weist er zudem
eine anspruchsvolle Konstruktion
auf, die unterschiedlichen
Funktionen und Belastungen gerecht
werden soll. Hinzu kommt eine
vielschichtige Ikonografie und
Symbolik, die schon damit beginnt,
dass ein Stuhl ein Angebot ist, um
sich zu hinzusetzen. Ein freier
Platz symbolisiert immer zuerst die
Möglichkeit einer freundschaftlichen
Geste an das Du und an ein
Gegenüber. Du bist gemeint, um Platz
zu nehmen auf dem freien Stuhl.
Allein der freie Stuhl für sich ist
damit schon ein sprechendes
Kommunikationsmittel. Der Kulturhistoriker Hajo Eickhoff
bezeichnet das Sitzen als Ausdruck
des aufgeklärten,
anthropozentrischen Weltbildes
schlechthin.
Die frühesten
Auswahlstücke aus dem Atlas des
Möbeldesigns entstanden im späten
18. Jahrhundert und damit schon
Jahrzehnte bevor Henry Cole im
Vereinigten Königreich den Begriff
„Design“ prägte und dabei jenes
Designverständnis umriss, das in
groben Zügen auch im 20. Jahrhundert
galt: als Gestaltung von
Gebrauchsgütern für eine serielle
Herstellung nach ökonomischen und
ästhetischen Kriterien.
Etliche
Entwürfe stammen aus der Hand
berühmter Architekten wie Le
Corbusier, Ludwig Mies van der Rohe
oder Richard Neutra – gerade aus der
ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts,
in dem das Berufsbild des Designers
noch kaum etabliert war. Andere
Möbel in der Sammlung wurden von
Künstlern entworfen, etwa von El
Lissitzky, Donald Judd, Allen Jones
oder Richard Artschwager. Vor allem
die Künstler- und Architektenmöbel
zeigen, wie eng die Verflechtungen
zwischen Design, Architektur und
Kunst seit jeher sind.
Eng ist auch
die Verbindung mancher Möbel zur
Biografie ihrer Entwerfer, etwa bei
einem Schreibtisch, den sich der aus
Wien stammende Architekt Friedrich
Kiesler für sein New Yorker Studio
bauen ließ (1930–1935), oder bei
einem filigranen Schrank, den Eileen
Gray als Einzelstück um 1935 für ihr
Sommerhaus Tempe a Pailla an der
Côte d’Azur fertigen ließ. Weiteres
im Buch nicht erwähntes Beispiel
wäre der demonstrativ zur Schau
gestellte Schreibtisch in einer
großen kastenförmigen Vitrine von
Theodor W. Adorno auf einem
öffentlichen Platz in Frankfurt am
Main. Wobei in diesem Fall nicht die
Eigenschaft als Entwerfer sondern
die des Philosophen gefragt ist, vor Ort nicht mehr
anwesend, dafür aber sein
Arbeitstisch mit Schreibtischstuhl aufgestellt
wurden, so als ob die Gegenstände
noch in Gebrauch sind.
Bei anderen
Stücken ist der Entwerfer kaum oder
nicht bekannt, etwa bei dem bis
heute beliebten Gartenstuhl aus
gebogenen Eisenstäben oder einem
faltbaren Outdoor-Hocker der 1920er
Jahre, dessen Verpackungsaufschrift
umso interessantere Einblicke in das
Sitzverhalten der entstehenden
Freizeitgesellschaft gibt.
Atlas des
Möbeldesigns
von Mateo Kries
Vitra Design Museum, Weil am Rhein
1. Auflage, 2019
Gebundene Ausgabe, 1028 Seiten
zahlreiche Illustrationen
Format: 25,4 x 33,8 x 8,1 cm
ISBN: 978-3931936983